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Die Bürger sind zu dick, und das ist schlecht für die Gesundheit. Das dachte man sich in der Stadt New York und hatte auch eine Idee, wie man das ändern könnte. Flugs gab es eine neue Bestimmung, die da sagt: Alle Restaurants mit mindestens fünfzehn Zweigstellen mussten per Beschluss genau aufschlüsseln, welche Nährwerte ihre Produkte haben, also praktisch jede Kalorie enttarnen.
Das traf natürlich vor allem die Fastfood-Giganten wie McDonalds und ähnliche Mampftempel. Man setzte eben auf die abschreckende Wirkung und auf die Fähigkeit zur Imagination der Kunden, die sich wahrscheinlich schon beim Lesen der Karte vorstellen sollten, wie die Hose kneift nach dem Dinner bei Macs. Der Renner beim Essen mit Spaß sind nämlich die dreifachen Hamburger mit reichlich Mayo, praktisch die Salti Mortale der Gürtellinie.
Natürlich wollte man wissen, welche Resultate das Gesetz gebracht hatte und beauftragte die Forschungsteams der Universitäten von New York und Yale, welche tatsächlich Erstaunliches herausfanden. Seit das Gesetz in Kraft getreten war, stieg der Konsum der Kalorien – Overkills in Gestalt von Meat Pads vom Grill mit fettstrotzenden Beilagen – an.
Unlogisch? Eigentlich nicht, wenn man die Hintergründe betrachtet. Gewisse Stadtviertel, wie zum Beispiel die Bronx, Harlem oder Brooklyn, haben meist mehr übergewichtige Einwohner aufzuweisen als andere Gegenden. Die Leute dort sind gewohnt, mit ihrem geringen Budget zu haushalten, um über die Runden zu kommen. Bei Befragungen gaben die meisten Kunden der "Fat and Go"-Restaurants an, dass sie einfach dort essen, weil es billig ist. Für umgerechnet etwa 1,30 Euro bekommt man dort satte 600 Kalorien in Form von Cheeseburgern, die somit fast ein Drittel des Tagesbedarfes decken und erst einmal satt machen.
Wenn man sehr wenig Geld zur Verfügung hat, sieht man zu, dass man so viel wie möglich für so wenig wie möglich bekommt. Etwas, das "lange vorhält" und gut im Magen liegt. Also werden die Kalorien gern in Kauf genommen. Über den tatsächlichen Nährwert will keiner etwas wissen, denn ausgewogene Mahlzeiten mit gesunden Zutaten – und das womöglich täglich – können sich die meisten gar nicht leisten.
Und nachdem man sich gewundert hat über den entfernten Nachbarn, sollte man den Fokus auf die Verhältnisse in Deutschland richten, die sich nicht von denen in Amerika unterscheiden, was zu dicke Erwachsene und Kinder betrifft. Hier ist die Zeit, in der die dicken Wohlstandsbürger für Karikaturen und Satiren gut waren, lange vorbei. Wer nicht auf den Cent achten muss, kommt schlank, gebräunt und sportlich daher, von guter Ernährung profitierend. Hier begibt man sich höchstens ab und an zu Macs, wenn die Kids darauf bestehen.
Alle anderen versuchen, für ihr knapp bemessenes Geld so viel wie möglich einzukaufen. Nicht nur gute Nahrungsmittel sind teuer, auch die Lebenshaltungskosten schnellen in die Höhe. Stromrechnungen sind ein Angstfaktor mittlerweile in der Republik, und wenn man die Kinder mit Fastfood billig glücklich machen kann, anstatt aufwendig und mit Zeit und Energie eine richtig gute Mahlzeit zu kochen, tut man es eben. Dann reicht es auch noch für billiges Naschwerk der fetteren Sorte für die TV-Session am Abend. Das ist verständlich, wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert.
Hier hört man vielleicht manche leise Stimme etwas von "Faulheit" murmeln, aber wenn die Familien die durch die allgegenwärtige Werbung hochgepuschten Wünsche so gut wie nie befriedigen können – auch wenn der Cent mehr als einmal umgedreht wird – dann geben sie vielleicht auf und sich zufrieden mit Ersatz, der aus Zucker und Fett besteht. Bei der wirtschaftlichen Situation, in der sich viele Familien befinden, kann so etwas wie Aufklärung, gesunde Ernährung betreffend, kaum greifen. Man kann einem Strauß ja auch nicht das Fliegen beibringen. Dazu ist er nämlich nicht in der Lage, auch wenn er es vielleicht gerne täte.
George Orwell hat übrigens diese Problematik schon in den fünfziger Jahren in einem seiner Bücher geschildert. Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, wie die Armen ihre Ernährung etwas gesünder gestalten könnten mit dem wenigen Geld, das sie vom Staat bekamen, und kam zu dem Schluss, dass es nicht völlig unmöglich ist. Allerdings hielt er es in letzter Konsequenz für eine ziemliche Zumutung, den Menschen vorschreiben zu wollen, was sie mit dem allzu knapp bemessenen Geld anzufangen haben.
Er kannte beide Seiten der Medaille und war einer der wenigen, die genau hinsahen. Und tatsächlich kann man sich das Bild von einer Karotten knabbernden Meute Kinder und Eltern, die nach einem dieser frustrierenden Tage ohne Arbeit und Einkommen vor dem Fernseher sitzen, kaum vorstellen.
Nicht, dass es nicht schon gesagt worden wäre – aber da sollte man bei den Ursachen anfangen mit Veränderungen.
© "Weniger isst mehr. Wie Armut dick macht": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Gesundheit Kalorien, CC0 (Public Domain Lizenz).
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