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Zwei ehemalige Zoowärter quälten in sadistischer Weise Auszubildende und Praktikanten. Nun verurteilte ein Wuppertaler Gericht die beiden Männer wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung.
Da ist die Rede von regelrechter Folter, denn anders kann man das wohl kaum nennen, wenn jemand gefesselt und begrapscht, oder sogar an die Decke gezogen wird. Oder wenn man dem Opfer einen Elektroschocker auf den blanken Hintern setzt und abdrückt. Die Opfer der Täter waren beiderlei Geschlechts, und irgendetwas sagt mir, dass längst nicht alles bekannt geworden ist.
Die beiden Verurteilten nutzten das Abhängigkeitsverhältnis der Jugendlichen aus, um ihre sadistischen Neigungen auszuleben. Die körperlichen Schmerzen sind nicht unbeträchtlich, aber das ist irgendwann vorbei. Was ein Leben lang bleibt, sind die psychischen Qualen. Wenn einem Menschen keine Wahl bleibt, aus Angst um den Job oder den Ausbildungsplatz diese Demütigungen in Kauf zu nehmen, kann man das nur als Vergewaltigung bezeichnen.
Aber nun kommt die Stelle, die man mehrere Male lesen muss, damit man es glaubt: Da heißt es, dass die Täter auf Bewährung verurteilt worden sind. Das bedeutet im Klartext, sie werden damit bestraft, dass sie es nicht wieder tun dürfen. Am Arbeitsplatz können sie es auch nicht wieder tun, weil man ihnen gekündigt hat. Aber das tut nichts zur Sache. Wer zu solchen Dingen fähig ist, wird zusehen, dass er sein "Hobby" weiter ausüben kann, gleichgültig wo.
Was diese Angelegenheit so beängstigend erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass die wirtschaftliche Lage in diesem Land derlei Ausuferungen begünstigt. Es gibt unzählige Betriebe, wo sich manche aus Angst um ihre Arbeit so einiges gefallen lassen. Es geht meist schleichend, denn die "Fachleute" in Sachen Schikane testen die Duldsamkeit der Opfer aus. Das riskante Spiel gehört zum Programm, denn bei den verschiedenen Stufen muss die Zweideutigkeit soweit gewährleistet sein, dass bei etwaiger Gegenwehr die Sache glaubhaft heruntergespielt werden kann.
Die potentiellen Opfer werden genau beobachtet, ihre Signale gedeutet. Und tatsächlich irren sich die Täter fast nie. Manche der schikanierten Menschen brauchen Monate, oder sogar noch länger, um sich aus der Angst zu befreien und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Angst um die Arbeit ist nur ein Grund, ein anderer ist natürlich die Scham. Niemand will als gequältes Opfer angesehen werden. Zudem spukt in den Köpfen immer noch dieser schwammige Spruch vom "Recht des Stärkeren". Die empörten Fragen, warum man sich das alles so lange gefallen ließ, überfordern die Betroffenen.
Die lähmenden Mechanismen, die in Angst und Scham gründen, sind nicht wirklich bewusst – die Schuld wird oft beim eigenen Versagen gesucht, oder die Betroffenen verpassen den besten Zeitpunkt. Und die Täter stecken sofort zurück, wenn sie beim ersten Übergriff in ihre Schranken verwiesen werden. Jeder kann sich in freundlichem aber bestimmten Ton "zufällige" Berührungen oder unsinnige Anweisungen verbitten.
Hat man den Verdacht, dass es auf Schikaniererei hinauslaufen soll, kann man versuchen, andere Kollegen zu befragen. Man ist nie das erste Opfer in der Firma, die unter der betreffenden Person zu leiden hat. Und manchmal braucht es nur eine Kleinigkeit, um die Lawine ins Rollen zu bringen. Sollte man trotz allem die Arbeit verlieren, ist ein glatter Schnitt der Gesundheit zuträglicher als monate- oder jahrelanges Leiden. Keine Arbeit ist es wert, dafür zum Wrack zu werden.
Glaubt man den Statistiken, regiert in den meisten Firmen der blanke Terror. Extreme wie im Fall des Wuppertaler Zoos werden häufiger, und werden von der Justiz ebenso heruntergespielt wie bei so mancher Firmenleitung. Schließlich tun sie es ja nicht wieder. Diese Urteile sind eigentlich nichts weiter als der abschließende Stempel auf dem Freibrief für Schikanierer und Sadisten. Denn einmal darf man ja – sogar mit dem Elektroschocker. Wird man erwischt, kriegt man Bewährung. Und die läuft ja irgendwann einmal ab. Was mich dabei stört, ist die Tatsache, dass es für die Opfer niemals eine Bewährung gibt. So etwa in der Art wie: Dieses Mal kommst du ganz schnell darüber weg, schlimm wird es erst beim nächsten Mal.
Es ist für den Spruch von den Anfängen, denen gewehrt werden muss, wohl zu spät. Aber geben wir den Glauben daran nicht auf, dass solche Menschen immer noch in der Minderzahl sind, und dass die miserable Arbeitssituation in diesem Land nicht zwangsläufig solche oder noch viel schlimmere Zustände hervorbringt. Die Menschlichkeit des Einzelnen und vor allem das "Nicht wegsehen" sind gefragt.
© "Die Menschlichkeit des Einzelnen und das Recht des Bösen: Fachleute in Sachen Schikane": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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