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Ein ehemaliger Ghostwriter erzählt im Jahre 2018 über Berlin, den lieben Zufall und das Ringen mit seinem Leben zwischen den Zeilen. Partys, Smartphones und Nazis – gesenkte Köpfe, erhobene Arme und ein stiller Beobachter mittendrin.
"Der Nirgendsmann" ist eine Pflichtlektüre, geschrieben vom taz-Autor Markus Szaszka, für jeden, der wissen will, wie man die akademische Welt bescheißen kann und was eine Wieselspinne ist.
Für wen dieses Buch ist? Markus Szaszka sagt: "In erster Linie für Millennials. Genauer: Digitale Nomaden und alle, denen die Neue Rechte gegen den Strich geht. Und alle, die vom Konsumwahnsinn des 21sten Jahrhunderts angeekelt sind."
Das Taschenbuch "Der Nirgendsmann" wurde 2018 veröffentlicht (ISBN 978-3735781468) und umfasst runde 300 Seiten. Der Tatsachenroman ist auch als E-Book im Online-Buchhandel erhältlich.
Obwohl Anastasia nur meine beste Freundin war, wollte ich gut für sie aussehen, weshalb ich mein bestes Hemd raussuchte, ein weißes mit Nadelstreifen, Duftwasser auftrug und mich deutlich zu lange im Spiegel betrachtete, bevor ich rausging. Ich zupfte so lange an meinen Klamotten herum, bis sie für mein Verständnis richtig saßen, allerdings würde keiner außer mir den Unterschied zwischen den einzelnen Handgriffen bemerken, da machte ich mir nichts vor.
Nastja und ich waren zwar nur Freunde, aber auf eine romantische Art, denn bei uns wurde viel geflirtet. Wenn wir in derselben Stadt waren, hängten wir pausenlos miteinander rum, hatten Unmengen an Insider-Scherzen, kamen uns beim Betrunkensein mit unseren Gesichtern gefährlich nahe, griffen auch ohne berauscht zu sein des Öfteren nach unseren Händen, Rücken und Wangen, nicht aber nach unseren Schenkeln, Bäuchen, Pos oder Brüsten – da lag die Grenze.
Wahrscheinlich kannten wir uns schon zu gut, und vier Jahre des gemeinsamen Herumblödelns waren zu viel gewesen, um noch als Paar zueinander finden zu können. Vielleicht war es auch gar nicht wichtig, einander zu küssen und miteinander zu schlafen, und wir konnten ohne diesen Austausch an Zärtlichkeiten noch besser füreinander da sein; Felsen in der Brandung oder etwas ähnlich Kitschiges.
Aber ich musste mir eingestehen, dass sie die schönste Frau war, die ich kannte und je kennengelernt hatte, und ich sie sehr gerne geküsst und mit ihr geschlafen hätte, aber ich traute mich nicht, irgendetwas in diese Richtung zu unternehmen, weil ich unter keinen Umständen kaputtmachen wollte, was wir hatten, weil das großartig war.
Vielleicht gehörten wir sogar tatsächlich zusammen, waren seelenverwandt und nur zu dämlich, um zusammenzufinden. Ich wusste es nicht, aber eines war klar, nämlich dass ich mich schon lange nicht mehr derart gefreut hatte wie an diesem Nachmittag und auf diesen Menschen. Ich vermutete sogar, dass geschlagene drei Monate vergangen waren, seit ich das letzte Mal so fröhlich gewesen war, und zwar am Tag vor Nastjas Abreise nach Paris.
Jetzt wohnte sie wieder in Lichtenberg und es trennte uns lediglich eine 13-minütige Fahrt mit der M8, die praktischerweise sowohl vor ihrem Haus als auch direkt vor meinem hielt.
Die Brunnenanlage, an der wir uns treffen wollten, befand sich nicht weit weg von mir, also lief ich die zwei Stationen zu Fuß, anstatt die Straßenbahn zu nehmen. Unterwegs kaufte ich in einer türkischen Bäckerei zwei Kaffees to go und zwei mit Marzipan gefüllte Croissants, Anastasias liebstes Gebäckstück, und setzte mich damit auf den steinernen Rand des Märchenbrunnens am westlichen Zipfel des großen Volksparks Friedrichshain. Das Wetter war prächtig, weshalb die zahlreichen Bänke um den Brunnen herum allesamt besetzt waren.
Ich sah mir die vielen aus Stein gehauenen Skulpturen an, Märchenfiguren, die zur Zierde an den Beckenrändern angebracht waren. Alle waren sie da: der Froschkönig, Hänsel und Gretel, der gestiefelte Kater, Hans im Glück, Aschenputtel, Rotkäppchen, Schneewittchen, Dornröschen und noch ein paar weitere mehr, die ich keinem bestimmten Märchen zuordnen konnte. Sie waren so gütig und leisteten mir Gesellschaft, solange ich wartete – meine schweigsamen Freunde, die mir trotz meiner menschenfreundlichen, weil guten Stimmung deutlich näher waren als die vielen Parkbesucher dieses frühen Abends. ...
© "Eine Pflichtlektüre: Geständnisse eines Ghostwriters": Herzlichen Dank an den Autor Markus Szaszka für die Leseprobe aus "Der Nirgendsmann" und die Abbildung des Buchcovers, 12/2018.
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