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Die Gemeinde Sankt Englmar im Naturpark Bayerischer Wald kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Hier ist noch unverfälschtes bayerisches Brauchtum lebendig und die Vergangenheit ist neben der Moderne immer gegenwärtig. Der Luftkurort Sankt Englmar – sowie die umliegenden Gemeinden Haibach, Mitterfels, Neukirchen, Rattenberg und Schwarzach – bietet für Touristen geradezu ein ideales Erholungsgebiet.
Der schöne Name Sankt Englmar wird auf den frommen Eremiten Engelmarus zurückgeführt, der nach der Überlieferung hier im Jahre 1100 von seinem eigenen Diener ermordet wurde. Es heißt in der Legende, dass der heilige Mann um die Absicht des Dieners wusste und an seinem Todestag jenen darum bat, ihn sein Gebet verrichten zu lassen. Der Getötete wurde 1188 heilig gesprochen, eine Pfarrei wurde errichtet, und Sankt Englmar wurde zum Wallfahrtsort.
Noch heute erinnert der Brauch des "Englmari-Suchens" an den Heiligen, ein kirchliches Fest mit Umzügen, Gesängen und einer Bergmesse mit Tiersegnung, die am Kapellenberg gefeiert wird. Der jährliche Festtag, an dem die hölzerne Statue Englmars "gesucht" wird, findet an beiden Pfingsttagen statt. Das so genannte Suchen ist ein Nachvollziehen der Auffindung des ermordeten Einsiedlers.
Die wunderschöne Pfarrkirche Sankt Englmar beherbergt auf dem Hochaltar, der aus dem siebzehnten Jahrhundert stammt, den gläsernen Reliquienschrein des Heiligen. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Kapelle Sankt Leonhard, die im Jahre 1480 geweiht wurde. Noch heute zeigen in der Kapelle befindliche Votivtafeln, dass dem Ort eine große Bedeutung als Wallfahrtsort zugemessen wurde.
Im anerkannten Luftkurort Sankt Englmar wird Tradition großgeschrieben, so sind um die Weihnachtszeit noch die sagenhaften Rauhnachtsbräuche lebendig. Die so genannten "Rauhnächte", etwa zwischen Weihnachten und dem Fest der Hl. Drei Könige, wurden seit alters her als besondere Tage betrachtet. In dieser Zeit dachte man sich die Winternächte von jenseitigen Wesen bevölkert, die allerhand Schabernack trieben und den Menschen gefährlich werden konnten.
Mit bestimmten Ritualen suchte man sich zu schützen und die sonderbaren Gesellen zu vertreiben und auf Abstand zu halten. Im Lauf der Zeit wurden aus den Geistern und Kobolden richtige Persönlichkeiten mit interessanten Namen wie "Hoberngoas" oder "Bluadiger Dammerl". Heute ist ein Rauhnachtsfest eine Gaudi mit Umzug in Kostümen, welche die namhaftesten Quälgeister und Hexen jeder Art darstellen sollen, zünftiger Rauhnachtsmusik am großen Lagerfeuer und natürlich regionalen Spezialitäten.
Ein weiterer alter Brauch in Bayern ist der so genannte Schäfflertanz. Diese besondere Art des Tanzens wurde zuerst nur in München gepflegt, verbreitete sich aber dann auch im Umland, vor allem aber im altbayerischen Land und ist somit auch in der Region Sankt Englmar Tradition. Die nach der Musik festgelegten Tanzfiguren stammen aus uralter Zeit und haben sich bis heute erhalten.
Es heißt, dass der Schäfflertanz zu Zeiten der großen Pestepidemien im Mittelalter aufkam, um die Bevölkerung zu erheitern und Hoffnung aufkommen zu lassen. Streng reglementiert war, wer mittanzen durfte. Nur unverheiratete Gesellen des Schäfflerhandwerks, also Küfer bzw. Fassbauer, die einen einwandfreien Ruf hatten, waren zugelassen. Später wurden die Regeln gelockert, da es an Teilnehmern mangelte und man die Tradition nicht aussterben lassen wollte.
Seit 1896 wird der Tanz auch im benachbarten Schwarzach regelmäßig alle sieben Jahre aufgeführt – dieser Rhythmus gehört zum Brauch dazu, obwohl nicht geklärt ist, wieso es den Sieben-Jahre-Turnus gibt. Möglicherweise hat er mit dem epidemischen Auftreten der Pest zu tun oder auch der Erlaubnis Herzog Wilhelms, eben alle sieben Jahre den Tanz aufzuführen.
In Schwarzach gibt es für Interessierte ein Museum der besonderen Art, denn Autofans können eine Reise durch einen Teil der Kraftfahrzeuggeschichte machen. Im Schwarzacher Automobilmuseum können zahlreiche Oldtimer besichtigt werden, der Zeitraum umfasst die Jahre 1928 bis 1984. Eine ganz besondere Veranstaltung ist für Pflanzenfreunde das Festival "Garten und Kultur" auf der Burg Mitterfels, das alle zwei Jahre stattfindet. Hier dreht sich alles um den Garten, um Kunsthandwerk und natürlich um die Pflanzen, von denen es auch originelle und seltene Vertreter zu bestaunen gibt.
Die Burg Mitterfels, die Eigentum des gleichnamigen Marktes ist, zeigt sich als sehr beeindruckende Anlage, die schon nach 1194 Erwähnung findet und auch Schauplatz einer düsteren Sage ist, die von einem Todesurteil gegen eine unschuldige Frau handelt. Die Feste ist eine der vom Grafen Bogen errichteten Schutzburgen, welche die Region schützen sollten. Das Geschlecht derer von Bogen, eines Sprosses der Babenberger, stellte eine der mächtigsten Adelsfamilien in Bayern und verstand sich seit jeher als eng mit der Kirche verbunden.
Auf der Burg finden neben dem Garten-Festival auch die "Mittelaltertage" statt, ein Spectaculum, das in eine andere Zeit versetzt und ein besonderes Erlebnis für Jung und Alt ist. Burg und Ort liegen auf einem Hochplateau, eine geografische Besonderheit, deretwegen Mitterfels gerne "Bayerisches Jerusalem" genannt wird. Eine weitere Gründung der Bogener Grafen, in diesem Falle von Friedrich von Bogen, seines Zeichens Domvogt zu Regensburg, im Jahre 1100 ist das nahe gelegene Benediktiner-Kloster Oberalteich. Die den Aposteln Peter und Paul geweihte Abtei wurde im Jahre 1803 aufgelöst.
Der besondere kleeblattförmige Chorbereich der Barockkirche Sankt Georg im Ort Mitterfels ist besonders sehenswert. Der Bau der katholischen Kirche datiert auf das Jahr 1733. Sakrale Bauten gehören untrennbar zur christlichen Tradition und Kultur Bayerns und die schönen Beispiele in der Region Sankt Englmar spiegeln dies hervorragend und eindringlich wieder. So verfügt die Pfarrkirche Sankt Laurentius in Haibach über eine sehr schöne spätgotische Madonna mit Kind aus dem 15. Jahrhundert. Chorunterbau und Turm der Kirche sind gotisch, das Langhaus barock.
Im Süden des wunderschön gelegenen Ortes Haibach, auf dem Hofberg, erhebt sicht die Ruine der Burg Haibach. Die Anlage war einstmals die Hauptburg des Rittergeschlechtes der Haibecken, das über 300 Jahre lang die Stellung hielt bzw. hier residierte, was sich im Ortsnamen Haibach bis heute widerspiegelt. Der wiederhergestellte Burgstall wird heute als Ausstellungsstätte für Gerätschaften und Dinge des bäuerlichen Lebens genutzt.
Die noch immer sehr lebendige Vergangenheit der Region lebt in Sitte und Brauchtum noch heute und wird in verschiedenen Festen und Spielen gewürdigt – so werden in einem romantischen Steinbruch bei Neukirchen in jedem Sommer Freilichtspiele aufgeführt, die in der Zeit unserer Vorfahren spielen.
Wie fast alle Orte der Region ist auch Neukirchen, das "Tor zum Bayerischen Wald", ein anerkannter Erholungsort und an die zahlreichen Wander- und Radstrecken angeschlossen, die diese Region in wunderschöner Weise für die Liebhaber der Natur erschließen. Die zum Teil herrlich urwüchsige und auch wieder sanfte und idyllische Landschaft der Region lässt ein eigenes Lebensgefühl aufkommen, und verbunden mit der geradezu fühlbaren Geschichts- und Traditionsverbundenheit ist dieser "Teil der Welt" wirklich besonders.
Im Ort Rattenberg, urkundlich erstmals anno 1104 in einer Schenkungsurkunde erwähnt, die sich auf einen Hof bezieht, wird hier im Rahmen eines Festes die alte Handwerkstradition vorgeführt und gepflegt. Das Sommer- und Museumsfest findet jährlich im August statt. Handfeste und deftige Stücke zeigt die bekannte "Waldlerbühne Rattendorf": Humoriges in bester Bauerntheatertradition.
Oberhalb des Ortsteiles Neurandsberg liegt die Wallfahrtskirche "Zu unserer lieben Frau". In der anno 1700 fertiggestellten Kapelle befindet sich eine sitzende Madonna mit Kind, die auf das Jahr 1460 datiert ist. Eine wechselvolle Vergangenheit hat die Feste Burg Neurandsberg. Heute eine Ruine, wurde die Burg um das Jahr 1330 von Friedrich Ramsperger erbaut, einem Mitglied des Hauses Rampsberg. Die Herren der Burg hatten im 15. Jahrhundert Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, die zu einem Konflikt ausarteten, welcher letztendlich zu einer Eroberung der Burg im Auftrage Herzog Albrechts III. führte. Danach stellten wechselnde Besitzer die Burgherren, bis sie vor ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg als Gefängnis diente.
Es finden sich in der Region Sankt Englmar viele interessante Zeugen der Vergangenheit, ebenso wie unvergesslich schöne Blicke auf die Natur des Bayerischen Waldes. Es ist kein Wunder, dass viele Menschen die Ruhe und Naturschönheit dieses Landes suchen, um außerhalb des hektischen Alltags Erholung zu finden.
© "Sankt Englmar im Bayerischen Wald: Geschichte und Kultur": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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