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Rechts hinter mir telefoniert einer endlos mit verschiedenen Leuten, anscheinend immer über das gleiche Thema. Irgendetwas findet er nicht gut. Ich würde mir wünschen ... höre ich immer wieder. Mit meiner beiläufigen Aufmerksamkeit, immer wieder abgelenkt durch andere Fahrgäste und Gespräche, gelingt es mir nicht herauszufinden um was für ein Problem es denn gehen könnte und was er sich denn eigentlich wünscht. Dabei ist er in seinen Formulierungen von verblüffender Allgemeinheit.
Ich glaube, wenn ich diese Gespräche jetzt mitschneiden könnte, hätte ich genug Material für 2 Stunden belanglosen Smalltalk. Ich selbst beherrsche den Smalltalk nicht. Bei belanglosen Gesprächen erstarre ich innerlich vor meinem Gesprächpartner und denke krampfhaft darüber nach, mit welchen einfachen Worten ich meinem Gegenüber ein paar angenehme Minuten bereiten könnte. Klappt meistens überhaupt nicht.
Neben dem fleißigen Telefonierer und Wünscheverkünder sitzt eine junge Dame, ganz versunken, anscheinend nicht gerade erfreut über ihre Reisebegleitung. Sie schützt sich mit einer Zeitschrift, er spricht sie kurz an, dann erlöst sie jedoch das Klingeln seines Handys. Da soll jetzt ja was kommen, etwas später, aber es kommt, höre ich ihn noch sagen. sehe wie die junge Dame sich noch weiter in ihre Ecke drückt und lasse meine Aufmerksamkeit wieder weiter gleiten.
Englische Fußballfans. Mich wundert, dass sie sich in der ersten Klasse aufhalten und dass sie den weiten Weg mit der Bahn fahren. Wäre Fliegen nicht günstiger? Ich frage mich, ob die 4 verheiratet sind. Wie viel Urlaub wohl so der normale Arbeitnehmer in England bekommt. Und bekommen sie krach mit ihren Ehefrauen, wenn sie den Urlaub für Fußball verbrauchen. Wenn jetzt der Schaffner kommt, stelle ich mir gerade vor, wird er wohl erklären müssen, dass dies hier die erste Klasse ist. Aufzahlen oder Abteil wechseln. Bin ja mal gespannt.
Das müssen wir jetzt mal tun, streift mich ein Telefonatfetzen, der einsam in die Nacht hinaustelefoniert wird. Wenn da gar keiner am anderen Ende wäre, ich würde es nicht merken, dem Telefon wäre es egal, was die Nacht dazu meint weiß ich nicht.
Ein fleißiger Leser blättert ziellos in einem Roman. Langeweile.
Aha, der Schaffner. Ich blicke betont uninteressiert zu den Fußballfans, jetzt hält er ihre Tickets in der Hand. Erstaunlich, er gibt sie ohne Kommentar zurück und geht weiter. Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob die Ehefrauen über die Preise in der deutschen ersten Bahnklasse erfreut sind.
Alex wird darüber informiert, dass gleich der Akku leer sei, man sei aber gerade dabei etwas zusammenzustellen. Und wir seien aufgefordert etwas abzugeben. Wenn er, wahrscheinlich Alex, etwas abgeben kann, wird er, der Telefonierer, das gerne verwenden. Aber es reiche ihm eigentlich schon, wenn er noch ein oder zweimal mit ihm telefonieren könne. ...
Lesen Sie diese Kurzgeschichte im Buch der Autoren Wilfried Rottler und Thomas Bierling: "Sinneswandel: Kurze Kurzgeschichten. Gedachte Gedanken". Auf 144 Seiten lesen Sie scharfsinnig pointierte und herrlich böse Texte der beiden Autoren. Bitte beachten Sie auch unsere Rezension zu diesem Buch. Das Buch ist via Amazon erhältlich.
© "Abendliche Gedanken in Wagon Nr. 12": Textauszug mit freundlicher Genehmigung von Wilfried Rottler
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