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Die meisten denken bei dem Wort "Lehrer" sofort an die Schule und verlieren sich in mehr oder weniger guten Erinnerungen. Den ersten professionellen Lehrer, also einen, der dafür bezahlt wurde, dass er einem etwas beibrachte, traf man in der Grundschule. Am ersten Tag des neuen Lebensabschnittes trug man eine riesige Tüte (mit meist ungesundem Zeug darin) mit einigem Stolz vor sich her.
An diesem ersten Tag war noch alles mehr wie Kindergarten, die Lehrperson sehr freundlich, und man war sehr stolz. Einige hatten einen "Herrn Lehrer", andere eine "Frau Lehrerin", und wer ältere Geschwister hatte, war durch deren Berichte in der einen oder anderen Art vorbelastet. Mancher hatte Glück und die Chemie stimmte auf Anhieb – andere holten sich ihre negative Prägung, was Lehrpersonen betraf, gleich bei Eintritt in das Klassenzimmer ab.
In den alten Zeiten waren die Schüler einem einzigen Klassenlehrer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert (das gilt natürlich auch für die Gegenseite), und dies manchmal die ganze Schulzeit über. Das änderte sich nach und nach, und es konnte sogar vorkommen, dass man an einem einzigen Schultag drei oder fünf verschiedene Fachlehrer hatte. Das hat ebenso Vor- wie Nachteile, ist aber heute allgemein üblich.
Es kommt darauf an, was man unter einem Lehrer versteht. Man kann sich einen Menschen darunter vorstellen, der im Akkord so etwas wie Wissen in Schüler hineinstopft, man kann einen Zuchtmeister darin sehen, der den hoffnungsvollen Sprösslingen genau das soziale Verhalten beibringt, das sie eigentlich von zu Hause mitbringen sollten ... oder man sieht einen Lehrer als jemanden, der etwas vermittelt oder Wege aufzeigt. Letzteres kommt dem Idealbild eines lehrenden Menschen schon sehr nahe, denn es geht in der Schule nicht nur darum, dass so viel Unterrichtsstoff wie nur möglich durchgepaukt wird – oder sollte nicht darum gehen.
Kinder lernen durch Erfahren, das tun sie mit nicht-bezahlten Lehrern wie den Eltern, Freunden, Tieren, oder überhaupt der Umwelt, durch Erfahrung. Sie benutzen ihre Sinne und ahmen nach, spüren, fühlen und setzen sich nach und nach ihre stündlich größer werdende Welt zusammen. Diese Art Wissen wird aufgenommen, ohne dass es bewusst wird, es geht praktisch von alleine. Aber auch Erwachsene lernen weiter, ohne dass sie es bemerken – alles, was das Gehirn aufnimmt, wird gespeichert und in die bestehende Erfahrung aufgenommen und integriert.
Nun gibt es aber Dinge, die erarbeitet werden müssen, wie zum Beispiel das Verständnis für Schrift und Zahlen. Das muss vermittelt werden, man bekommt es "beigebracht". Der erste Lehrer ist derjenige, der den ABC-Schützen einen Schlüssel übergibt – einen Schlüssel, der zu fast allen Türen passt, die in den nächsten Jahren geöffnet werden müssen: der Schrift. Man könnte vielleicht annehmen, dass – von den Zahlen einmal abgesehen – jetzt niemand mehr nötig wäre, um Wissen weiterzugeben. Denn für jemanden, der lesen kann, ist das meiste Wissen erreichbar. Bräuchte man also nur Säle mit jahrgangsgerechten Büchern und einem Aufpasser, der ab und an einmal hereinschaut? Nein, das könnte nicht funktionieren, denn auch das Lernen will gelernt sein.
Es gibt so viel Notwendiges zu wissen, und täglich wird es mehr, keine Schule der Welt kann diesen immensen Stoff durchnehmen. Es kann deshalb im Schulunterricht meist nur um das Basiswissen gehen. Ist diese Basis aber erreicht, liegt es an der Motivation des einzelnen Schülers, sich weitere Informationen zu holen. Bücherei, Internet oder sonstige Quellen stehen (hierzulande!) jedem offen und sind fast kostenlos. Und das macht einen wirklich guten Lehrer auch aus, die Fähigkeit zur Motivation, zum Neugierigmachen auf mehr. Fast alle können sich an so jemanden erinnern – einen Mann oder eine Frau, bei der es richtig Spaß machte zu lernen, oder bei der man überhaupt nicht mitbekam, dass man lernte. Manche Lehrende verstehen es, die trockenste Materie lebendig werden zu lassen, und wer richtig Spaß an der Sache hat, kriegt das sogar bei der Mathematik hin.
Natürlich gibt es auch heute noch die Despoten des Klassenzimmers, wenn auch nicht mehr in der Form, die der Schrecken der Schüler vor vielen Jahren war. Aber diese Spezies ist fast ausgestorben – wo sie noch vorkommt, ist sie im immerwährenden Krieg mit den Schülern verstrickt und steht meist auf verlorenem Posten in puncto Klassenziel. Das Gegenteil ist der Mentor, der es fertigbringt, jemandem behutsam etwas zum dritten Mal zu erklären, ohne dass der Betreffende wie der Klassendepp dasteht und Erfahrung darin hat, seine Schüler einzuschätzen. Jedes Kind lernt anders, darauf kann im Schulbetrieb kaum Rücksicht genommen werden, und so ist es eine schwere Aufgabe, dem gerecht zu werden. Das Idealbild des Lehrers meistert diesen Balanceakt, aber nicht, ohne dass es an die Substanz geht.
Ein Lehrer zu sein, fordert viel vom Menschen, ob es nun um Kinder geht oder um Erwachsene, denen etwas vermittelt werden soll. Am Weltlehrertag sollte man an alle Lehrer denken, auch diejenigen, die auf der ganzen Welt gegen die Armut ankämpfen, die oft eine Folge von Nichtwissen ist. Ein Beispiel sind auch die tapferen afrikanischen Frauen, die ihren Landsleuten die schrecklichen Folgen der Mädchenbeschneidung aufzeigen und durch Aufklärung gegen diesen Brauch kämpfen. Sie ziehen von Dorf zu Dorf, um Wissen zu vermitteln, und das ist nicht ungefährlich, denn ihre Arbeit wendet sich gegen uralte Traditionen und wird nicht von allen gebilligt.
Anderswo haben Lehrer den Kampf gegen das Analphabetentum bei den Erwachsenen aufgenommen und müssen viel Überzeugungsarbeit leisten. Naturschützer halten Seminare ab und stärken das Verständnis für die Umwelt, müssen gegen festgefahrene Meinungen und veraltete Arbeitsweisen ankämpfen. Wie auch immer, ein Lehrer ist weitaus mehr als jemand, der einen Katalog von Weisheiten herunterleiert und hofft, dass sich jemand etwas davon merken kann – ein Lehrer ist jemand, der etwas nicht augenscheinlich Wertvolles so weitergeben kann, dass es gern angenommen wird. Das klingt simpel, braucht aber einige grundlegende Fähigkeiten, wie Verständnis für Menschen und sich in diese hineinzuversetzen.
Lernen ist etwas, das auf Gegenseitigkeit beruht, sonst wäre es bloße Rezitation und Wiederholen von Worten oder auch Tätigkeiten, ohne tatsächliches Begreifen. Was wir wirklich gelernt haben, verdanken wir unseren Lehrern, und so ist ein Gedenktag für sie mehr als eine gute Sache.
Es braucht auch keinen Hochschulabschluss, um jemandem etwas Bleibendes geben zu können – manchmal reicht es, ein gutes Beispiel zu geben, um etwas auszulösen. Jeder kann die Arbeit der Lehrenden unterstützen, versuchen wir also es ihnen ein wenig leichter zu machen. In diesem Sinne haben wir alle ein Lehramt inne, ebenso wie wir alle Lernende sind.
© "Gedanken zum Weltlehrertag am 5. Oktober": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Mathe an der Tafel, CC0 (Public Domain Lizenz).
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