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Nach dem Sommerloch und den Wahlen 2017 tut sich nun das viel größere Herbstloch auf: Er ist süß, er ist bunt und er lächelt freundlich. Und er wird von manchen Bürgern als ganz große Gefahr für das christliche Abendland und seine geheiligten Traditionen gesehen. Es geht um den rosa Zipfelmann, den "Penny" seit Ende Oktober in den Regalen stehen hat. Und zwar genau neben den traditionellen Weihnachtsmännern in Rot und Weiß.
Was ihn so gefährlich macht? Glaubt man den besorgten Weihnachtseinkäufern, dann soll der freundliche Schokoladentyp nichts weiter als das Ende der christlichen Tradition darstellen. Das ist aus den vielen Kommentaren besorgter Bürger im Netz durchaus abzulesen, und es ist sogar von Gewaltaufrufen gegen die bunten Kerls zu lesen: "Der Weihnachtsmann hat sich in Rot zu zeigen. Und damit basta!"
Aber hat er das wirklich? Es ist zwar richtig, dass wir alle zuerst einmal an einen molligen Mann in rotem und mit weißem Pelz verbrämten Outfit denken. Aber es gibt da schon einige Varianten. Es kommt darauf an, ob man eher ein Anhänger von Santa Claus ist, so wie er in Amerika sein sonores "Ho Ho Ho" hören lässt, oder ob man es lieber mit dem heiligen Nikolaus hält, der seines Zeichens Bischof war. Weswegen man ihn auch eher im Ornat und mit seinem Amtsstab sieht.
Während der dicke Santa auf dem Skizzenblock eines nach Amerika ausgewanderten Deutschen entstand (und sich mühelos durchsetzte), gehört der Heilige mit dem Stab zu den kirchlichen Traditionen. Aber so richtig urdeutsch sind beide nicht (was immer dieses Wort auch zu bedeuten hat).
In jeder Gegend Deutschlands kennen Kinder die lokale Version des "Weihnachtsmannes". Und der ist meist völlig anders. Zuerst einmal trägt er meist dunkelbraun oder sogar grün. Und alleine kommt er auch nicht, denn er hat einen Gehilfen bei sich, dessen Name je nach Landstrich variiert. Knecht Ruprecht nennen ihn die einen, die anderen sagen Krampus oder nennen ihn bei sonst einem traditionellen Namen. Ruprecht oder Krampus sind für die Bestrafung der unartigen Kinder zuständig, dafür tragen sie eine Rute im Gepäck. Für die artigen Kinder sorgt der Weihnachtsmann selber.
Sicher ist, dass diese etwas wild aussehenden Kerle nicht ganz so sympathisch wirken wie ihr Chef. Sie erinnern ein wenig an die Perchten, die man sonst vor allem im Fasching sieht. Und auch da sind sie nicht für Zurückhaltung und gutes Benehmen bekannt. Je weiter man zurückgeht, desto mehr wird klar, dass diese Begleiter etwas Dämonisches haben und ihre Ursprünge weit in der Zeit vor der Christianisierung liegen.
Wie kommt es nun, dass der freigiebige und freundliche Weihnachtsmann sich in solch sinistrer Gesellschaft bewegt? Wahrscheinlich, weil er doch zur selben Familie gehört. Nicht umsonst ist der nette Alte auch unter anderen Namen bekannt. Und die hatte er, lange bevor jemand vom heiligen Nikolaus gehört hatte. So heißt er zum Beispiel in Rheinland-Pfalz Belzenickel. Das hört sich nicht sehr heilig an und ist es auch nicht. In früherer Zeit war der Belzenickel (also bevor er schick in Rot und Weiß mit glänzender Folie umwickelt daherkam) dem Knecht Ruprecht sehr viel ähnlicher als heute. Eher der bärbeißige und frostgehärtete Typ, der in der Eiseskälte der Wälder zu Hause war. Und nicht etwa in gut beheizten Wichtelwerkstätten am Nordpol. Das Väterchen Frost, wie es in Russland bekannt ist, kommt da der Sache wohl näher.
Man denke sich also einen alten, bärtigen und in dicke Pelzkleidung (eher wildfarben als rot) gehüllten Mann, der des Abends umherzieht und Gaben ebenso verteilt wie Rutenhiebe. Oder letztere verteilen lässt. Ganz nach Verdienst wird belohnt oder bestraft. Da denkt man vielleicht an Rübezahl, den Berggeist, der als bärtiger Alter beschrieben wird. Auch dieser streifte durch die Wälder oder mischte sich unter die Menschen, um zu belohnen oder zu bestrafen. Es gibt unzählige Geschichten über Rübezahl oder andere Wesen aus der Anderswelt, die gerne die Menschen foppten oder ihnen sogar Gutes taten.
Wer immer aber dieser besondere, pelzbekleidete und bärtige Alte mit Erziehungsauftrag einmal war, irgendwann verschmolz er mit dem Bischof von Myra. Denn dieser war die Vorlage für den Gabenspender im Dezember. Aber von einer Tradition des christlichen Abendlandes kann nicht gesprochen werden. Denn der Belzenickel war vorher da. Lange bevor es Schokoladenfiguren gab. Was auch keine Tradition ist, sondern eine Erfindung schlauer Geschäftsleute.
Und dennoch fühlen sich besorgte Menschen bedroht, weil so ein süßer Kerl mit Zipfelmütze auf einmal bunt trägt oder in sattem Pink daherkommt. Dabei ist es einfach eine nette Idee. Schließlich gibt es seit Jahren auch leicht bekleidete Weihnachtsmänner und -Frauen als Schokofiguren, und bei denen gab es keinen Aufschrei der christlichen Tradition wegen.
Tatsache ist: Man verdächtigt den bunten Zipfelmann der Kollaboration mit den muslimischen Mitbürgern, weil er ja nicht ausgesprochen christlich ist. Dass der Weihnachtsmann in Rot das auch nicht ist, wird da leicht vergessen. Beide Varianten stehen doch einträchtig in den Regalen. Das sollte als gutes Beispiel reichen.
© "Der gefährliche Zipfelmann: Das Ende der christlichen Tradition?": Textbeitrag und Abbildung von Winfried Brumma (Pressenet), 2017.
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