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November 2020: Durch die Corona-Pandemie hat sich sehr viel verändert, das für uns zum täglichen Leben gehört. Viele bislang selbstverständliche Dinge fallen plötzlich weg, wie der Plausch im Discounter ohne Maske oder das Schlendern über den Wochenmarkt mit vielen anderen Menschen. Freunde treffen und stundenlang in einer warmen Stube beim Tee oder Kaffee ratschen: Das ist jetzt erst einmal nicht mehr möglich.
Aber es gibt auch Dinge, die mir keineswegs fehlen. Da wäre zum Beispiel dieses Händeschütteln. Jedem Menschen, den man nicht kennt, gibt man bei der Vorstellung erst einmal die Hand. Man fragt sich meist nicht, was die oder der Betreffende vorher getan hat. Nicht alle Menschen nehmen es sehr genau mit dem Händewaschen. Nicht weil sie Dreckspatzen sind, sondern weil es oft nicht möglich ist.
Stellen wir uns nur folgendes vor: man ist gerade mit dem Hund unterwegs und krault natürlich dabei hin und wieder ausgiebig. Um den Fellträger zu belohnen, um ihn zu motivieren oder ganz einfach, weil es so schön ist. Händewaschen kann man hier vergessen, außer man würde Wasserkanister plus Seife und Handtuch mit sich herumschleppen. Die Flasche mit der Hautdesinfektion wäre zwar eine Alternative, aber nicht jeder verträgt das Zeug. Und dann trifft man auf einen Bekannten, der jemanden dabei hat, dem man vorgestellt wird. Wer will demjenigen einen Händedruck zumuten? Ich würde das nicht tun. Schon aus Rücksicht nicht.
Es gibt viele Situationen, in denen das Händeschütteln nicht die beste Idee ist. Aber warum sind die Menschen nur so versessen darauf? Man kann überall nachlesen, dass diese Art der Begrüßung ihren Ursprung in längst vergangenen Zeiten hat. Es ging darum, die Hände frei zu zeigen und somit nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, man trage eine Waffe. Eine Bekundung der friedlichen Absicht also. Eigentlich sollte das Hochheben und Zeigen der Hände da ja reichen. Wieso man die Hand des Anderen unbedingt in die eigene nehmen wollte, ist nicht unbedingt verständlich.
In anderen Weltgegenden war das Händeschütteln nicht bekannt, man bediente sich anderen, weitaus hygienischeren Grußgesten. Und war deswegen nicht weniger friedlich. Anfassen ist nämlich nicht per se ein Zeichen von Freundlichkeit. Ganz im Gegenteil kann es auch eine Demonstration sein. So das herablassende Durchwuscheln der Haare von Kindern, so im Vorbeilaufen. Oder auch das Anfassen, während man eine Anweisung gibt. Hier geht es darum, Überlegenheit zu demonstrieren. Bei den Kindern ist es so eine herablassende, leutselige Geste. "Ich nehme dich wahr, aber nicht ernst genug, um deine Abstandsgrenze zu respektieren." Oder bei Erwachsenen sogar: "Ich habe die Macht, um dich anzufassen, ohne deine Erlaubnis einzuholen." Frauen sind dem sehr häufig ausgesetzt und müssen sich dieses Machtgehabe als nett gemeinten Scherz verkaufen lassen.
Man sollte also die Art der Begrüßung ändern. Ein Lächeln und eine leichte Neigung des Kopfes wäre die Alternative. Das Zusammenlegen der eigenen Hände ist in weiten Teilen der Welt üblich. Wichtig ist, dass man dem Gegenüber in die Augen sieht. Damit zeigt man, dass man den anderen Menschen wahrnimmt. Und das ist schon einmal die Basis für alles folgende.
Vermisst wirklich jemand einen angedeuteten aber doch pappigen Händedruck, während das Gegenüber in eine andere Richtung sieht? Oder den Grabschgreifergriff, der einem die Finger zusammendrückt? Dass Frau X und Herr Y keine Pistole im Anschlag haben, ist auch zu sehen, wenn man das nicht per Handschlag prüft. Und womöglich noch die Kinder dazu nötigt, fremde Menschen einfach so anzufassen.
"Gib der Tante das schöne Händchen" ist zum Glück völlig aus der Mode gekommen. Sich über fremde Kinderwagen zu beugen und Säuglingen das Gesicht zu betatschen wohl auch. Das ist jedenfalls zu hoffen.
Wer Freundlichkeit und Friedfertigkeit zeigen will, braucht nur ein Lächeln und Blickkontakt. Ein kurzes Nicken dazu, um einen gewissen Respekt zu zeigen. Das wäre eine Begrüßung, die beides ausdrückt. Und weitaus ehrlicher ist als die mittlerweile völlig inhaltsleere Geste des Händeschüttelns.
Leider ist der "feste Händedruck" in den Köpfen der Leute noch immer etwas Positives. Es hat auch mit Stärke und Verlässlichkeit zu tun. Warum auch immer, denn auch ein Knochenbrecher-Typ beim Händeschütteln kann mit Ihren Ersparnissen flüchten oder eine Spinnenphobie haben. Während jemand, dessen Händedruck schlapp und kurz ist, durchaus eine Maschinenpistole bedienen kann. Es sagt also überhaupt nichts aus. Im Gegenteil, der forsche und länger gehaltene Handkontakt soll ja etwas transportieren. Vorsicht wäre also geboten.
Mir wäre es sehr recht, wenn ich aus Höflichkeit nicht mehr genötigt wäre, Hände zu schütteln. Es würde jeweils zu weit führen, die Gründe für eine Verweigerung darzulegen. Außerdem bin ich da ein wenig feige, weil ich niemanden beleidigen will.
Vieles wird sich auf Dauer verändern durch diese Pandemie. Aber manches auch zum Besseren.
© "Das Händeschütteln: eine archaische und unzivilisierte Begrüßungsform? Sollte man nicht die Art der Begrüßung ändern?": Ein Textbeitrag von Izabel Comati (Pressenet), 11/2020. Die Abbildung zeigt eine Frau mit einem Hund, die sich begrüßen, CC0 (Public Domain Lizenz).
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