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Zu Zeiten, in denen es noch massenhaft Maikäfer gab, freuten sich oft die Hühner über das krabbelnde Zubrot. Aber auch Menschen waren den großen braunen Käfern nicht abgeneigt, gibt es doch ein altes Rezept für Maikäfersuppe (siehe hier), in dem erläutert wird, wie man die Tiere wäscht und zubereitet.
Die Käfer sind trotz dem recht hohen Ekelfaktor sehr nahrhaft, eine eiweißreiche Kraftnahrung. Das gilt für viele Arten von Raupen und Larven, die ohne große Gegenwehr gesammelt und geröstet werden. In einigen Weltgegenden gelten einige Vertreter dieser Gattungen als Delikatesse, aber vor allem als notwendige Nahrungsergänzung.
Was Menschen so zu sich nehmen, richtet sich nach der geographischen Lage und nach dem, was die Natur gibt. Die Inuit zum Beispiel konnten keine Radieschen pflanzen und waren der großen Kälte wegen auf den Speck und den Tran der Wale und Robben angewiesen. In einer uns völlig lebensfeindlich anmutenden Umwelt überlebte dieses Volk durch seine Jagdstrategien und sein Geschick.
Jedes mühsam erlegte Tier wurde gänzlich verwertet, aus ihm wurde Nahrung und Kleidung sowie Brennmaterial für die Tranlampen. Der ölige Speck eines Wales ist nicht jedermanns Geschmack, für europäische Gaumen ist er wohl eher eine Katastrophe.
Zu allen Zeiten nahmen die Menschen, was sie brauchten, von dem Land, in dem sie lebten. Sie jagten und fischten und pflanzten, bauten ihre Häuser mit den Materialien, die zur Verfügung standen und stellten ihre Kleidung aus den vorhandenen Rohstoffen her. Bevor man anfing, den Spinnrocken tanzen zu lassen, trug man Leder und Felle der erlegten Tiere, um der Witterung zu trotzen. Ohne das hervorragend isolierende Winterfell vieler Tiere hätte niemand überlebt.
Über Zobel und Nerz machte man sich wohl kaum Gedanken, außer über ihre hervorragenden Eigenschaften. Das gilt auch für das Kleid der Robben oder das von Polarfüchsen. So gesehen war eigentlich alles in Ordnung, denn die Tiere wurden nicht dezimiert durch die Jagd, und verschwendet wurde schon gar nichts. Das kam später.
Dann kam es aber richtig, denn es wurde geradezu Mode, sich im Überfluss zu suhlen, um sich vom gewöhnlichen Volk abzuheben. Im Klartext hieß das: Vornehme Leute oder solche, die sich dafür halten, essen sonderbares Zeug. Antike römische Gastmähler boten seltsame Gerichte auf, wie Vogelzungen und dergleichen, die in raffinierten Tunken und Brühen gereicht wurden. Der restliche Vogel wurde nicht verwendet.
Die berühmte Feder, die den Gaumen solange kitzelte, bis man das Zeug wieder erbrach, um Platz für neue überkandidelte Delikatessen zu schaffen, ist praktisch ein Symbol für die Dekadenz jener Zeit. In der Neuzeit kennt man zwar eine Variante davon, allerdings sind die Gründe andere, und es wird sich wohl auch kaum um Rotkehlchenherzen in Eidechsenmägen mit Honig handeln oder sonst einer kuriosen Leckerei. Über die Sitten und Bräuche in den antiken Villen und Höfen der Mächtigen schüttelt man heute zwar den Kopf oder rümpft die Nase, übersieht aber meist, dass sich da nicht viel geändert hat.
Außer der Mode gibt es wohl kaum eine Erklärung, warum Menschen, die in unseren Breitengraden wohnen, unbedingt Seehundstiefel tragen wollen, oder die Felle vom Nerz oder Zobel. Davon abgesehen, dass es schlichtweg nicht notwendig ist, muss das Haarkleid nach innen getragen werden, um die größtmögliche Wirkung zu haben, wie das Beispiel der Inuit zeigt. Die konnten keine Schafe halten, um sich warme Kleidung durch die Verarbeitung der Wolle oder Nutzung des Felles zu verschaffen ... Europäer allerdings schon. Und seit der Erfindung des Webpelzes ist man schon versucht, die geistige Gesundheit mancher Pelzträger anzuzweifeln. Es sei denn, sie haben die Bilder von den Käfigen auf den Pelztierfarmen NICHT gesehen.
Befasst man sich weiter mit der Materie, kommen immer mehr Fragen auf. Wieso zum Beispiel Leute, die massenhaft Gift in ihren Gärten auslegen, um Schnecken zu töten, dieselbe Spezies in Knoblauchbutter tunken und essen. Oder wieso Menschen an den dünnhäutigen Schenkeln eines Amphibiums herumknabbern. Und das, obwohl durchaus bekannt ist, auf welche Art und Weise die Hinterbeine der Frösche auf den Tellern der Gourmets landen ... sie werden meist den lebendigen Besitzern entrissen, die nach der Prozedur qualvoll sterben.
Über panierte Tintenfischringe wird an dieser Stelle kein Wort verloren, es soll ja nur ein übles Gerücht sein, dass diese Delikatesse in ungewürztem Zustand so lecker wie Dichtungsringe schmeckt. Aber vielleicht könnte man über die Schwalbennestersuppe diskutieren, deren Hauptbestandteil im Prinzip Vogelspeichel ist, der zu einer gallertartigen Konsistenz trocknet und eigentlich so etwas wie einen Klebstoff darstellt, der die Nester an Ort und Stelle hält. Dieser Nestzement schmeckt natürlich nach nichts – was mundet, sind die Gewürze in der Brühe, die ohne die Schwalbenspucke genauso schmecken würde.
Und wenn man schon die angewiderten Gesichter von Menschen gesehen hat, die Knorpelstückchen an den Tellerrand schieben, ist die Verwunderung über die Konsumenten von Haifischflossensuppe oder -Steak doch sehr groß. Die Teile bestehen nun einmal aus nichts anderem und sind – außer, dass sie aus dem salzigen Meer kommen – wohl eher geschmacksneutral. Und es gibt da sehr interessante Bilder und Videos, die bezeugen, dass die Tiere oftmals nur hochgehievt, ihrer Rückenflosse beraubt und dann wieder in das Wasser geworfen werden, wo sie elendig verenden.
Menschen in Luxusfresstempeln bezahlen eine Menge Geld, um Knorpelstücke ohne nennenswerten Eigengeschmack essen zu können, für deren Beschaffung Kreaturen leiden müssen. Hunger spielt hier wohl keine Rolle, ebenso wenig wie das Frieren bei den Pelzen. Appetit kann es wohl auch nicht wirklich sein, es sei denn, man zieht die Psychologie zu Rate, die einiges über Fälle von krankhafter Sucht nach Abfällen oder ähnlichem zu berichten hat.
Es wird wohl die krankhafte Sucht nach Profilierung sein, die Menschen zu solch unlogischen und sonderbaren Verhaltensweisen zwingt. "Wenn ich besondere Dinge esse und besondere Dinge anziehe, bin ich besonders", könnte auf der Flagge solcher Leute stehen. Es gibt aber auch den Spruch: "Du bist was du isst", ... was nach Beleuchtung gewisser Tatsachen doch sehr bedenklich stimmen sollte.
© "Maikäfersuppe und anderes sonderbare Zeug": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Foto: B.B.
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