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Ich liebe Monsterfilme. Also solche Streifen, in denen ein aus der Fasson geratenes Tier oder eine andere Kreatur – eine Mutation vielleicht – außer Rand und Band gerät und so richtig einen draufmacht. Und ich finde sie traurig, denn irgendwie hat man am Schluss immer Mitleid mit dem Monster. Das scheint unumgänglich.
Die King-Kong-Filme sind da sicher das beste Beispiel. Der erste abendfüllende Film von 1933 mit Scream-Queen Fay Wray und dem Riesenaffen, der nach New York City verschleppt wird, ist aufregend und immer wieder schön anzusehen. Der Affe verliebt sich in die blonde Hauptdarstellerin, die Mitleid mit ihm hat. Und dann stirbt Kong. Bevor es dazu kommt, sterben viele Menschen – und die Versicherungen haben einiges zu tun. Denn der außer Rand und Band geratene Affe zerstört einiges an Sachwerten auf der Suche nach seiner kleinen Blonden.
Liebesgeschichten und Tränen
Die zweite große Verfilmung mit Jessica Lange (1976) zeigte die ganze Geschichte schon etwas hintergründiger. Und das Mitleid mit King Kong war größer. Als Peter Jackson 2005 dann den Stoff aufgriff, war es praktisch eine Liebesgeschichte. Das riesige Affenmännchen zeigte Empathie und Weisheit, als er seiner Gefangenen die Schönheit des Sonnenunterganges im Dschungel zeigte. Und im Kino wurden Taschentücher gezückt. Sehr viele Taschentücher. Und keiner schniefte vor Glück, weil der böse Gorilla endlich tot war. Man war auf die Menschen wütend, die eigentlich schuld an der ganzen Tragödie waren.
Wer Schuld hatte am Tod der Bestie der schwarzen Lagune (Deutscher Titel: Der Schrecken vom Amazonas) ist nicht wirklich nachvollziehbar. Aber der Film von 1954 war ein Kassenknüller. Ein amphibisches Wesen verlor sein Herz an eine menschliche Frau, und das besiegelte seinen Untergang. Egal, was für böse Dinge das Wesen getan hatte, am Schluss starb es seiner Liebe wegen. Und auch da wurde schon im Kino geweint.
Man gruselt sich, man ist angenehm geängstigt, wenn das betreffende Monster nach Menschen grapscht und fürchterliche Schreie ertönen. Und am Schluss, da tut es einem ganz furchtbar leid.
Godzilla
Ein anderes Monster, eine Riesenechse, treibt schon sehr lange ihr Unwesen auf den Kinoleinwänden: Godzilla. Die frühen Godzilla-Filme sind für unsere Augen heute eher unfreiwillig komisch. Männer steckten in Kostümen – was manchmal auch sehr deutlich zu sehen war – und machten Modellstädte kaputt. Manchmal war Godzilla auch hilfreich und schützte die Menschheit vor noch böseren Monstern.
Da Godzilla ein Reptil ist, sollte sich das Mitleid in Grenzen halten – kuschelig oder auch nur annähernd putzig ist nichts an dem Echsengiganten. Der Film von Roland Emmerich aus dem Jahr 1998 zeigt das sehr deutlich. Dieses Urviech, das seine Entstehung einiger Atombombentests verdankt, zerlegt Teile New Yorks mühelos und geht dabei über Leichen. Allerdings war das nicht sein Ziel, es sind sozusagen Kollateralschäden.
Der Gigant will eigentlich nur seine Eier ablegen. Und dazu braucht er einen geschützten Platz. Mürrisch wird er erst so richtig, als ihm das Militär auf den schuppigen Leib rückt. Und trotzdem ist man traurig, als Godzilla dann doch stirbt. Vorher ließ Emmerich die Echse noch an den toten, kurz vorher geschlüpften Babys schnüffeln und sie anstupsen. Und das war dann der emotionale Overkill.
Als der überdimensionale Tyrannosaurus Rex dann die Menschen verfolgte, die nach seiner Meinung die Jungen getötet hatten, verstand man das durchaus. Und ich habe den Verdacht, dass wirklich jeder aufatmete, als man am Schluss des Filmes sah, dass ein Saurier-Ei übersehen worden war.
Verzweifelte Geschöpfe
Warum stehen wir fast alle letztendlich auf der Seite der Monster? Es hat vielleicht ein wenig damit zu tun, dass die meisten davon erst durch die Menschen zu dem geworden sind, was sie sind. Man denke da an das Monster, das von Frankenstein geschaffen wurde. Das Geschöpf tut einem leid, weil es eigentlich nur angenommen werden will. Erst einmal ist es nicht böse. Und wenn es das später wird, dann aus Verzweiflung.
Zwar ist klar, dass niemand in Frieden mit einer dreißig Meter hohen Echse leben kann, oder dass die Nachbarschaft einen Riesenaffen akzeptiert. Somit ist der Tod des Monsters wohl unumgänglich. Aber doch tut es uns leid.
Das entfesselte Monster spricht etwas in uns an. Es zeigt etwas, das wir kennen und das wir nicht mögen, aber in den besten Fällen als gegeben annehmen. Wenn Godzilla so richtig tobt, dann haben wir Spaß an der Zerstörung. Mitleid mit den bedauernswerten Piloten der Kampfjets will nicht so recht aufkommen.
Während der Film läuft, lassen wir etwas von der Kette. Und wenn wir den Karabiner wieder einhaken müssen, tut uns das leid. Das Monster – sprich: die wilde und unterdrückte Kraft in uns – stirbt wieder. Und das ist auch ganz gut so. Im besten Fall tobt sie nämlich nur beim Film ansehen mit.
Aber spannend war es zwischen Filmanfang und Filmende auf jeden Fall.
© "Godzilla Reloaded: Das entfesselte Monster": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2015. Bildnachweis: Gorilla, CC0 (Public Domain Lizenz).
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