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Was in diesen Tagen durch die Medien geht, ist schrecklich und unbegreiflich. Also außer grausam auch nicht zu begreifen – im Sinne von Verstehen. Wer versteht nun wirklich, wieso manche Menschen Spaß daran finden, auf jemanden einzuprügeln, bis dieser am Boden liegt, um dann mit Tritten nachzufassen? Ohne irgendwie an Konsequenzen zu denken.
Wer nun kein Psychiater ist, kommt um Fragen nicht herum. Dass diese Schläger nicht an Folgen für ihr jeweiliges Opfer denken, ist gerade noch nachvollziehbar, soweit man sich in ihre Denkweise versetzen kann. Schließlich verprügelt man niemanden und macht sich gleichzeitig Gedanken um dessen Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit. Das wäre nicht schlüssig.
Aber werden keine Konsequenzen für sich selber gefürchtet? Fühlt man sich in diesen rauschhaften Momenten, in denen man seinen ganzen Frust und seine Ängste wegdrischt, dermaßen losgelöst von jeder Realität, oder hat man gelernt, das Gesetz mit einem Schulterzucken zu missachten?
Schnell schlägt es ja nicht zu, das Gesetz. Normalerweise vergeht einige Zeit, bis so ein Kandidat als gefährlich eingestuft wird. Während seine Akten zu einem ansehnlichen Stapel anwachsen, hat er jede Menge Zeit, um sich eine beeindruckende Pokalsammlung im Straßenkampf zuzulegen. Die kann er noch vergrößern, während die nächste Verhandlung in Sachen Körperverletzung auf die lange Bank geschoben wird.
Während des Wartens versüßt man sich die Zeit damit, sich dicke zu tun vor den Kumpels und einen noch breiteren Gang einzuüben. Man ist nämlich wer in der Subkultur, wenn man sich mit dem Gesetz angelegt hat. Ein richtiger Lonesome Rider. Markig halt. Verzeihung, ich meine natürlich cool. Ausnahmsweise trifft dieses Wort den Kern der Sache sogar. Denn kühl muss man wahrscheinlich sein, wenn man sich an einem wehrlosen, auf dem Boden liegenden Menschen auslässt.
Die Fragen nach dem Dritten Reich, wieso scheinbar normale Menschen, die liebevolle Briefe an die Familie schrieben, während sie in aller Kühle täglich Menschen in die Gaskammern schickten, sind immer noch nicht wirklich beantwortet. Was für eine Art Blindheit da vorlag, darüber wird immer noch diskutiert.
Aber heute muss man sich fragen: Wie kann aus einem kleinen Kind, das seinen Fledderteddy auf dem Kissen hat und später seine Schultüte stemmt, so ein Hassbündel werden? Jemand der zuschlagen muss, damit er nicht erstickt. Oder schreit. Oder weint. Wie kommt es, dass einfache soziale Regeln unerlernbar sind für manche? Wieso sind diese Kids völlig überfordert mit ihren Emotionen oder den Emotionen der anderen? Wer oder was hat ihnen diese Fähigkeit genommen?
Sicherlich hat die neue Medienkultur da einiges mitzuverantworten. Wer ab sechs Jahren oder noch früher ausschließlich virtuell agiert, kann das soziale Verhalten natürlich nicht erlernen und ist überfordert damit. Das ist richtig. Allerdings war vor dem zweiten Weltkrieg die Xbox nicht bekannt, und natürlich auch kein Fernsehen. Die Ursachen waren bei den Erwachsenen andere als bei den Kindern. Die wurden von den fehlgeleiteten Eltern und vom Staat frühzeitig indoktriniert. Was aber ist nun mit den Jugendlichen heute?
Wenn man genauer hinsieht, wird man in den meisten Fällen sehen, dass sie aus Familien kommen, in denen niemand sich die Mühe macht, sich ihrer anzunehmen. Das hat nichts mit der sozialen Stufe zu tun. Ob die Eltern ständig auf Wohltätigkeitsbällen rumhängen oder in der Eckkneipe, spielt keine Rolle, wenn es sie daran hindert, sich für ihre Kinder zu interessieren.
Es ist erschütternd, wie wenig selbst sonst sehr nette Leute in der Lage sind, sich die PC-Spiele der hoffnungsvollen Kleinen genau anzusehen. Oder deren Freunde. Die Eltern sind meist völlig überfordert damit, sich wirklich zu interessieren. Also basteln die emotional und sozial sich selber überlassenen Kids in ihren Cliquen eine Welt mit eigenen Regeln zusammen. Oder, noch gefährlicher – ein einzelgängerischer Jugendlicher, der völlig auf sich gestellt eine eigene Welt erschafft, gleichsam also als sozialer Autist lebt. Das wird dann richtig gefährlich.
Die Eltern hoffen meist auf die Schule, aber die versagt völlig. Die Geschichten von Lehrern, die sich abwenden, wenn die Schüler aufeinander einprügeln, sind leider allzu wahr. Mobbing an Schulen wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – dieser Begriff wird meist auf die Arbeitswelt der Erwachsenen angewendet. Streitigkeiten unter Schülern sind im Allgemeinen eine notwendige soziale Übung. Das Auseinandersetzen wird geprobt und gelernt.
Aber die Situation heute ist so, dass tatsächlich mit ausgesuchter Grausamkeit gemobbt wird. Und wenn die Betroffenen sich nicht an ihre Eltern und die Lehrer wenden können, was geschieht dann? Ein Jugendlicher kann daran zerbrechen, oder er kann Amok laufen. Irgendwer hat auf jeden Fall seinen Spaß daran. Nur die Opfer nicht.
Kinder dürfen niemals allein gelassen werden, und das hat nichts mit Anwesenheit zu tun, sondern mit wirklichem Interesse.
© "Spaß an Gewalt und Grausamkeit": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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