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September 2009. Deutschland hat gewählt. Kurz nach der Wahl fiel eine Karikatur geradezu ins Auge: Angela Merkel reitet auf einer Tigerente, die von einem Mann – wahrscheinlich Guido Westerwelle – über die Ziellinie gezogen wird. Dazu braucht es keine Worte, denn das schwarzgelbe Entenviech auf Rollen ist ja nun ein Transportmittel. Ein sinniges und schönes Bild, möchte man sagen. Außerdem trifft es den Punkt.
Schwarz hätte es nicht alleine geschafft, Gelb hat gewaltig aufgeholt – und Rot ist weit abgeschlagen. Das sollte eigentlich niemanden überraschen, nach den ereignisreichen letzten vier Jahren. Überraschend ist allerdings die Farbenkombination. FDP und CDU sind so weit voneinander nicht entfernt, dass eine Regierung unmöglich wäre, aber in gewissen Grundsatzfragen driften beide weit auseinander.
Während die christliche Partei eher für mehr Überwachungsmöglichkeiten plädiert, spricht sich die FDP seit langem dagegen aus. Das allein dürfte für einige heiße Debatten sorgen, besonders jetzt, da der Spuk des Terrors wieder so hervorragende Möglichkeiten schafft wie seit langem nicht mehr. Genauer gesagt, seit der RAF, die uns einiges an beschnittenen Bürgerrechten beschert hat. Wie stark da die alte Maxime der FDP – "Schaffung und Wahrung der Freiheit des Einzelnen" – durchschimmern wird, bleibt abzuwarten.
Die eleganten kleinen Augenwischereinen in Sachen Steuer der CDU werden so auch nicht unbedingt durchzusetzen sein, ebenso wenig die virtuose, aber sehr durchsichtige Jonglage mit der Unterstützung der Bedürftigen. Überhaupt mutet das schwarze Programm an, als sähe man an der Spitze immer noch nicht die alltägliche Realität in der Republik und hielte Menschen, die Zuschüsse beantragen müssen, für vereinzelte Ausnahmen. Ein frommer Wunsch – oder einfach Zynismus?
Die Realität der Bürger sieht, was die Masse betrifft, ein klein wenig anders aus. Zu Frau Merkel und ihrer Regierung war es bis jetzt scheinbar noch nicht vorgedrungen, dass sich die Situation vieler arbeitender Menschen nicht mehr von der "Randgruppe" unterscheidet, die Unterstützung beziehen. Unterm Strich bleibt bei den meisten nicht mehr hängen als der Sozialsatz. Die allgemeinen Lebenskosten sorgen da für kleinstmöglichen Luxus.
Dann gibt es noch den Punkt mit den Mindestlöhnen, das könnte ebenfalls für hitzige Gespräche sorgen. Irgendwie hat man das Gefühl, als habe die Regierung einen Vertrag mit der Wirtschaft geschlossen, und die wichtigste Vertragsklausel lautet: Wir sorgen dafür, dass die Arbeitnehmer so gut wie keinen Ärger machen können – dafür tut ihr so, als würdet ihr jede Menge von ihnen einstellen. Kündigungsschutz und Mindestlöhne werden da zu reinem Kautschuk und eifrig gedehnt, bis sie in das jeweilige Konzept passen oder reißen. Das ist natürlich nur ein Gefühl, keine Gewissheit.
In der Vergangenheit hatten sich die konservativen bis rechten Flügel der jeweiligen Partei immer recht gut angenähert, kam es doch zu spektakulären "Überläufen" hochrangiger Mitglieder, der Kern jedoch hatte damit seine Schwierigkeiten und wird sie heute auch noch haben.
Und möglicherweise liegt darin eine Chance für alle die, die bis jetzt nicht die Notwendigkeit sahen, ein politisches Bewusstsein zu entwickeln. Denn diese Tigerente läuft auf allzu wackeligen Rollen und wird vielleicht sehr schnell ins Eiern geraten. Um sie auf Kurs zu halten, könnte man auf die Idee kommen, Ballast in Form von Bürgerrechten oder Zugeständnissen abzuwerfen.
Zu diesem Mittel wurde schon in der Vergangenheit gerne gegriffen, auch ohne Entenritt. Wieweit sich die gewählte Regierung in einem politischen Niemandsland aufhalten wird und den Kontakt zur Basis, so gut sie kann, vermeidet, wird man recht schnell sehen und sollte reagieren. Nachdem die Parteien selber ziemlich müde geworden scheinen, sollten die "Betroffenen der großen Politik" – also die Bürger des Staates – sich an den Gedanken gewöhnen, selber mehr am Clubleben teilzunehmen.
Im Klartext heißt das: Lasst ihnen um Himmelswillen nicht wieder alles durchgehen, verdammt noch mal.
Merke: Auch eine Regierung die gewählt wurde, hat nicht die Lizenz zum Unfug machen.
© "Tigerentenclub an der Macht – Regierung in einem politischen Niemandsland?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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