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Es ist ja nicht so, dass wir in unserer Zeit von direkten Vorbildern oder auch lebendigen Beispielen ebenso abhängig wären, wie das früher der Fall war. Die moderne und herrliche Medienwelt strotzt nur so von brauchbaren Modellen für das Selbst, und die riesige Kiste mit den interessanten Angeboten wird gerne durchwühlt, um sich etwas Geeignetes davon zu eigen zu machen. Schließlich weiß kaum noch einer, was er essen oder wie er sich stylen soll, ohne die Vorgaben der Medien. Nur, und da fängt es an, sonderbar zu werden, kaum einer nutzt wirklich das ganze Angebot.
Diese vermeintlichen Diktate werden nämlich als Teile eines Baukastensystems gesehen, die man individuell miteinander verbinden kann. Andere Teile des Pakets fallen auf die Seite, auf der die Leute scheinbar blind sind. So wird ein cooler Typ bewundert, der sonderbare Texte sprechsingt, was dazu führt, dass man das gleiche Shirt trägt. Der Waschbrettbauch des Kerls wird scheinbar nicht wahrgenommen, denn das würde so etwas wie Training bedeuten. Also spannt die Baumwolle über dem Bauchfett, was einem dem Idol nicht mal fünfzigprozentig näher bringt.
Das gleiche gilt für die Fans von weiblichen Stars. Begeistert wird ein vergleichbar optisches Erscheinungsbild angestrebt, nur mit dem Verhalten hapert es da. Das kann ein Glück sein, ist es aber meist nicht. Es reicht, wenn man so aussieht.
Der eingebaute Bequemlichkeitsfilter arbeitet sehr effizient, was man auch bei den Filmfans beobachten kann. Nehmen wir zum Beispiel den Filmhit "Avatar". Dieser spielte gigantische Summen ein, nicht zuletzt, weil er mit unglaublicher Technik aufwarten konnte. Von dem abgesehen, war die Geschichte zwar nicht neu, aber dafür gediegen. Es ging, wie in vielen Filmen, um das Beschützen von sehr andersartigen, aber netten Leuten, denen irgendwer an den Kragen will und deswegen in rüder Weise den Lebensraum der Betroffenen zerstört. Dabei stellt sich heraus, dass der Planet ein lebendiges System ist, dessen verschiedene Arten ständig miteinander in Kontakt stehen. Im Prinzip nicht anders als auf der guten alten Erde, nur eben spektakulärer, weil sich die Bewohner dessen stark bewusst sind und ihr Leben darauf ausgerichtet ist.
So weit, so gut. Einige der bösen Jungs laufen über, stellen sich schützend vor die Eingeborenen und helfen ihnen, die fiesen Eindringlinge zu vertreiben. Ein zwar nicht neuer, aber sehr eingängiger Plot, der eigentlich bei den Zuschauern etwas bewirken könnte. Tut er auch, allerdings nur im technischen Bereich. Alle sind begeistert, kaufen 3D-Brillen und sind hin und weg von den atemberaubenden Actionszenen, die der Film bietet. Sobald der Nachspann läuft, verblasst die eigentliche Botschaft der Geschichte (die Sache mit dem Ökosystem und der Toleranz gegenüber dem Ungewohnten), und draußen vor dem Kino werden schon wieder die ersten Getränkedosen in die Büsche geworfen und Migrantenwitze erzählt. Wahrscheinlich ist man übergroßen, blauen Leuten mit spitzen Ohren gegenüber weitaus weniger unvoreingenommen als dem türkischstämmigen Nachbarn.
Was da schiefläuft, ist nicht wirklich erklärbar – wahrscheinlich wird eben doch zwischen Realität und Kintopp unterschieden. Umweltschutz und Toleranz ist gut für tolle Filme, so wie Herr der Ringe oder Avatar – für das Leben draußen taugt das nicht. Oder glauben die Fans vielleicht, diese Begriffe gehören nun mal zur Fantasy – so wie Lichtschwerter oder Orkhäuptlinge? Und "in echt" gibt es so etwas nicht wirklich? Wäre schade, denn unsere Umwelt gibt es tatsächlich völlig real und in 3D – sogar mit Geruch und allem was dazugehört. Noch, jedenfalls.
© Textbeitrag "Botschaften die ins Leere gehen": Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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