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Seit es Menschen gibt, sind diese vermutlich eitel und wollen gefallen. Das hat zum Teil mit der Wirkung auf das andere Geschlecht zu tun, zum Teil aber auch mit hierarchischen Strukturen.
Das Ideal des blassen und noch blasseren Teints unterschied früher einmal den Adel und die vornehmen Bürger von der großen Masse der Bevölkerung. Eine gesunde Bräune hatte nur das einfache, arbeitende Volk, das sich nicht unter Baldachinen und in Kutschen, Sänften oder dergleichen vor der Sonne verstecken konnte.
Auf dem Höhepunkt des Blässewahns etablierte sich der Spruch vom "blauen Blut", da man bei den bleichgesichtigen Höhergestellten tatsächlich die bläulich schimmernden Adern unter der Haut sehen konnte. Und wo die Natur nicht reichte, da puderte man, was das Zeug hielt. Damen wie Kavaliere trugen das Gesicht so weiß wie möglich, akzentuiert mit knallroten Rougestreifen. Das war nicht schlecht geschminkt, das sollte so aussehen.
Die Künstlichkeit hatte lange Zeit Saison (das hat sie zwar heute auch noch, tarnt sich aber unter teuer erschminkter Natürlichkeit). Die Hofgesellschaft der Großen in der zivilisierten Welt zeigte sich als weißgesichtige Clowns-Truppe mit brandroten Flecken auf den Wangen und purpurnen Lippen.
Irgendwer hatte die Schönheitspflästerchen erfunden, die so nett neben Grübchen und blitzenden Augen saßen und praktischerweise Pockennarben, äußerliche Zeichen von Geschlechtskrankheiten und Ekzeme verdeckten. Letztere hatten sich nicht selten durch die Menge von Schminke und Puder gebildet, die täglich auf die Haut kamen, ohne dass die alten Schichten vorher abgetragen wurden. Man benutzte zum Beispiel Reispuder, der im schlimmsten Fall die Poren verstopft und als Pickeldünger gelten kann, oder Schminken, die aus Bleiweiß hergestellt wurden. Diese Substanz ist eigentlich giftig und hat bei längerer Anwendung mehr als ein schönes Gesicht zerstört. Das gilt für die Antike bis in die Zeit des Barocks.
Cremes waren den Herren und Damen natürlich bekannt, und es gab die interessantesten Mixturen. Rezepte für die Pflege der Haut fanden sich in ägyptischen Papyri ebenso wie auf Keilschrifttafeln, manche kaum anders als heutige, manche eher kurios. Die Grundlage waren meist Talg oder Öl, Kräuter und natürliche Farbstoffe.
In der Zeit der Spitzenjabots und Allongeperücken spielte die Pflege des Körpers eine ziemlich untergeordnete Rolle (man beschränkte sich auf das Dekorative), während sich das Klassenmerkmal der Industrialisierung in das Gegenteil verkehrt hat. Wer auf sich hielt, wollte nun braune Haut haben, dadurch unterschied man sich vom einfachen Volk – dies hatte nämlich meist nicht die Zeit, um in der Sonne liegend nahtlose Bräune zu züchten und blieb eher etwas fahl um die Nase.
Braune Haut haben bedeutete nun Urlaub, griechische oder sonstwelche Inseln, Sport, Müßiggang und was so alles dazugehört. Und es zeigte, dass man es nicht nötig hatte, einen Schreibtischstuhl zu quälen oder an einem Fließband zu stehen. Eine gewisse Zeit lang war das auch ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal, jedenfalls bis Selbstbräuner auf den Markt kamen. Diese Cremes versprachen eine nahtlose und gleichmäßige Färbung der Haut, die sogar lang anhalten sollte. Das tat sie dann auch, was als Effekt von denjenigen verflucht wurde, die dieses Zeug tatsächlich anwandten. Denn nach einer Behandlung sahen die Schummler eher aus wie von einem frühen Stadium der Lepra betroffen. Fleckig und durchaus nicht nahtlos.
Aber Abhilfe schufen die Sonnenstudios, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Und tatsächlich auch alle florierten. Denn hier war sportliche Bräune garantiert, und man musste eigentlich nichts dafür tun, als Zeit opfern und zahlen. Und braun sein. Und plötzlich wimmelte es von tiefgebräunten Frauen und Männern in der Stadt, im Büro, am Fließband. Und erinnerten irgendwann an Florenz – nicht an die südliche Sonne dort, sondern an die berühmten florentinischen Lederarbeiten. Übermäßiges "Sonnenbanking" führte zu einer Art Gerbung der Haut, was den angestrebt jugendlich sportlichen Eindruck wieder zerstörte.
Die Periode der wandelnden Brieftaschen gehört nun der Vergangenheit an, aber die Kosmetikindustrie boomt gewaltig. Die Hersteller locken mit Versprechen von zurückerhaltener Jugend oder vom Stoppen des Alterungsprozesses. Und sie können auch auf die Segnungen der Chemie zurückgreifen, ohne angeben zu müssen, was genau nun die Zusammensetzung ihres für teures Geld verkauften Wundermittelchens ist.
Aber was immer sich in den Tiegelchen befindet – eine Mogelpackung ist es allemal. Meist kauft man mehr Verpackung als Inhalt – denn hat man den Napf vom Karton befreit, wird der erste Schwund bemerkbar. Dann sind meist die Dosenböden der teuren Präparate nach innen gewölbt, was wiederum das Volumen vermindert. Zwar fehlt eine genaue Angabe der Inhaltsstoffe, dafür liegt aber eine lange Liste der Wundertätigkeit bei, die der betreffenden Creme zu eigen ist.
Nebenbei bemerkt, verkaufen sich solche Mittel in Französisch oder Englisch weit besser als in Deutsch. So wird eine lumineszierende Creme zu etwas wirklich Tollem, genau bei der Damenwelt, die hysterisch wird, wenn das Gesicht glänzt. Aber wenn es französisch da steht, ist es eben etwas anderes. Und die Kunden kaufen und kaufen und kaufen ... Mittel für den Tag, für die Nacht, die reife Haut, die junge Haut und vor allem die unterernährte Haut. Denn kaum eine Dose, auf der nicht irgendetwas von Vitamin E und Ernährung der Haut steht, geht über den Ladentisch.
Diesem Werbetrick sitzen Frau – und auch Mann – immer noch auf, obwohl es mittlerweile klar sein sollte, dass Haut nicht von außen ernährt oder mit Vitaminen versorgt werden kann. Ebenso wenig wie Fältchen wirklich reduziert werden können. Dieser kurzlebige Effekt basiert auf einer leichten Quellung der Haut, die von verschiedenen Stoffen in der Creme verursacht wird und die kleinen Linien etwas weicher macht.
Wie lange man jugendlich aussieht, kommt auf die Genetik an, dann auf die innere Haltung, und die Art wie man mit seinem Körper umgeht. Trockene Haut braucht Pflege, aber das muss kein Minitöpfchen für 80 Euro sein. Tatsächlich haben in Tests die preisgünstigeren Cremes meist ebenso gut, wenn nicht besser, abgeschnitten wie die sündhaft teuren.
Was das fortschreitende Alter angeht – kein Mittelchen aus der teuren Dufttempelkette kommt gegen Gram- und Übellaunigkeitsfalten an. Und Lachfältchen machen ein Gesicht ebenso angenehm wie charmant – also vermeidet man besser, sich ein ganzes Chemielabor auf dem Körper zu verteilen und hofft, dass sich die Bestimmungen für die Hersteller endlich ändern und der Verbraucher weiß, was er sich auf die Haut aufträgt.
© "Schöne Versprechungen – Man pudert, was das Zeug hält": Textbeitrag und Abbildung Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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