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Ein wichtiger Faktor, was die Erinnerung an die frühe Kindheit oder Schulzeit betrifft, ist das gemeine deutsche Butterbrot. Es hat uns begleitet von Anfang an. Liebevoll geschmiert von Mutti oder Oma, und mit Marmelade oder sonst etwas Leckerem aufgewertet, war es so ziemlich das Hauptnahrungsmittel der frühen Jahre.
Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren war die Stulle geradezu ein Zeichen des Aufschwungs, sie beendete erst einmal die Ära des Rübensirups und der Ersatzaufstriche, welche allerdings in den schlimmsten Zeiten ebenfalls ersatzlos gestrichen worden waren. Was Wunder, dass das Milchprodukt in dem sich aus den Trümmern erhebenden Land geradezu zelebriert wurde. "Mit guter Butter bestrichen", sagten die Mütter und stellten Produkte wie z. B. Margarine ins totale Abseits. Die "durfte" man erst später wieder, als die Nachwirkungen des Wirtschaftswunders zum Tragen kamen ... in Form von überhöhten Cholesterinwerten und Speckröllchen.
Ob dick mit Zucker bestreut, mit Marmelade oder eher pikant mit Wurst und Käse – ohne Butterbrot ging lange Zeit gar nichts. Als Grundnahrungsmittel für Heranwachsende scheint es in Europa Tradition zu haben, lässt der irische Schriftsteller Oscar Wilde eine seiner Figuren über junge Mädchen sagen: "Die Kinderstube ist noch längst nicht tot, sie (die so genannten Backfische) riechen penetrant nach Milch und Butterbrot."
Sogar im Sprachgebrauch haben sie sich etabliert, die leckeren Brotschnitten. Schließlich will sich ja keiner die "Butter vom Brot nehmen" lassen – und mit leisem inflationärem Beiklang: "Das kriegt man für ein Butterbrot." Essgewohnheiten ändern sich, und es tauchten mit der Zeit Konkurrenten auf. Allerdings konnte sich das Knäckebrot nicht allzu lange halten, denn Butter macht sich darauf nicht so gut. Außerdem gehört wohl eher Margarine auf diese harten kleinen Tafeln, denn wenn man schon kalorienreduziert isst, dann auch konsequent. Bei Brötchen oder Baguette ist das wiederum anders, die passen – mit noch zartem Anhauch von Ofenwärme – ganz hervorragend zu diesem Produkt von glücklichen Kühen. Aber in die Königsklasse der feststehenden Begriffe haben es die Semmeln nie geschafft – das blieb dem sprichwörtlichen Butterbrot vorbehalten.
So ganz nebenbei hat der traditionsreiche Snack Geschichte geschrieben, denn wenn immer jemand sich auf Murphys Gesetz bezieht, muss die bestrichene Stulle als Beispiel herhalten. Besagtes Gesetz geht davon aus, dass etwas, das schiefgehen kann, auch schiefgehen wird. Das betrifft natürlich so gut wie alles im täglichen Leben, zum Beispiel Ampelanlagen, die sofort auf rot umschalten, wenn man es fürchterlich eilig hat, oder Busse, die justament dann losfahren, wenn man gerade die Haltestelle erreicht hat. Es ist also klar, worauf es ankommt. Aber erklärt wird das Lieblingsgesetz der Pessimisten fast immer mit dem Butterbrotphänomen. Denn, so heißt es, fällt ein solches auf den Boden, kommt es immer auf die bestrichene Seite zum Liegen, wo die Butter ihre hervorragende Klebeeigenschaft beweisen kann.
Der kleine Imbiss ist dann natürlich unbrauchbar, denn selbst in einem sehr gepflegten Haushalt liegen zuweilen einige Staubpartikel, das eine oder andere Hundehärchen oder sonstige Kleinigkeiten auf dem Teppich oder Parkett – und da hier natürlich ebenfalls Murphys Gesetz zum Tragen kommt, wird das Butterbrot genau auf diesem Punkt landen. Mit der Butter unten, versteht sich. Wer also weiß, wo sein Brot gebuttert ist, hat beim Genuss dieser Köstlichkeit immer ein Auge auf die Schwerkraft.
Natürlich gibt es Zweifler, welche die natürliche Ordnung der Dinge grundsätzlich infrage stellen müssen und wissen wollen, wieso um alles in der Welt immerzu Butterbrote von Tischen oder aus Händen fallen sollten. Nun, erstens greift da schon wieder das beschriebene Gesetz, zweitens kann die Anwesenheit von kleineren Kindern am Tisch etwas damit zu tun haben, oder auch die morgendliche Tattrigkeit am Frühstückstisch, die so lange anhält, bis man die erste Tasse Kaffee getrunken hat. Dieses Getränk nämlich schärft die müden Sinne und macht den Körper nach dem Schlaf erst so richtig betriebsfähig. Das jedenfalls behaupten die Liebhaber dieses dunklen Aufgusses, die ohne morgendlichen Kaffee nicht in der Lage sind, sich denselben aufzubrühen – etwas überspitzt gesprochen.
Der Muntermacher aus dem Orient ist also eine Art Zaubertrank, der Murphys Gesetz außer Kraft setzen kann, jedenfalls was das Frühstück betrifft. Und da beide – Butterschnitte und Kaffee – seit langer Zeit zusammengehören, teilen sie sich einen Ehrentag in der letzten September-Woche. Hier also greift es nicht, das Lieblingsgesetz der Schwarzseher.
Ein gehaltvolles Frühstück mit Butterbrot und Kaffee lässt einen die Unwägbarkeiten des Tages etwas gelassener hinnehmen, auch die kleinen Ärgerlichkeiten, die uns Murphys Gesetz beschert.
© "Tag des Deutschen Butterbrotes / Tag des Kaffees": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Tasse Kaffee, CC0 (Public Domain Lizenz).
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