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Wie war das noch ... man ging mit Körbchen oder Tasche zum Einkaufen. Da gab es mehrere Läden, die man frequentieren musste, um die Ernährung sicherzustellen. Jede dieser Anlaufstellen bot eine bestimmte Warengruppe feil – man unterschied Gemüseläden, Metzgereien, Gemischtwaren und natürlich auch "den Bäcker". Und das Erstaunliche daran waren die Holzbänke, die sich in fast jedem dieser meist kleinen Lädchen fanden.
So ein Einkauf galt nämlich nicht nur der Versorgung, sondern auch in großem Maße dem gesellschaftlichen Leben. Jeder Verkäufer, meist der Inhaber oder ein Familienmitglied desselben, wusste so gut wie jeden Kunden mit Namen anzusprechen und war über dessen Lebensumstände völlig im Bilde. Während die Roulade für den Sonntag zurechtgemacht wurde, stand man beisammen und tauschte alles das aus, was das soziale Gefüge so festigt. Von Sterbefällen bis Taufen über Hochzeiten und mit glänzenden Augen ausgebreiteten Skandälchen war alles ein Thema. So gesehen, war das Einkaufen ein gesellschaftliches Ereignis in kleinstem Rahmen.
Das betraf nicht nur kleine Ortschaften, sondern auch die Stadtviertel in den Metropolen, die in sozialer Hinsicht genau wie eine Dorfgemeinschaft funktionierten. Das alles war natürlich etwas geruhsamer als heute, wo die ganze Angelegenheit eher zweckgebunden funktioniert. Die Älteren seufzen hier vielleicht sehnsuchtsvoll und die Jüngeren staunen, weil sie sich so etwas kaum vorstellen können.
Dieses nostalgische und stressfreie Gefühl ist auch heute noch zu haben und zu genießen. Wer das nicht so recht glauben will, sollte einmal einen Flohmarkt besuchen. Manche meinen, der Name komme daher, weil außer Flöhen dort alles zu haben ist – aber gerade das Gegenteil ist der Fall. In früheren Zeiten wurden abgelegte Kleidungsstücke vornehmer Herrschaften dort feilgeboten, und da man damals mitunter andere Vorstellungen von Reinlichkeit hatte als heutzutage, wechselte auch der eine oder andere Floh den Besitzer bzw. Wirt.
Tatsächlich gibt es auf den Trödelmärkten noch immer dieses gewisse Flair der Vergangenheit, denn die meisten Verkäufer kennen sich untereinander. In aller Herrgottsfrühe reisen die Händler an, nicht selten von recht weit her, stellen ihre Tische auf oder legen eine Decke hin. Dann, je nach Temperament, werden die Kostbarkeiten liebevoll oder flink ausgebreitet. Mancher tut's von Berufs wegen, mancher ist aus Leidenschaft dabei. Meist können die Reisenden in Sachen flexibler Verkaufsstand auf eine lange Zeit als Händler zurückblicken ... und alle schimpfen auf die modernen Zeiten. Das ist aber Tradition und wird des Spaßes halber gepflegt.
So mancher, der eigentlich aufhören wollte, ist beim nächsten Markt wieder dabei, nicht nur wegen des Geldes, sondern weil er es einfach liebt. Die Kundschaft liebt es ebenso, über den Platz oder auch durch die Halle zu schlendern und sich das bunte Angebot anzusehen. Da wäre vielleicht endlich die Zuckerdose zu finden, die zu dem ererbten kostbaren Porzellan gehört, aber aus Versehen den Todesstoß empfangen hat. Die immer präsenten Bücherstände halten viele alte Freunde parat, die man vor langen Jahren einmal kannte und denen man wiederbegegnen kann – diese kann man oft für ein paar Cent mitnehmen. Man findet Kinderbücher ebenso wie alle Karl May-Ausgaben, Kochbücher und alles, was sich auf Papier drucken lässt. Wo sonst könnte man doch tatsächlich einen gehäkelten Klorollenverstecker in Hutform finden oder mit einem Püppchen obendrauf. Sie wissen schon ... für das Auto. Nicht, dass das jemand braucht oder haben will, aber es macht die Sache so richtig authentisch.
Kinder sitzen vor gesammelten bunten Karten oder bieten ihre ausgemusterten Barbiepuppen und Modellautos feil. Schuhe kann man haben und jede Menge Kleidungsstücke – von schweren Lodensachen bis hin zu Abendkleidern. Ein richtiger Kostümfundus ist so ein Flohmarkt, sogar Brautkleider werden angeboten. Hier und da gibt es Schallplatten und andere Tonträger, und vor den Tischen mit CDs herrscht immer großer Andrang. So manches versteckt sich irgendwo in der Reihe – etwas, das es sonst nirgendwo mehr gibt. Ramsch in Hülle und Fülle, Plastikspielzeug oder billige Anhänger und Ketten, aber natürlich auch die antike Arzttasche aus Schweinsleder mit Bügelverschluss und Initialen.
Körbeweise Plüschtiere werden angeboten, und tatsächlich bekommt ein leicht angeschmuddeltes Kaninchen eine zweite Chance in Form eines sich spontan verliebenden Kindes, das sich weigert, auch nur einen Schritt weiterzugehen ohne dieses alte Langohr. "Du hast doch daheim so viele Stofftiere", sagen die genervten Eltern – das gilt dem Kind ebenso wie den Umstehenden (... es sollen ja keine falschen Vorstellungen aufkommen). Und das stimmt ja auch, aber sie verstehen nicht, dass es eben genau dieses Kaninchen sein muss – dieses hier, das so kuckt und mitgenommen werden will. Kinder nehmen so etwas wahr.
Die Mütter sind nicht anders, denn für dieses kleine Väschen ist eigentlich gar kein Platz mehr, wenn man es recht bedenkt, aber irgendwie landet es dann doch auf der heimischen Fensterbank. Vater hat zwar die Augen verdreht, geht aber auch nicht völlig beutelos heim, denn da gab es diesen Stand mit den Werkzeugen und Bilderrahmen. Die Cowboystiefel mit den zünftigen Schlaufen ließ man auch nur stehen, weil die Größe nicht stimmte.
Man kann ebenso viele Sprachen hören wie im Hafen des alten Alexandria und natürlich fehlt die Wurstbude auch nicht. Meist geht kein Kauf ohne Unterhaltung vor sich, da wird gescherzt oder gemeinsam auf die schlechten Zeiten geschimpft und hier und da auch so richtig gefeilscht. Jeder weist das Vergnügen daran weit von sich, aber die Augen glänzen verdächtig – bei beiden Seiten. Und wenn man sich am Schluss dann doch auf den ursprünglichen Preis einigt, dann war es auf jeden Fall die Gaudi wert. Gleichgesinnte Sammler treffen sich hier oder lernen sich kennen, die Kunden sind oft geübte Flohmarktbesucher und kennen sich vom Sehen ebenso wie die Händler. Es hat etwas von einem Jahrmarkt an sich, aber ebenso etwas von "Daheim". Wer an so etwas glaubt, kann an jeder Biegung darauf gefasst sein, dass ihm ein kleines Wunder begegnet ... etwas, das er schon lange aufgegeben hat zu suchen – und plötzlich steht es da, als hätte es nur auf ihn gewartet.
Ein großer Flohmarkt ist eine begehbare Wundertüte, und wenn der Inhalt auch nicht mehr ist, als vielleicht ein wenig Schnickschnack – der Spaß war es allemal wert. Wenn die letzten Besucher sich langsam auf den Heimweg machen, packen die Händler wieder zusammen, man spricht miteinander über den Tag, winkt ab oder lächelt zufrieden. Was übrig geblieben ist, wird wieder im Auto verstaut und man verabschiedet sich – vielleicht denken einige darüber nach, dass sie eigentlich keine Lust mehr haben oder dass die Zeiten zu schlecht sind. Oder dass die Arbeit sich nicht rechnet und man das Wochenende auch anders verbringen könnte – aber beim nächsten Mal sind sie wieder dabei.
Es ist nicht nur die Hoffnung auf einen Verdienst – es ist viel, viel mehr. Und deshalb kommen die meisten Besucher auch immer wieder her.
© "Jahrmarkt der Kleinigkeiten – Flohmarkt: Flair der Vergangenheit": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Foto des Flohmarktstands von Peng, Creative Commons-Lizenz.
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