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In den Medien machte ein polnischer Bürger Schlagzeilen, der sich als Haustier ein Löwenbaby hielt. Nachdem die Behörden sich eingeschaltet hatten, baute der Katzenliebhaber seinen Garten zu einem Gehege um. Süß? Sicher – alle Tierbabys sind irgendwie unwiderstehlich, bis auf einige Ausnahmen natürlich. Aber sie bleiben es eben nicht, und ein Löwenkind wird einmal ein Löwe.
Freundschaften zwischen Menschen und Wildtieren gibt es durchaus, sieht man einmal von den Zoos ab, in denen sich zwischen Betreuer und Tier oftmals eine Beziehung bildet, die über das Füttern hinausgeht. Die legendäre Löwin Elsa ist ein gutes Beispiel dafür, aber sie lebte in Afrika und praktisch mitten im Busch. Die Station mit den Menschen war kein Gefängnis für sie, sondern eher eine Art Zuhause.
Dann gibt es diese wundervolle Geschichte von den beiden jungen Engländern, die ein Löwenkind adoptierten und es in Afrika in die Freiheit entließen, da die Haltung sehr schwierig wurde. Der halbstarke Mähnenträger wurde erfolgreich ausgewildert, aber trotzdem erkannte er nach langer Zeit seine beiden Ziehväter wieder, die ihn in Afrika besuchten. Es gibt ein Video darüber, das unglaublich anrührend ist. Die beiden Männer erwarteten nichts bei ihrem Besuch, denn man hatte ihnen gesagt, dass die Großkatze sich nicht erinnern würde. Das ist auch die Regel, aber tatsächlich spurtete der Junglöwe begeistert auf die beiden zu und fing an, sie zu umarmen und mit ihnen zu spielen.
Diese außergewöhnliche Begegnung zeigt in rührender Weise, dass Freundschaft, oder zumindest etwas Vergleichbares, unter den verschiedenen Spezies möglich ist. Doch ein ausgewachsener Löwe im Garten ist etwas völlig Anderes. Nicht nur, dass die Haltung große Sicherheitsrisiken birgt, dieses Tier gehört in die Savanne. Oder wenn das nicht möglich sein sollte, in die Hände von Menschen, die Erfahrung haben im Umgang mit Großkatzen.
Doch in vielen Haushalten gibt es Tiere, die eigentlich nicht unter die Bezeichnung "Haustiere" fallen, nimmt man das Wort als Begriff für zahme Kuschelkumpel. Denn bei denen kann man nachvollziehen, warum man in Haus und Garten mit ihnen leben will. Meerschweinchen, Ratten und Zwergkaninchen sind ebenso wie Goldhamster längst zu normalen Mitbewohnern geworden. Letzterer allerdings ist mit Sicherheit kein Schmuseknäuel, sondern ein kleines Raubtier und hält überhaupt nichts vom Kuscheln.
Für Kinder sind Hamster überhaupt nicht geeignet, denn sein Lebensrhythmus verläuft konträr. Außerdem hat er etwas gegen Menschenhände, die von oben auf ihn niederfahren – er übersetzt das mit Beutegreifern und steht somit ziemlich unter Stress. Hamster können sehr bissig werden, was dadurch allerdings erklärt ist. Sie leben solitär und mögen außerhalb der Fortpflanzungszeit keine Gesellschaft. Bei den meisten anderen Nagern, die mit Menschen zusammenleben, ist das anders – sie reagieren auf Kontakt somit freundlich und können ihn auch genießen. Und Kinder lieben es nun einmal über alles, Tiere zu streicheln und mit ihnen zu spielen. Das sollen sie auch, denn es ist für ihre Entwicklung sehr von Vorteil.
Warum um alles in der Welt aber hält sich ein Mensch Vogelspinnen? Das sind zwar sehr interessante Tiere und durchaus nicht widerwärtig – aber der Schmusefaktor ist extrem niedrig. Das gilt auch für die vielen Arten von Schlangen, die sich in mehr oder wohl weitaus öfter weniger gut eingerichteten Terrarien Deutschlands tummeln. Spinnen und Schlangen gewinnen dem Kontakt zu Menschen vermutlich nicht sehr viel ab. Es ist nachvollziehbar, wieso Zoos Reptilien oder gewisse Insekten halten, aber Herr Meier von nebenan mit den Rotfußvogelspinnen in der Wohnküche stimmt bedenklich. Natürlich kann es starkes Interesse für eine gewisse Spezies sein, die einen dazu bringt, einige menschliche Freunde zu verlieren, aber es ist zu einem großen Teil die Faszination am Exotischen, am Außergewöhnlichen. Wer sich mit Tieren umgibt, die gefährlich werden können, schmückt sich mit dem Nimbus des Furchtlosen – gewinnt also an Prestige.
Bewunderung mit Ekel gemischt malt sich auf den Gesichtern der Freunde und Besucher, wenn sich zwei allerliebste Achtbeiner einen kleinen Spaziergang auf den nackten Armen des Helden gönnen oder ein Skorpion auf der Tischplatte flaniert. Wer ein Tier dominiert, ist stärker – wer ein Tier mit bösem Ruf in der Hand hat, ist noch stärker. So kamen unwissende Menschen immer wieder auf die Idee, sich einen Wolf halten zu wollen. Die Geschichten von illegal beschafften und ebenso getöteten Tieren dieser Art sind leider Legion, aber sie haben denselben Hintergrund wie der Python im Badezimmer. Raubtiere sollen das Ego des Besitzers aufwerten.
Nun ist aber ein Wolf in seinem Erscheinungsbild Hunden bestimmter Rassen sehr ähnlich und auch in seinen Verhaltensweisen, solange er ein Jungtier ist. Ein verspielter Wolfswelpe unterscheidet sich nicht von einem Pudelbaby – er ist kuschelbedürftig und akzeptiert Maßregelungen. Unsere Haushunde verhalten durch die Domestizierung, grob gesagt, in ihrer Jugendphase – sie werden nie völlig erwachsen. Das garantiert, dass sie führig bleiben und sich nicht in Machtkämpfe mit den anderen Rudelmitgliedern einlassen. Wo diese Barriere versagt – wie bei außergewöhnlich dominanten Hunden – sind Probleme vorprogrammiert.
Der Wolf aber in seiner Naturbelassenheit wird irgendwann erwachsen – und damit ein eigenständiges Tier, das sich nicht dominieren lässt. Zwar ist eine Beziehung zum Menschen durchaus möglich, aber von gleich zu gleich. Das wiederum setzt viel Wissen und Feinfühligkeit voraus. Und viel Freiheit für den Wolf. Er wird sich niemals unterordnen wie ein Haushund das tut. Er ist erwachsen und sieht die Welt mit anderen Augen als der Mensch.
Sagen wir am Schluss doch einfach, dass niemand auf Exoten ausweichen muss – bei der Fülle von angenehmen und relativ leicht zu haltenden tierischen Hausgenossen, mit denen schnell Freundschaft zu schließen ist. Tun wir uns und vor allem den Tieren gewisse Experimente einfach nicht an und pflegen wir unser Selbstbewusstsein auf einfachere Weise. Soll heißen: Schmücken wir uns nicht mit fremden Federn.
© Textbeitrag und Abbildung zu "Wildlife im Wohnzimmer": Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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