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Kurz vor Weihnachten, dem Fest, das neben dem religiösen Hintergrund für alle Gläubigen auch besonders für die Kinder hohen Stellenwert hat, erschüttert ein Skandal die Welt. In den Nachrichten ist zu lesen, dass die katholische Kirche jahrzehntelang Priester – die sich der Übergriffe auf Kinder schuldig gemacht haben – deckte, und die Fälle vertuscht hat.
Über einen langen Zeitraum wurden Kinder von Priestern sexuell missbraucht, die Zahlen der Opfer gehen in die Hunderte. Neben dem sexuellen Missbrauch waren in den vom katholischen Klerus geleiteten Kinderheimen Quälereien sowie körperliche und seelische Misshandlungen an der Tagesordnung.
Über die besonderen Erziehungsmethoden in den katholischen Heimen war schon im Mai 2009 berichtet worden, nun aber gerät die Kirchenführung immer mehr ins Kreuzfeuer. Zwar betrifft dieser Skandal "nur" Irland, aber es kann wohl behauptet werden, dass dies völlig gleichgültig ist. Es ist kaum anzunehmen, dass auf der grünen Insel die Bevölkerung mehr zu Sadismus neigt, als das anderswo in Europa oder sonst in der Welt der Fall ist. Es scheint ein kirchenspezifisches Problem zu sein.
Wahrscheinlich kann man auch annehmen, dass bei intensiven Nachforschungen in dieser bestimmten Richtung die Kirche jedes Landes für einen solchen Skandal gut wäre. Aus der Geschichte kennt man die Vormachtstellung derjenigen, die über das jeweilige Glaubensmonopol herrschen. Die Tempel der Antike hatten sich von ihren spirituellen Anfängen zu ungeheuren Machtzentren entwickelt, in denen auf alle Belange des Landes Einfluss genommen wurde. Das ging oftmals so weit, dass nicht der jeweilige König herrschte, sondern die Priesterschaft.
Ein gutes Beispiel ist das alte Ägypten, wo zu einer gewissen Ära die Priesterschaft des Amun-Kultes praktisch die Macht im Land am Nil hatte. Der Tempel hatte das Monopol auf die Medizin und ebenso auf das Bankwesen, welche beide in den Händen der Obersten Priester lagen. Nicht der Pharao entschied letztendlich über die Belange der Politik, sondern die Priester. Als Amenophis IV., auch bekannt als Echnaton der Ketzerpharao, sich gegen die ungeheure Machtposition des Amuntempels auflehnte, löste er damit einen Bürgerkrieg aus. Die Macht des Tempels war gebrochen und der Sonnengott Aton wurde eine Zeitlang als Hauptgott verehrt, doch wirkten die Amunpriester im Untergrund weiter und konnten nach Echnatons Tod die Macht wieder völlig an sich reißen.
Auch im Zweistromland waren die reichen Tempel ein großer politischer Faktor, um den kein Herrscher vorbeientscheiden konnte. Die Tempel Roms und deren Priesterschaft intrigierten in machthungriger Tradition weiter bis zur Christianisierung. Die antiken Orakel, durch die die Götter sprachen, neigten zu offensichtlicher Parteilichkeit – das war im Orient nicht anders als in Europa. Aber dann veränderte der neue Glaube eine zeitlang alles. Gegen die Machtstellung und den Reichtum der Tempel hatte der Messias gepredigt und sogar selbst Hand angelegt, um die Mammonsjünger in Gestalt von Geldwechslern vom Tempelgelände zu vertreiben. Seine Worte und Taten waren gegen die etablierte Priesterschaft des großen Tempels gerichtet, die nicht anders als sonst in der damaligen Welt völlig korrumpiert war.
Die Ideen des jungen Mannes aus Nazareth waren revolutionär und gefährlich für das Machtgefüge, das unter anderem auf überkommene Traditionen, Arroganz, Reichtum und elitäres Denken gründete. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Anhänger des gefährlichen Mannes auch nach dessen Tod verfolgt wurden. Aber diese neue Art zu denken verbreitete sich wie eine Epidemie und erreichte auch Rom. Dort fand sich eine große Gemeinde zusammen, die ihre heimlichen Zusammenkünfte unter den Toten in den Katakomben abhalten musste, da es sehr gefährlich war, Christ zu sein.
Diese mutigen Menschen entwickelten ein Nachrichtensystem, um zu den Versammlungen zu rufen und miteinander in Verbindung zu bleiben, wenngleich sie recht schnell von Spionen der Tempel unterwandert wurden. Die Arenen des Circus Maximus sahen viele Christen sterben, nachdem man ihrer durch Verrat habhaft geworden war. Der Glaube der Urchristen war in vielen Dingen neu und anders, er stellte das Weltbild der damaligen Zeit in Frage. Leibeigenschaft und Sklaverei waren Dinge, die zum Leben gehörten, ob man Sklave war oder Herr. Die Auswirkungen dieser Denkweise wurden zwar oft beklagt, nicht aber hinterfragt – bis die Stimmen der Christen lauter wurden. Bald waren die Anhänger des neuen Glaubens so zahlreich, dass man sie irgendwie verwalten und für eine gewisse Gleichschaltung, bzw. für Regeln sorgen musste.
Das geschah in echt logischer römisch/jüdischer Art und Weise und läutete das Ende des Urchristentums ein, und wie manche behaupten, das Ende des Christentums überhaupt. Denn was für ein langer Weg war es, von den Märtyrern, die in den Arenen starben, weil sie von der neuen Idee der Gleichheit und Liebe nicht lassen wollten, bis zu den machtbesessenen Kirchenfürsten des Mittelalters die Reichtümer anhäuften und sich des tausendfachen Mordes schuldig machten. Die aus Hass entzündeten Scheiterhaufen beleuchteten in Kälte erstarrte Gesichter unter Mitren und Tiaren, die nichts mehr mit dem Gesicht des gutherzigen und tapferen Jünglings aus Judäa gemein hatten.
Das 20. Jahrhundert war ein ebenso dunkles Kapitel in der Geschichte der Kirche. Wenn sich Fälle von Quälerei und Sadismus häufen bei denen, die sich selber die Nachfolger Christi nennen, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Institution der Kirche nichts weiter als ein gewaltiger Machtapparat ist. Welcher Zynismus und welche Kaltherzigkeit ist dazu nötig, dass sich gerade diejenigen, die Liebe predigen, solcher Handlungen schuldig machen?
Wenn die Kirchenfürsten diese Dinge vertuschen, um den Ruf der Institution nicht zu schädigen, dann liest sich das wie eine Meldung über eine große Aktiengesellschaft. Man kann darüber spekulieren, wie sich der zornige Erleuchtete heute verhalten würde, sähe er solche Machenschaften im Tempel, der dem Namen seines Vaters geweiht ist. Jedenfalls nach außen hin.
Um es korrekt auszudrücken: hier besteht dringender Handlungsbedarf.
© "Ihr Kinderlein kommet – Missbrauch durch Priester nur ein Randproblem?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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