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Unser Verhältnis zur Natur hat sich im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. Aber Gärten erfreuen sich seit jeher größter Beliebtheit. Ob das nun die Gärten der französischen Meister waren, die sich geradezu überboten mit geometrischen Anordnungen der Blumenrabatten und der in Figuren geschnittenen Hecken, oder ob es sich um Schrebergärten handelt, die Zuflucht der gestressten Städter und nicht zuletzt auch ihre Gemüsetruhe.
Der Garten ist Rückzugsort, Entspannungsoase, grüne Lunge und natürlich auch Ausdruck des eigenen Lebensstils. Und gerade deshalb oft peinlicher aufgeräumt als das Wohnzimmer. Schnurgerade Beete und Rabatten, kurz gehaltener Rasen und die neuesten Angebote der Gartengroßhandlungen sind oft die Einrichtung dieses alternativen Salons. Jedenfalls war das bis vor kurzem grundsätzlich so.
So mancher Schrebergärtner musste sein Gärtchen wieder abgeben, weil er Auflagen nicht eingehalten hatte, die ihn an jenem hindern und zu jenem zwingen. Von einem kleinen Busch Brennnesseln hielt der Vorstand meist nichts. Jedes kleine Kräutchen, das nicht aus einem Tütchen stammte, sondern klammheimlich eingewandert war, wurde eliminiert im Freiluftwohnzimmer der Gartenliebhaber.
Zur Geräuschkulisse des Samstages gehörte unbedingt das Brummen des Rasenmähers oder das Klacken der Heckenschere. Leider stand auch im zugehörigen Schuppen der eine oder andere Kanister mit Unkrautvertilgungsmittel, das auch großzügig angewendet wurde. Was sollte der Nachbar wohl denken, wenn sich hier und da ein Löwenzahn aus einer Ritze zwischen den Bodenplatten quetschte? Oder der Rasen höher als der Standard in der Nachbarschaft war? Natur wollte man haben, aber bitteschön kontrolliert und gebändigt. Und mit geraden Kanten.
Leute, die keinen Garten zur Verfügung hatten, zog es in die Parks und in die Wälder. Da konnten sie eigentlich nicht allzu viel anstellen, außer ihre Butterbrotpapiere herumliegen lassen. Das alles hat sich mittlerweile geändert. Also nicht die Sache mit dem Wald, die ist immer noch sehr beliebt. Aber das Verständnis für die Natur hat sich gewandelt. "Die faulsten Gärtner haben die schönsten Schmetterlinge" setzt sich als allgemeine Weisheit langsam durch. Denn Insekten brauchen meist gerade die Pflanzen, die erbittert bekämpft werden. Also gerade Brennnesseln oder anderes "Unkraut". Außerdem hat fast jede Pflanze auch einen Nutzen für den Gärtner.
Wer hätte gedacht, dass man froh ist, Bienen zu sehen? Oder sogar Wespen? Die wurden erschlagen, wo man sie traf, damit sie sich nicht am Obstkuchen oder dem Apfelschorle gütlich taten und nebenbei noch jemanden stachen. Wer jemals gesehen hat, wie hysterisch Menschen werden können, wenn so ein einziger Winzling auftaucht, wundert sich dann nicht mehr über die Mordlust, die ebendiese Menschen dann überkommt.
Statt Bienen und Wespen zu töten, helfen wir ihnen nun. Es finden sich im Internet Tipps, wie man sie über die sehr heißen Tage bringt, indem man sichere Tränken aufstellt, in denen sie nicht ertrinken können. Menschen päppeln erschöpfte kleine Bestäuber auf, damit sie heimfliegen können. Wir haben diesen für uns lebenswichtigen Helfern so viel angetan mit unseren Giften und Kahlschlägen, dass die Population ernsthaft gefährdet ist. Und vom Leben der Bienen und ihresgleichen hängt auch unser Überleben ab. Das etabliert sich langsam im Bewusstsein der Menschen und lässt sie neue Wege suchen.
Die in Reih und Glied präsentierte Natur findet sich heute weitaus weniger in den Gärten, dafür aber Stellen, die den Brennnesseln und anderen Wildpflanzen überlassen werden. Bienenweiden werden angelegt und Rasenstücke als Wiese kultiviert. Sogar Gemeinden lassen einen Teil der Wiesen in den Parks und öffentlichen Gärten ohne Schnitt stehen und laden somit die Bienen und andere Insekten zum Büfett.
Das sind wichtige Maßnahmen und auch sehr hilfreich, aber es ist lange nicht genug. Die Städte müssen grüner werden, sehr viel grüner. Raum für eine Bienenweide gibt es überall, in jedem Pflanzkübel aus Beton in den Fußgängerzonen, in denen sonst Stiefmütterchen die Passanten erfreuen sollen. Balkons können Rastanflüge mit Imbiss für Bestäuber sein, und auch Fensterbänke bieten Raum dafür. Wir müssen überall, wo es möglich ist – und das ist es praktisch überall – Wildblumen pflanzen und säen.
Die sterilen Rabatten mit den gefüllten Blüten der überzüchteten Arten müssen der Vergangenheit angehören, denn die sind nicht halb so ertragreich für Bienen wie die natürlichen Varianten. Das Auge erfreut sich auch an Wildrosen, blühenden Rapspflanzen und bunter Kapuzinerkresse genauso wie an Stiefmütterchen und anderen "öffentlichen Einheitsblumen". Es gibt unzählige Stellen in den Städten, die durchaus bepflanzbar sind. Dabei geht es weniger um den dekorativen Effekt, sondern um die Notwendigkeit.
Wir können nicht mehr gegen die Natur leben und uns sozusagen die Rosinen herauspicken. Wir müssen mit ihr leben. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht einfach mit dem Finger auf Posten in einem Katalog tippen können und sagen: den Löwenzahn nicht, die Rosen ja. Keine Brennnesseln bitte und schon gar keinen Klee. Und wenn wir schon streng sortieren, beurteilen wir doch bitte den Nachbarn nicht nach seiner Art des Gartenanbaus.
Natur ist kein bloßes Dekor, sie ist lebendig und auch ein empfindliches System. Eines greift in das andere und unterstützt das Ganze. Und so müssen wir das akzeptieren, gerade jetzt wo unsere Wälder bedroht sind wie nie zuvor, und die kleinen Garanten für unsere Nahrung selten geworden sind. Wenn jeder Schottergarten wieder zu einer blühenden Oase wird, jede Fensterbank bunt von bienenfreundlichen Blumen ist, haben wir schon einiges gut gemacht. Jeder graue kleine Hinterhof hat Platz für einen Blumenkübel. Und vor der Haustüre stört so etwas auch selten.
Für manchen Wald mag es zu spät sein, aber aufgeben dürfen wir keinesfalls. Wenn der Mensch nicht zu viel eingreift – und das gilt für die gesamte Natur – regelt sich manches von selbst. Wo es nötig ist, muss sanft eingegriffen werden. Pflanzen für Schmetterlinge und bestäubende Insekten gehören in den Garten, Insektenhotels sind sowieso selbstverständlich. Wer keine Nachtfalter im Wohnzimmer haben will, sichere eben die Fenster mit Netzen. Diese unmöglichen Tötungsmaschinen für Stechmücken töten nicht nur diese. Spinnen sind hilfreiche Mitbewohner, aber wer sie nicht mag, fängt sie ein und setzt sie vor die Tür.
Hochgiftige Pflanzenvertilger hingegen sollten für immer aus den Gartenschuppen verbannt sein. Natürlich sind einige davon verboten, was so manchen sturen Salongärtner allerdings nicht davon abhält, sie zu gebrauchen, solange er noch einen Vorrat davon hat. Das schädigt nicht nur die Pflanzen, das schadet auch den Vögeln. Und die sind auch nicht einfach eine hübsche Geräuschkulisse für Leute, die sich in ihrem Garten erholen, sondern für den Kreislauf des Lebens wichtig.
Der Gedanke, dass Natur etwas ist, das es im Überfluss gibt und das ständig nachwächst, muss dem Bewusstsein für das Ganze weichen. Und dazu gehört jede Biene, jeder Grashüpfer, jede Weide am Bach und jede Nessel. Und auch wir gehören dazu.
Verhalten wir uns also dementsprechend.
© "Natur ist kein bloßes Dekor. Wenn der Mensch nicht zu viel eingreift, regelt sich manches von selbst": Textbeitrag von Izabel Comati (Pressenet); Fotomaterial (3 Aufnahmen) von Ralf Wendling; 08/2020.
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