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Der 11. September. An diesem speziellen Jahrestag sind die Bilder der schrecklichen Geschehnisse wieder überall präsent.
In den Zeitungen, im Fernsehen und natürlich im Web. Überall sieht man die Videos und die Fotos – der Kontext zeigt fassungslose Zeugen und viele Aufnahmen von Terroristen, wie zum Beispiel Osama bin Laden und anderen Galionsfiguren des religiösen Fanatismus. Heute ist Saddam Hussein Geschichte, sozusagen. An diesem elften September und in den Monaten danach war er der Teufel persönlich.
Und ebenso werden die alten Verschwörungstheorien eifrig wieder hervorgekramt und vielleicht auch einige neue kreiert.
Wie es zu diesen entsetzlichen Ereignissen nun wirklich gekommen ist, ob die Al-Qaida einen Generalschlag führen wollte, ob politische Drahtzieher es so aussehen lassen wollten, ob Saddam Hussein daran beteiligt war oder ob eine Verkettung von allen diesen möglichen Ansätzen es soweit kommen ließ, wird wahrscheinlich noch lange im Dunkeln bleiben. Vielleicht sogar sehr lange, wenngleich nicht für immer.
Die Frage wurde oft gestellt, was an diesem Tag nun wirklich geschah, aber darauf haben wir eine Antwort. Es geschahen furchtbare Dinge.
Die Türme waren vollbesetzt mit Menschen jedes Alters und jeder Nationalität. Wie jeden Tag arbeiteten Tausende in den Twin Towers und ebenso viele besuchten sie. Nichts ließ auf irgendetwas Besonderes schließen, oder auf eine umfassende Katastrophe.
Die Menschen waren mit Alltäglichkeiten befasst, jedenfalls die meisten, die zu diesem Zeitpunkt in den Türmen waren.
Da tauchen andere Fragen auf, als die nach den Verursachern.
Hatten die Menschen im Turm nach der ersten Explosion realisiert, was gerade geschah? Wussten sie, dass viele von ihnen dem Tod geweiht waren? Es gibt erschütternde Dokumente, die geborgen wurden. So zum Beispiel der aufgezeichnete Anruf einer Frau, die es schaffte, auf den Anrufbeantworter zu Hause zu sprechen. Sie verabschiedete sich von ihrem Mann und ihren Kindern auf eine Weise, die nicht loslässt. Aber wie waren die Gedanken der unzähligen anderen Menschen, die auf ihren Tod warteten? An wen dachten sie in diesen Momenten, zu wem beteten sie?
Hatten sie Hoffnung bis zuletzt, trösteten sie einander oder kämpften sie um Telefone oder Ausgänge? Wussten sie, was geschehen war oder spekulierten sie? Um das Grauen dieses Tages wirklich wahrzunehmen, muss man versuchen, sich in die Lage der Opfer zu versetzen. Wie würde man selber reagieren – würde man schreien, fluchen, weinen, oder die Ruhe bewahren? Gibt es so etwas wie eine barmherzige Ruhe, die einen Menschen im Angesicht des nahenden Todes überkommt? Kann man sich würdevoll von allem, was man liebt, verabschieden – oder ist man von Angst geschüttelt?
Es ist nicht anzunehmen, dass irgendjemand wirklich nachvollziehen kann, was die Menschen in der letzten Konsequenz durchmachen mussten. Der Versuch allein wird wohl dazu führen, dass man nachts schweißgebadet aus schrecklichen Träumen hochfährt.
Die Angehörigen der Opfer sind vermutlich noch immer kaum mit den Folgen fertiggeworden und werden es unter Umständen nie sein. Alle diese Fragen werden sie sich immer und immer wieder stellen, und dazu haben sie das Bild eines geliebten Gesichtes vor Augen. Für sie sind diese Fragen nicht hypothetisch, sondern haben einen schmerzvollen direkten Bezug.
Dieses Tages, und den darauf folgenden schrecklichen Tagen, sollte nicht mit erhobener Faust und den Fragen nach den Tätern gedacht werden, sondern in erster Linie sollte man der Opfer gedenken. Dann muss es um die drängende Frage gehen, wie kann verhindert werden, dass so etwas wieder geschieht.
Was an diesem Tag in New York geschehen ist, geschieht täglich irgendwo auf der Welt. Städte werden bombardiert, Flugzeuge und Helikopter werden abgeschossen in Kriegsgebieten. Zu jeder Stunde warten irgendwo Kriegsgefangene oder Entführte auf ihren Tod, und zu jeder Stunde bangen Menschen um ihre Angehörigen. Viele sehen ihrem unausweichlichen gewaltsamen Ende entgegen – Männer, Frauen und Kinder. Viele sterben an den Folgen des Krieges oder des Terrorismus, die meisten sind völlig unbeteiligt. Ebenso wie die Menschen in den Twin Towers am elften September.
Aber leidende Menschen sind leidende Menschen, ob in der Hauptstadt Amerikas oder in einem kleinen Dorf in Afrika. Die Schmerzen und die Ängste sind die gleichen, und die Verursacher sind sich immer ähnlich, gleichgültig welchen politischen oder religiösen Grund sie für ihre Verbrechen als Folie benutzen.
Aber auch diese waren einmal Kinder, und somit ansprechbar. Sie müssen irgendwann den Weg eingeschlagen haben, der sie zu solchen Dingen führte.
Aus diesem Grund sind Schweigeminuten vielleicht nicht das Richtige, denn geschwiegen wird immer zu viel. Vielmehr sollten Redeminuten eingeführt werden, denn die Menschen müssen über diese Dinge reden.
Man muss zu den Kindern sprechen, man muss miteinander sprechen, man muss vieles aussprechen, das – wenn es unausgesprochen kumuliert – zu den Auslösern für seelische Verkrüppelungen gehört. Und nur eine verkrüppelte und kranke Seele ist zu Grausamkeit wirklich fähig. Verantwortlich sind wir letztendlich alle, wenn auch mittelbar.
Sehen wir also diesen elften September als Symbol für alle Leiden, die allen Menschen gegen jedes Recht und gegen jedes Gefühl zugefügt werden. Und lassen wir uns daran erinnern, dass es nicht als unabänderlich hingenommen werden darf.
© Text zum 11. September: "Reden statt Schweigen" von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: New York, CC0 (Public Domain Lizenz).
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