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Seitdem die Nahrungsmittelhersteller ihre Produkte mit einer Liste der Inhaltsstoffe versehen müssen, herrscht ein versteckter Krieg zwischen Anbieter und Käufer. Zwar befindet sich auf jeder Tüte oder Packung eine Aufstellung von dem, was der Kunde brotzeiten wird, wenn er die Ware kauft – aber das bedeutet nicht, dass die Angelegenheit klar verständlich ist.
Zum Teil sind die Informationen so verwirrend, dass man nicht viel klüger ist als vor dem Lesen der oft sehr kleinen Schrift. Da klingt vieles unbedenklich, jedenfalls solange man nicht genau hinsieht. Denn viele Hersteller geben nur per 100 Gramm an, und das liest sich fast schon gesund bei vielen Produkten.
Allerdings geht es oft um viele hundert Gramm, und da summiert sich so einiges. Wer Probleme mit Kleingedrucktem hat, ist sowieso benachteiligt – außer, er hat grundsätzlich eine Lupe in der Einkaufstasche. Von dem abgesehen, stehen die enthaltenen Dick- oder Krankmacher oft in krassem Widerspruch zu den irreführenden Namen oder zugehörigen Slogans der angepriesenen Sachen.
Da mutiert ein vor allem Fett und Zucker enthaltender Brotaufstrich zu einer kerngesunden Sache. Und die gesunde Portion Milch sollte besser im Becher getrunken werden, als mit einer getarnten Begleitmannschaft aus Dickmachern zugeführt. Das Konzept ist einfach, denn Milch ist etwas Gesundes und Nahrhaftes – das weiß schließlich jeder.
Und da Kinder Milch in naturbelassenem Zustand eher langweilig finden, gibt es ja leckere kleine Schnittchen, die angeblich ganz viel Gutes aus der Milch enthalten. Und Zucker. Und Fett. Und Konservierungsmittel. Aber das verdrängen die Mamis im Supermarkt, denn diese teuren Minidinger sind ja so praktisch – die Kinder geben Ruhe und man tut ihnen etwas Gutes.
Da gibt es auch noch diese schokoladigen Milchveredler in Pulverform, die mit einer langen Liste von zugesetzten Vitaminen regelrecht protzen, und auch den enthaltenen Traubenzucker besonders erwähnen – der macht schließlich fit. Da achtet niemand mehr groß auf die anderen interessanten Zutaten, weil die sowieso anderswo auf der Packung stehen, damit die Freude nicht getrübt wird.
Manchmal versteigt sich die Werbung sogar zu richtiger Dreistigkeit. Als Beispiel könnte man den Spot mit dem Supermodel nennen, der vor einigen Jahren so viel Furore machte. Die Schöne pries eine weiche Süßigkeit an, welche überhaupt kein Fett habe. Hatte sie auch nicht, dafür aber sehr viel Zucker – und der ist ja auch sehr wampenfreundlich. Aber das Konzept war an sich genial: Eine schlanke Schöne, die genüsslich Süßes mampft. Und im nächsten Spot immer noch diese Traumfigur hat ... klar, weil die kleinen Dinger ja fettfrei sind. Also machen die absolut nicht dick.
Es kann davon ausgegangen werden, dass sich einige fehlgeleitete Verbraucher mit diesen weichen Leckereien eine tolle Figur anfuttern wollten. Was kam, waren viele Kilos, und vermutlich Sodbrennen.
Eine weitere Unverfrorenheit sind Müsliriegel. Müsli, das klingt nach Natur, Bio, und natürlich auch Öko. Was aber in der Hülle steckt, sind meist Körner und Nüsse, die mit einer Art krachsüßem Klebstoff zusammengepappt sind und wie Gift an den Jacketkronen haften. Wer bei einer Radtour diese Riegel isst, wird sich einen gemeinen Durst anessen, aber bestimmt keine Energie für weitere Kilometer. Müslis in Packungen sind auch mit einiger Vorsicht zu genießen, denn da gilt die alte Regel: Iss nichts, auf dessen Packung die Inhaltsstoffe mehr als eine halbe Din-A4-Seite lang sind.
Vielleicht erinnern sich einige ältere Verbraucher noch an Cornflakes – das waren fast zuckerfreie Maisflocken in einer Packung. Die Dinger schüttete man in ein Schüsselchen und gab Milch darüber. Zucker konnte nach Geschmack zugefügt werden. Das Zeug war bei Kindern sehr beliebt und löste die völlig ungefährlichen Haferflocken ab, die man vor diesem amerikanischen Import gefrühstückt hatte.
Heute würden die wenigsten Eltern wagen, ihren Kindern etwas so "unmodisches" vorzusetzen. Denn Getreideflocken sind zu Designerware mutiert. Es gibt sie in unzähligen Variationen, mit Nougat, mit Früchten, mit Zimt, und vor allem mit reichlich Farbe, Chemie, und noch reichlicher: Zucker. Wer hinter diesen Erfindungen steckt, ist unklar – vielleicht entwirft die internationale Dentistenvereinigung die Sorten auf dem Reißbrett.
Noch besser verstecken kann man Zucker in Getränken, vor allem in den scheinbar gesunden. Die feinen, aber in ihren Auswirkungen großen Unterschiede, was Fruchtsaftgetränke, Direktsaft oder Sirup betrifft, können einen schwindlig machen. Bei vielen ach so gesunden Mineralwässern wäre ein Blick auf den Natriumgehalt durchaus empfehlenswert. Aber jeder darf Worte wie "Vital", "Wellness", "Agil" oder "Gesund" auf das Etikett schreiben – das beinhaltet nämlich durchaus keine Verpflichtung und stellt im Gehirn der Käufer den gewünschten Zusammenhang her.
Wer gestresst durch einen Discountmarkt hastet, hat kaum die Zeit und die Geduld, sich die Augen beim Lesen der Inhaltslisten zu verrenken. Aber da soll jetzt Abhilfe geschaffen werden, denn Ärzte und Krankenkassen fordern nun eine direkte Kennzeichnung. Direkt heißt in diesem Fall, dass das jeweilige Produkt nach seinen Inhalten eine leicht erkennbare Zuordnung erhält – eine Ampel. Drei Farben werden zugeordnet und teilen dem Verbraucher allein dadurch schon mit, ob das Nahrungsmittel bedenklich ist, was Fett-, Zucker- oder Salzwerte betrifft, ebenso die Kalorien.
Damit wäre das Problem gelöst – denn ein gut sichtbarer roter, gelber oder grüner Punkt würde alle Zweifel beseitigen. Das schränkt die Freiheit des mündigen Kunden nicht ein, denn die Regale mit dem "vitaminversetzten Restmüll" würden natürlich weiterhin leer werden. Für solche Menschen, die auf ihre Nahrung achten, wäre die Ampel allerdings eine sehr große Hilfe. Taschenrechner und Vergrößerungsglas entfiele beim Einkauf.
Die Lebensmittelbranche wehrt sich vehement gegen die Ampel, was wohl niemanden überraschen wird, ebenso wie die Ablehnung der Konservativen. Der EU-Rat wird darüber befinden und man kann auf das Resultat gespannt sein. Für das Frühwarnsystem in Sachen Gesundheit beim Essen sind die Grünen, die Linken und die Sozialdemokraten, was letztendlich nicht überraschend ist.
Die freiwilligen Angaben, auf die sich die Hersteller berufen, reichen bei weitem nicht aus, denn durch künstliche Kleinrechnung durch die jeweiligen Mengenangaben wird der Kunde verwirrt. Es ist einfach so, dass es viel zu viel Kleingedrucktes und Verschlüsseltes auf den Packungen gibt, das zu falschen Schlüssen führt. Außerdem ... es schadete nicht, wenn schon die Kleinsten anhand einer solchen Farbmarkierung das bewusste Einkaufen üben könnten.
Senioren wären mit Sicherheit sehr dankbar, wenn sie sich nicht mit der kleinen Schrift mühen müssten. Zudem ist es an der Zeit, dass auch auf Bürger Rücksicht genommen wird, die nicht lesen und schreiben können, denn diese stellen einen größeren Anteil an der Bevölkerung, als man gemeinhin annimmt. Also wäre die Lebensmittelampel eine rundum gute Sache für alle, die sich bewusster ernähren wollen.
Die Hersteller werden keine großen Einbußen zu verschmerzen haben, denn geschickte Werbung und Ignoranz macht farbenblind.
© "Die Lebensmittelampel – Auf Grün warten": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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