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Kindersoldaten China 1944
Guantanamo Bay. Omar war erst fünfzehn Jahre alt, als er in das Gefangenenlager kam – noch ein Kind also. Bevor man fortfährt, kann man sich schon allein darüber verwundern, denn was hat ein Kind an einem solchen Ort zu suchen.
Die Geschichte kennt viele traurige Beispiele, die von als Waffen missbrauchten Kindern erzählen, die zu Aktionen regelrecht dressiert wurden. Weil Kinder leichter an Feinde herankommen können, weil man ihnen erst einmal vertraut, weil sie klein und wendig sind und Wege nutzen können, für die erwachsene Soldaten zu groß sind, oder weil ein verzweifelter Kriegstreiber sein letztes Aufgebot aus ihnen zusammenstellt.
Viele von den Kindersoldaten wurden wissentlich in den sicheren Tod geschickt, nicht anders als die dressierten Delphine, die sich mit Minen an Schiffe heften. Viele wurden von klein auf indoktriniert, bis die Wahrheit und Realitätssicht ihrer Dresseure die ihrige wurde, weil sie nichts anderes kannten.
Wenn Kinder in einem Krieg den Tod von Familienangehörigen, von Freunden und Bekannten mitansehen müssen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich aus freiem Willen rekrutieren lassen. Und wenn sie auch keine Kriegsgräuel mitansahen – es ist nicht das Schwerste, einem Kind einen Krieg und das damit verbundene Töten plausibel zu machen. Das hat im Lauf der Geschichte bei Millionen von erwachsenen Menschen immer wieder funktioniert, selbst wenn sie nicht minderbegabt waren.
Die Minenkinder von Vietnam oder Korea waren ein ebenso trauriges Kapitel wie das letzte Aufgebot Adolf Hitlers. Kleine Soldaten, die eigentlich auf den Bolzplatz gehörten, aber auf dem Schlachtfeld starben, sind in unzähligen Fotodokumentationen zu sehen ... von uralten Schwarz-Weiß-Aufnahmen bis hin zu Videos der Neuzeit. Betrachtet man Kriege vor dem Zeithintergrund, fällt es schon nicht ganz so leicht, den "Ausführenden" der verbrecherischen Ideen so mancher Regierungen die ganze Schuld zuzuweisen. Bei Kindersoldaten wird es schwierig, denn diese wissen nicht wirklich, was sie tun oder taten.
Bei uns in Deutschland zum Beispiel wird ein Jugendlicher nicht nach Erwachsenenrecht bestraft, jedenfalls nicht mit fünfzehn Jahren. Er hat sogar gute Chancen auf Therapien – auch wenn ein sehr hohes Gewaltpotenzial vorhanden ist.
In Amerika sieht man das allerdings etwas anders – dort werden auch Jugendliche bei Verfehlungen durchaus in Gefängnisse gesteckt, wie so manche Meldungen verlauten lassen. Und bei ausländischen Terroristen fackelt die Regierung da erst recht nicht lange – das erlebte der jüngste Insasse des berühmten, aber auch berüchtigten Gefangenenlagers in Guantanamo.
Im Jahre 2002 kam in Afghanistan ein US-Soldat durch eine Handgranate ums Leben. Als der Kampf vorüber war, fand man den fünfzehnjährigen Omar Khadr unter Trümmern. Der Junge wurde nach Guantanamo Bay gebracht und befindet sich noch heute dort. Er ist heute längst kein Kind mehr.
Ob der verletzte Junge tatsächlich an den Kampfhandlungen beteiligt war, ist ungewiss – gestanden hat er zwar, aber auch widerrufen. Er führt an, dass man seine Geständnisse durch Folter erpresst habe. Ob er wirklich körperlich misshandelt wurde, ist nicht bewiesen, Berichte aus dem Lager sorgten allerdings in diesem Zusammenhang vor nicht allzu langer Zeit für Aufsehen. Ganz von der Hand zu weisen sind seine Begründungen sicher nicht.
Selbst wenn der junge Omar damals eine Granate geworfen haben sollte – ist es sinnvoll, ihn deswegen heute zu verurteilen? Wie viele amerikanische Soldaten warfen ebenfalls damit? Wie viele Zivilisten kamen ums Leben in diesem Krieg? Wo starben Alte, Frauen und Kinder an Granatsplittern? Wo hört die Selbstverteidigung auf und wo beginnt der Mord? Wobei das mit der Verteidigung immer etwas heikel ist, wenn man sich in einem fremden Land befindet.
Jedenfalls geriet der Junge entweder in den Kampf oder er war beteiligt – er hat in dem Fall also einen amerikanischen Soldaten getötet. Davon abgesehen, dass dies in einem Krieg zuweilen vorkommt, kann wohl jede Partei der anderen Massenmord vorwerfen. Und jetzt, nach so vielen Jahren, sitzt ein junger Mann auf der Anklagebank, der einen sehr großen Teil seines Lebens im Gefangenenlager verbracht hat.
Möglicherweise ist Omar Khadr durch seine Erfahrungen in den letzten Jahren nicht in friedfertiger Stimmung, und vielleicht ist aus ihm in dieser langen Zeit ein wirklicher Terrorist geworden, weil ihm als Kind nicht geholfen wurde. Kritiker des Prozesses werden an einen Fall erinnert, in dem ein Angehöriger der Hitlerjugend im Alter von 15 Jahren von einem englischen Gericht verurteilt wurde. Ja großartig, nehmen wir uns doch ein Beispiel daran, denn zu diesen Zeiten wurden viele Kinder zum Tode verurteilt. Von ihren eigenen Vaterländern nämlich, die zuließen, dass Recht und Unrecht die Plätze tauschten.
Es war lächerlich, dass eine der größten Militärmächte der Welt einen schwerverletzten und traumatisierten Jungen auf bloßen Verdacht hin in ein Lager steckte, und das wird durch eine solche Verhandlung nicht besser. Die wirklich Schuldigen des Krieges sitzen nur in den seltensten Fällen auf der Anklagebank.
© "Kindersoldaten in den sicheren Tod geschickt": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Kindersoldaten China 1944, CC0 (Public Domain Lizenz).
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