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Ich schaute sie zu gerne an, wie sie zusammengerollt, den Kopf im Fell vergraben, auf dem Sofa lag. Ein aufgewecktes schwarzes "Etwas", mit weißem Flaum auf der Brust, glänzendem Fell, klugen grünen Augen, je nach Emotionen wechselnd, mal kugelrund, mal freche Schlitze. Das Herzstück der Familie, der kuschelige Tröster, der einem oft zum Lachen brachte, auch wenn man noch so traurig war.
Ich erinnere mich noch genau, als wir sie im Tierheim aussuchten, ein winzig kleiner schwarzer Knäuel, eine Woche alt, noch viel zu klein, um sie mit nach Hause zu nehmen. Nach Aussage der Frau im Tierheim wurde sie in einer Mülltonne gefunden. "Wie grausam", dachte ich. Fünf Wochen mussten wir noch warten, bis wir das Kätzchen mitnehmen durften. Aber es gab noch vieles zu erledigen, einige Anschaffungen waren nötig, ein Transportkorb musste her, ein Katzenklo, ein Kletterbaum, sowie ein Katzennapf, auch Katzenfutter durfte nicht fehlen. Die Wochen zogen sich wie Kaugummi und wir konnten es kaum erwarten, bis wir sie zu uns holen konnten.
Aber dann war es endlich soweit. Wir fuhren ins Tierheim, packten das Kätzchen in den Transportkorb und ab ging's ins neue Zuhause. Während der Autofahrt schaute ich ab und zu auf den Rücksitz, das kleine Wesen bibberte und hechelte vor lauter Angst, es schien wohl an der Autofahrt zu liegen. Beruhigen ließ sie sich auch nicht, aber nach einer halben Stunde waren wir dann endlich daheim. Wir stellten den Transportkorb im Wohnzimmer ab, machten die Klappe auf und ließen sie erst einmal eine Weile in Ruhe. Neugierig beobachteten wir den Korb. Nach wenigen Minuten stellte sie sich auf ihre kurzen Hinterpfoten und versuchte mit Eifer über den Rand des Korbes zu krabbeln, es war zu amüsant ihr dabei zuzuschauen, wir mussten alle lachen. Ich machte der Qual ein Ende nahm die "Kämpferin" hoch, sie krallte sich an mir fest.
Dieser Tag war der Beginn von etwas Neuem in unserem Leben. Jetzt brauchten wir nur noch einen Namen für unseren Schützling. Ich hatte da schon eine Idee, sie sah aus wie eine freche kleine Hexe, deshalb gab ich ihr den Namen Roxanne. Alle waren einverstanden.
Ich als Katzenmami hatte mächtig viel zu tun. Roxanne war ein kleiner Wildfang, wie sich herausstellte, sie wuselte auf vier Pfoten von Stufe zu Stufe blitzschnell die steile Treppe empor. Oben angekommen hüpfte sie zuerst einmal auf die dort stehende Truhe, grub in den Blumentöpfen herum und warf die Erde heraus. "Jesus Maria", schrie ich und schnappte sie mir. Aber sie sah mich ganz unschuldig an und irgendwie konnte ich ihr nicht böse sein. Den ganzen Tag hielt sie mich auf Trab, mal krabbelte sie unter die Couch, dann unter den Schuhschrank, selbst in die Schuhe schlüpfte sie hinein. Hin und wieder musste sie sich stärken und tapste zum Napf.
Tollpatschig wackelte sie in Richtung Katzenklo, erstaunlicherweise scharrte sie alles schön zu. Nach so viel Action machte sie endlich ihr Mittagsschläfchen und ich hatte auch mal Pause. So lief es jeden Tag, immer führte diese Katze etwas im Schilde, und sie zu erziehen war gar nicht so leicht. Sie nahm mich ganz in Beschlag, wenn sie nicht herumtollte, hüpfte sie, während ich am Wohnzimmertisch saß, auf meinen Schoß, rollte sich gemütlich ein, schnurrte und schlief. Wenn es an der Tür klingelte, war sie hellwach.
So vergingen die Tage, Roxanne wuchs schnell heran. Mit acht Monaten durfte sie ihren ersten Freigang machen. Ich rannte alle zehn Minuten in den Hof, um zu schauen, wo sie gerade steckte. Wenn sie nicht zu sehen war, pfiff ich ihr, und wie auf Kommando stand sie vor mir. Nach einer Weile gewöhnte ich mich an ihre Freigänge. Ich hatte schon oft von Katzenliebhabern gehört, von den Ängsten, die sie ausstanden, wenn das Tier mal einen Tag nicht nach Hause kam, oder wie viel Trost so ein Tier den Menschen spendete, wie gut es der Psyche täte. Jetzt spürte ich am eigenen Leib, es stimmte.
Wenn ich mal so richtig mies drauf war, merkte es dieses Tier, sie umschmeichelte meine Füße, oder leckte mir die Hand, legte sich zu mir, ich konnte sogar mit ihr reden, und wenn ich sie streichelte, ging es mir schon viel besser. Ja, ohne Zweifel, es war gut, diese Katze zu haben. Roxanne war ständig im Jagdfieber, jeden Tag brachte sie mindestens zwei Mäuse, die sie mir vor die Tür legte, sogar eine Fledermaus war dabei. Man musste höllisch aufpassen, dass sie ihre Beute nicht ins Haus trug. Doch leider war ich nicht immer so schnell und es gelang ihr doch einige Male. Ich schrie auf, holte hurtig Besen und Schaufel, brachte die tote Maus an die Mülltonne. Irgendwie kam es mir so vor, als wolle sie fragen: "Was soll das?"
Eines Tages stand sie verletzt vor der Haustür, anscheinend war sie mit einer anderen Katze ins Gehege geraten, oder sie wurde gebissen. Es dauerte ganz schön lange, bis die Wunde verheilt war. Ich verwöhnte sie, wo ich nur konnte. Roxanne war ziemlich zäh, musste ich feststellen, denn sie ließ sich trotz ihrer Verletzung nicht aufhalten nach draußen zu gehen. Ich war immer froh, wenn sie dann wieder da war.
Jetzt sind schon viele Jahre vergangen. Roxanne ist eine sehr schöne Katze, gut gewachsen, ihr Fell glänzt noch immer. In der Sonne wechselt die Farbe von schwarz ins Rotbraune. Ihr Gesicht ist schmal, ich denke immer, sie sieht diesen ägyptischen Katzen ähnlich, die dort auf steinernen Podesten trohnen. Sie ist sehr intelligent. Keine Tür ist vor ihr sicher, ein Sprung auf die Klinke und "schwupp" war sie auf.
Jeder Besucher mochte sie gerne mitnehmen, es war seltsam, wie menschlich sie einem manchmal vorkam. Ich hatte die Katzen von einigen Bekannten in Erinnerung, aber keine kam mir so aufmerksam, anhänglich und klug vor. Wir bereuten es keinen einzigen Tag, sie zu uns geholt zu haben. Ich beobachtete sie genau und man sah schon an ihren Augen, was ihr gerade in den Sinn kam. Selbst das Wetter könnte man aus ihrem Verhalten bestimmen. Wenn es umschlug, war sie richtig aufgedreht, sobald es kälter wurde, schlief sie den ganzen Tag.
Tausend Dinge fielen mir ein, wenn ich mich an die Jahre zurück erinnerte. Manche Episoden vergisst man nie. Ich musste lachen, es war zu witzig, wenn ich daran dachte ... Roxanne war erst ein paar Tage bei uns, die Verehrer standen Schlange vor unserer Haustür. Große stattliche Kater saßen auf der Fensterbank vor unserem Wohnzimmer und verharrten dort einige Stunden. Ein Bild für Götter. Kein Wunder, Roxanne war damals schon eine Schönheit. Abends, wenn wir es uns auf der Couch bequem machten, flitzte Roxanne zu uns in die Mitte, legte sich ganz dicht neben meinen Kopf aufs Kissen, schaute eine Weile neugierig auf den Film, der gerade lief, aber nach einer Weile schlummerte sie friedlich ein und fing an zu schnarchen.
Mit der Zeit bekam Roxanne den Kosenamen Rosa. Ich wusste nicht weshalb, aber es passte irgendwie zu ihr. Wenn ich auf der Straße nach ihr rief, schmunzelten die Leute, sie fanden es bestimmt sehr lustig, das eine schwarze Katze Rosa hieß. Es gab auch einige kummervolle Tage, als ich auf sie wartete und sie einfach nicht kam. Ich rannte alle viertel Stunde vor die Haustür, pfiff nach ihr, aber sie war nirgends zu sehen. Dabei hatte Rosa ihre Zeiten, ich wusste wann sie Hunger hatte, und es war seltsam, dass sie morgens einfach wegblieb. Ich fühlte mich in dieser Situation sehr hilflos. Was konnte ich tun? "Nichts", fiel mir in dem Moment ein. Ich musste warten.
Stunden später hielt ich es nicht mehr aus, diese Warterei ... ging mir ganz schön auf den Nerv. Ich zog meine Jacke an, machte mich auf die Suche nach ihr, schaute in jeder Straße, fand sie nicht. Ich pfiff laut, da Roxanne immer auf mein pfeifen hörte.
Mit einem Mal vernahm ich von irgendwo her ein jämmerliches Maunzen. Ich horchte, aus welcher Richtung es kam, dann war es klar, es musste aus dem Hof unseres Nachbarn kommen. Ich klingelte und erzählte ihm von unserer Katze, er sah nach und fand sie in der Scheune. Als die Tür offen war, sprang Rosa schnell heraus, sie hatte mächtig Hunger, schaute mich dankbar an, dass ich sie aus dieser Situation gerettet hatte. Diese Episode passierte noch einige Male. Ich dachte, sie hätte daraus gelernt: Aber nein, sie ging noch mindestens fünfmal in diese Scheune.
Ich war immer wieder erstaunt, was man mit dieser Katze erlebte. Alle Katzen sind normal wasserscheu – anders unsere, im strömenden Regen springt sie herum ohne Scheu, es schien ihr sogar großen Spaß zu machen. Der Winter gefiel ihr sehr, wenn der Schnee knöchelhoch lag, sprang sie mit Vergnügen hinein, werkelte und rollte sich vor Freude darin. Auch war sie absolut neugierig, ich glaube Katzen sind die neugierigsten Wesen, die es gab, alles und überall musste sie etwas beäugen und beschnuppern. Egal ob es die Weihnachtskugeln waren, die öfters mal zu Bruch gingen, oder sogar einmal einen Igel – von dem sie aber gleich wieder abließ, was ich sehr gut verstehen konnte.
Ich hatte einmal ein Buch gelesen, der Titel hieß: "Mach es wie die Katzen." Damals verstand ich das nicht so recht. Aber mittlerweile kann ich dem voll zustimmen. Eine Katze verstand es viel besser, mit den Dingen umzugehen als wir Menschen. Sie schaffte es, sich in null Komma nichts vollkommen zu entspannen. Im Tiefschlaf hörte man sie kaum Atmen. Dann dachte ich, wenn ich nur auch einmal so einen tiefen Schlaf hätte. An Bewegung fehlte es ihr auch nicht. Dazu kam, dass sie von allen Seiten verwöhnt wurde.
Aber Rosa hatte auch ihre Eigenarten. Wenn sie nichts hören wollte, schaute sie einen mit keinem Auge an. Das diente wohl als Abgrenzung. Ich gab es dann auf, sie weiter zu bedrängen. Irgendetwas riss mich aus meinen Gedanken, es war Roxanne, die in der Zwischenzeit aufgestanden war und mich anstupste, so als hätte sie meine Gedanken erraten. Ich streichelte sie, sah auf die Uhr, es war schon später Nachmittag. Ich erhob mich, Roxanne folgte mir, sie hatte bestimmt Hunger.
Wie immer, wenn ich die Stufen unserer steilen Treppe hinunterging, schmiss sie sich Stufe für Stufe auf meine Füße und schmuste. Ich konnte kaum die Treppe hinunterlaufen. Unten angekommen, flutschte sie in die Küche, setzte sich wartend vor ihren Futternapf. Kaum sah sie das Futter, stellte sie sich am Küchenschrank hoch, bis ich das Futter in ihrem Napf hatte, maunzte und verschlang gierig ihr Futter, leckte den Napf blitzblank leer. Danach wollte sie dann raus, frische Luft schnappen.
Ich dachte gerne an diesen besonderen Tag, an dem wir diese Entscheidung trafen. Und wir alle hofften nur, dass uns unser Liebling noch sehr viele Jahre erhalten bliebe, und ich noch viele Dinge über diese einzigartige Katze berichten könne.
© "Katzenliebe": Erzählung von Monika Schüler; Katzenfoto: Winfried Brumma.
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