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(22.07.2010) Kein Sommerloch ist zu tief für interessante und medienwirksame Ideen unserer Politiker. Vielleicht nutzen so manche Vertreter dieses Berufsstandes die Sauregurkenzeit, um ein wenig auf sich aufmerksam zu machen.
Wie dem auch sei, im Bereich "kreatives Sparen" hat sich nun der Abgeordnete Marco Wanderwitz mit einer Variante des sprichwörtlichen Eies des Kolumbus gemeldet. Herr Wanderwitz fordert schlicht und ergreifend, dass übergewichtige Bürger höhere Beiträge in Sachen Gesundheit zahlen sollen. Schließlich belasten die gemütlichen Dicken die Krankenkassen – und somit den Haushalt – in schwerster Weise.
"Eigenverantwortung für die Gesundheit in finanzieller Hinsicht" ist da eines der Schlagworte, die der CDU-Mann so auf die Waage legt. Man könnte das auch gleich in allgemein gültiges Deutsch übersetzen, was dann hieße: "Wer so frisst, dass er Übergewicht kriegt – und dadurch krank wird – muss mehr zahlen, weil er mehr kostet."
Natürlich wirkt so ein Vorschlag erst einmal gar nicht so unlogisch – man schlüge mehrere Fliegen mit einer Klappe, denn es käme mehr Geld in die Staatskasse – oder aber die Leute würden gesünder leben, weil sie schließlich sparen wollen. Und Beifall aus der Ecke der Gesundheitsökonomie gibt es auch schon, denn man fordert in schönem Gleichklang auch Steuererhöhungen für gesundheitlich bedenkliche Konsumgüter, welche z. B. Risikosportgeräte wie Drachenflieger betreffen würden. Also kurz gesagt: Wer etwas Riskantes tut, soll mehr zahlen.
Auf den ersten Blick logisch erscheinend rückt allerdings bei ernsthaftem Nachdenken das dicke Ende recht schnell ins Bild. Denn wer würde entscheiden, was riskant für die Gesundheit ist – und was nicht. Erstens müsste (wir leben schließlich in Deutschland) eine neue Norm in Sachen kostenpflichtiger Zusatzpfunde erstellt werden. So etwas kann nicht allgemein gelten, sondern muss jeweils für Alter und Geschlecht gesondert ausgelegt werden. Der Run auf die Arztpraxen würde die Wartezimmer hoffnungslos überfüllen, denn es ist anzunehmen, dass mit den Pfunden extrem gewuchert werden würde. Denn es gibt zwei Arten von Übergewicht: Das selbst hergestellte und das krankheitsbedingte.
Letzteres dürfte nicht zur Mehrzahlung führen, der betreffenden Krankenkasse müsste ein Attest vorgelegt werden. Die Arztpraxen könnten so zu Schreibstuben mutieren. Die Schleckermäuler unter uns müssten nicht nur Kalorien zählen, sondern auch die Euros – oder einen Ausgleich schaffen durch sportliche Betätigung, was leichter gesagt ist als getan. Denn diese Art des Fettabbaus muss zwar effizient, aber vollkommen ungefährlich sein, sonst drohen wiederum höhere Beiträge. "Na, dann joggen wir einfach nur – das reicht und ist nicht relevant für die neuen Regeln", könnte da manch einer sagen.
Doch weit gefehlt, denn erst einmal braucht ein Jogger die richtigen Schuhe – und die sind nicht billig. Dann ist Joggen durchaus nicht ungefährlich für die Gelenke, und auch nicht immer für Herz und Kreislauf. Eigentlich sollte es nur unter ärztlicher Anleitung betrieben werden, da schon viele Begeisterte einem Herzinfarkt während der morgendlichen Runde erlagen. Außerdem hört man immer wieder, dass weibliche Jogger überfallen wurden, was im Allgemeinen sehr hohe Gesundheitsrisiken mit sich bringt.
Alle anderen Sportarten sind womöglich noch gefährlicher, wenngleich mehr Leute mit dem Auto verunglücken, als mit dem Drachenfluggerät. So gesehen ist das Auto ein sehr hoher Risikofaktor, und nicht nur der Rennwagen – auch hier gilt nämlich, dass man auf der Strecke weitaus geringere Chancen auf einen Crash hat als auf der Autobahn. Also wäre es nur gerecht, zahlten Autofahrer höhere Beiträge.
Wer sich allerdings als Beifahrer oder Passagier in einen Wagen setzt, nimmt in jedem Fall ein erhöhtes Risiko in Kauf, sollte es zu einem Unfall kommen. Auch hier würde zur Kasse gebeten – vielleicht im Rahmen einer Kilometerpauschale. Möglicherweise könnten Fahrgemeinschaften, das Erreichen des Arbeitsplatzes betreffend, geringfügig bevorzugt werden.
Ein tierisches Abkassieren wäre auch im Fall der Hundehaltung möglich. Zwar hat sich schon mancher übergewichtige Bürger einen Hund angeschafft, um einen Grund für regelmäßige Spaziergänge zu haben – und damit tatsächlich das Gewicht reduziert – doch ein vierbeiniger Lauftrainer ist mit Sicherheit nicht risikofrei. Ein Hundebiss muss meist ärztlich versorgt werden, außerdem sollen ja immer wieder Fälle von Tollwut auftreten. So gesehen ist der vermeintlich idyllische Spaziergang mit Waldi ein sehr gefährliches Unterfangen. Zur Hundesteuer käme dann die Zuzahlung, und wenn noch etwas überbleibt, kann man es den dann überfüllten Tierheimen spenden.
Die Gefahren, die in den öffentlichen Schwimmbädern lauern, sind mannigfaltig – von Chlorallergien bis Pilzerkrankungen, Stürze auf feuchten Kacheln sowie Herzversagen auf dem Sprungbrett – allzeit ist die Gesundheit gefährdet. Eine Einzelabrechnung ist hier kaum möglich, erhöht müssten die Eintrittspreise werden, um die Risikosteuer abzudecken. In besonderem Maße beträfe das die Fitness-Studios, in denen ungeahnte Möglichkeiten für Muskelrisse, Geräteunfälle und Zerrungen lauern. Sonnenstudios gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Etablissements anderer Art müssten ihre Taxen ebenfalls angleichen, denn ein Domina-Studio ist geradezu prädestiniert für gewisse Unfälle. Entzündete Striemen, Verletzungen durch Metallreißverschlüsse und angeknackste Wirbel sind nur einige Beispiele. Die üblichen Häuser können ebenfalls, trotz ständiger gesundheitsamtlicher Kontrollen, als potentieller Seuchenherd betrachtet werden, was die Preise für die Kunden natürlich anheben würde.
Sollten die eingangs erwähnten Sommerloch-Ideen fruchten, werden die übergewichtigen Deutschen recht bald ins Schwitzen geraten – denn Gewicht abbauen wird zur Pflicht, wenn sie nicht mehr zahlen wollen als die anderen. Treiben sie Sport, um schlanker zu werden, zahlen sie allerdings auch. Und die Zeiten, in denen sie essen konnten, was sie wollen, wären vorbei. Die Vorliebe für Burger und fette Pizza würde kostspieliger werden.
Es wird den Moppelchen wohl kein Trost sein, dass die sonst beneideten Waschbrettbauchbesitzer ihre sportliche Leidenschaft teuer bezahlen werden. Denn Rennräder fallen mit Sicherheit unter die Risikoklausel – wie fast alle Sportgeräte. Treffen würden die Verordnungen wohl uns alle, denn die Zeiten, in denen man sich frei entscheiden konnte, was man tut, wären dann endgültig vorbei. Persönliche Freiheit darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein.
© "Höhere Beiträge nur für Dicke?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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