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Roadmovies sind – wie der Name sagt – Filme, deren Handlung sich zum größten Teil auf der Straße abspielt. Die USA mit ihren Highways sind meist der Ort der Handlung – die irre großen und langen Straßen sind etwas, das man sich hier nur begrenzt vorstellen kann. Allerdings gibt es auch europäische Filme, die viel mit Straße bzw. Autobahn zu tun haben – aber die Wiege dieses Genres steht zweifellos in Amerika. Es gibt verschiedene Varianten – die romantische etwa oder die knallharte – die schwarze Komödie oder das Drama. Roadmovies bedienen jeden Geschmack – vor allem aber die Sehnsucht nach der Freiheit und der tiefgreifenden Veränderung.
Wir als Zuschauer sitzen bequem im Sessel oder auf der Couch, sehen zu, wie die Helden des Films die aberwitzigsten Dinge erleben, gejagt werden oder selber irgendetwas hinterherjagen. Die Straße ist ein Bild der Zivilisation, der Strom reißt alles mit sich – wer dabeibleiben will, muss den Fuß auf dem Gas halten. Aber nicht immer sind die Helden freiwillig in verschwitzten Klamotten unterwegs, um dreckige Toiletten in ebenso heruntergekommenen Raststätten oder Tankstellen zu benutzen, oft war es nicht ihre Entscheidung. Wer einsteigt, bleibt erst einmal drin, bis das Benzin alle ist, die Straße endet oder auch beides. Und vor der Windschutzscheibe bleibt als letztes Haltesignal nicht selten die Mündung einer Polizeiwaffe.
Moderne Cowboys in engen Jeans und Stiefeln, die eine arg mitgenommene Karre durch die Wüste treiben – oft ist es genau so. Aber es gibt Ausnahmen – die wahrscheinlich beste davon ist Thelma & Louise aus dem Jahr 1991 von Ridley Scott. Eigentlich ein Kultfilm, verzichtet die Story auf die üblichen verzweifelten bis harten Männer und erzählt, wie es kam, dass zwei unterschiedliche Frauen durch Amerika hetzen, um der Polizei zu entkommen. Die beiden sind durchaus keine Kriminellen, sie wollen einfach eine Auszeit von ihren Beziehungen und ein oder zwei Tage in einer Berghütte verbringen.
Thelma ist eine angepasste junge Ehefrau, die sich nicht einmal traut, um die Erlaubnis zu dem kleinen Trip zu fragen. Als ihr bornierter Gatte sich an diesem Morgen noch schlimmer aufführt als gewöhnlich, klebt sie ihm einen Zettel an die Mikrowelle und geht ohne seinen Segen. Sie packt so ziemlich alles ein, was man zu einer Transatlantikfahrt bräuchte – wirft sogar mit spitzen Fingern ihren Revolver in die Tasche. Sie mag das Ding nicht, aber ihr Mann hat ihn ihr geschenkt, zum Schutz, wenn er außer Haus ist.
Louise ist Kellnerin und hat einiges an unbearbeiteten Problemen, ist aber unternehmungslustig und hatte die Idee zu der Fahrt. Thelma hat irgendwann Lust auf einen Zwischenstopp – ab da wird die leichte Komödie zu einem wirklichen Roadmovie. In dem Schuppen, in dem sie landen, gibt es Tanz – ein schmieriger Angestellter baggert die Frauen auf eine ziemlich üble Weise an – was Thelma nicht wirklich stört, sie genießt es, der Kontrolle vorübergehend entgehen zu können. Als ihr schlecht wird, begleitet sie der Mann nach draußen und startet einen Vergewaltigungsversuch, bei dem er sehr brutal vorgeht. Louise kommt dazu – bedroht ihn mit Thelmas Waffe und erschießt ihn in einer Kurzschlussreaktion. Damit sind die Würfel gefallen – die beiden Frauen sind auf der Flucht.
Von vornherein wird angenommen, dass niemand ihnen glauben würde. "Der ganze Laden hat gesehen, wie ich mit ihm getanzt habe. Sie werden sagen, ich hätte es provoziert", sagt Thelma. Louise bittet per Telefon ihren Freund, ihr Geld zu schicken – sie will nach Mexiko flüchten. Doch die Barschaft wird geklaut – von einem ziemlich abgebrühten Anhalter, der Thelma die Nacht ihres Lebens beschert. Bevor er abhaut, erzählt er genau, wie er Geschäfte und Tankstellen überfällt – und Thelma lernt schnell. Sie fühlt sich schuldig am Verlust des Geldes, das für Louise ein neues Leben hätte bedeuten können, und macht es wieder gut, indem sie es auf diese Weise ersetzt.
Mittlerweile ist ihnen das FBI auf den Fersen – der ermittelnde Polizist hat eine ungefähre Vorstellung, wie das alles passierte – er möchte die Frauen schützen, scheitert aber am Gesetz. Er weiß, dass eine üble Verkettung noch üblerer Umstände zu dem geführt hat, was geschehen ist. Zudem hat er erfahren, dass Louise vor Jahren Opfer einer Vergewaltigung gewesen ist und deshalb so auf den Kellner reagiert hat. Was genau geschehen ist, verschweigt der Film – Louise weigert sich, darüber ein Wort zu verlieren. Aber die beiden Frauen geraten in immer schlimmere Dinge hinein, sie werden als gefährliche Desperados gehandelt mittlerweile. Als man sie stellt – das sieht so aus, dass ein gutes Dutzend Polizeiwagen und ein Hubschrauber sie an den Rand eines Canyons getrieben haben – fassen sie sich an der Hand und Louise gibt Gas. Sie wollen sich nicht "kriegen" lassen.
Warum dieser Film so erfolgreich war, liegt vielleicht daran, dass es um Frauen geht. Um ziemlich normale, gesetzestreue Frauen, die nichts weiter wollten als ein wenig Ablenkung vom harten Alltag. Wer Schuld am rasanten Todesrennen ist, bleibt ungeklärt – das muss jeder Zuschauer für sich klären. Es gibt viele Momente im Film, wo eine Schuldzuweisung möglich wäre – aber letztendlich kann man unter "dumm gelaufen" buchen.
Für die weiblichen Zuschauer war dieser Streifen eine Offenbarung – es ging hier um sie. Und es ging vor allem um Freundschaft, um eine Frauenfreundschaft, die keines der üblichen Klischees bediente. Kein Konkurrenzverhalten, kein Zickenkrieg, keine Stutenbissigkeit – nur Freundschaft. Etwas Zoff ... klar, die beiden hatten ihre lauten Momente. Aber am Ende, da waren sie sich einig – so einig, dass sie zusammen die Bühne verließen. Die Macher des Films haben sich das nicht einfach ausgedacht – Frauenfreundschaften sind vor allem eines: völlig anders als ihr Ruf. Meist jedenfalls. Bedienen sie die Klischees, dann sind es keine Freundschaften. Und um die geht es in dem Film überhaupt.
© "Das Roadmovie Thelma und Louise": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013.
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