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(Juli 2013) Niedersachsen hat den Hundeführerschein eingeführt – was bedeutet, dass jeder, der einen Hund haben möchte, seine Eignung unter Beweis stellen muss – wie beim Autofahren auch. Es gibt einen Fragenkatalog, und man sollte da seine Hausaufgaben gemacht haben.
Viele Menschen begrüßen diese Regelung, die im Übrigen auch das Chippen der Hunde einschließt. Alles gut und schön – da ist nun "Ordnung drin" und Ärger mit Hunden oder Hundehaltern wird es nicht mehr geben, sollte man meinen.
Durchdenkt man diese neue Regelung, hält sie allerdings praxisbezogenen Einwänden nicht stand. Schließlich gibt es Millionen von Menschen, die einen Kfz-Führerschein haben – also ihre Eignung, ein Fahrzeug zu steuern unter Beweis gestellt haben, wie jeder weiß. Trotzdem erwartet niemand, dass es dadurch weniger Unfälle gibt oder weniger Autos für Straftaten missbraucht werden. Jeder Hundehalter kann die Fragen des theoretischen Tests beantworten – und sein Tier dann trotzdem misshandeln oder hungern lassen, es auf Menschen hetzen oder billigend in Kauf nehmen, dass jemand durch das Tier verletzt wird.
Die Fragen sind zum Teil völlig irrelevant, bei einigen sind mehrere Antworten möglich, soll heißen: nicht falsch. Tatsächlich gibt es eine Testfrage, bei der die so genannte richtige Antwort ziemlicher Unsinn ist. Wozu also das Ganze? Der Gedanke liegt nahe, dass es hier – wie so oft bei solchen neuen Korsettagen für die Bürger – um Einnahmen geht.
Wem der Gedanke gefällt, dass ein Rentner sich seine Einsamkeit mit einem kleinen Hund erträglich machen möchte und allein daran scheitert, dass er die hohen Kosten nicht so einfach aufbringen kann – also zusätzlich zu Tierarzt, Futter, Steuern, Zubehör – der hat immer noch nicht verstanden, wie wichtig Tiere für uns Menschen sind. Und dass es ein Grundrecht ist, sich die Freundschaften, die man pflegen will, selber auszusuchen. Ohne dass man ungebührlich dafür zahlen muss.
Wie unsäglich notwendig der Kontakt mit Tieren in unserer vermauerten, technisierten, eindrucksüberströmten Welt ist, kann gar nicht abgeschätzt werden. Die Urbanisierung, ebenso wie die mit atemberaubender Geschwindigkeit fortschreitende Technologie fordern von uns – die wir, entwicklungsgeschichtlich gesehen, gestern noch nach Wurzeln gruben – eine ungeheure Leistungsfähigkeit ab. Unser Zeitmanagement, dem keiner entkommt – auch Kinder und Senioren nicht – hält uns in einem steten Druck. Die sich langsam wandelnden sozialen Strukturen gehen an unseren elementarsten Bedürfnissen vorbei. Der eigentliche Mensch, mit Empathie begabt und der Fähigkeit zum Miteinander, findet im Zusammenleben mit den domestizierten Haustieren so etwas wie einen Halt, der ihm in seiner immer schneller rotierenden Gesellschafts- und Lebensmaschinerie den Kanal zu den Ursprüngen offen hält. Mit Ursprüngen meine ich die Zeit vor dem Sündenfall der Ausgrenzung und des Vorurteils.
Natürlich ist es wenig sinnvoll, wenn jemand, der absolut keine Ahnung von Hunden hat, sich als ersten Haushund eine Tibetdogge zulegt. Das ist weder für ihn noch andere Menschen ungefährlich. Sehr oft vorkommen wird das wohl nicht, und man sollte mehr auf Aufklärung setzen, als auf rigide Verordnungen. Wenn Kinder, Alte, Kranke, Behinderte und überhaupt wir Zivilisationskranken unseres Trostes, unserer Freude beraubt werden ... dann ist da etwas falsch gelaufen.
Zwar werden Unsummen durch Haustierhaltung verdient – die Futtermittel- und Zubehörbranche ist da ein Beispiel. Hundesteuer und Strafgelder für Vergehen bringen Geld – und Veterinäre, Tierkliniken und Tierpensionen gehören auch dazu. Und trotzdem wird die Haltung eines Hundes dermaßen erschwert, dass viele bedauernd Abstand nehmen werden. Das wiederum werden die Tierheime unangenehm zu spüren bekommen ... und letztendlich die Tiere selber.
Jeder Hund ist anders, zusätzlich zu den durch Züchtung manifestierten Mustern. Jeder Hundehalter ist anders – es wäre schade, wirklich schade, wenn die Besten von ihnen keinen Hund haben können wegen der neuen Kosten. Es ist natürlich von Vorteil, wenn ein Hund gechipt ist – der Halter kann festgestellt werden. Aber ein Hundeführerschein ist ... völlig nutzlos. Jeder kann diese Fragen beantworten, auch diejenigen, die völlig anders darüber denken. Und von einem Hundefreund zu verlangen, dass er Kynologe ist, wäre wohl zu viel verlangt. Um einen Hund gut zu halten, braucht es das nicht.
Aufklärung wäre eine Möglichkeit, das Leben mit Haustieren für alle Seiten angenehm zu machen. Menschen, die davon nichts wissen wollen, werden mit Sicherheit auch von diesen Reglements nicht daran gehindert, Tiere schlecht zu halten. Also ist der Effekt wahrscheinlich eher niedrig.
© Textbeitrag und Foto zu "Hundeführerschein aller Klassen": Winfried Brumma (Pressenet), 2013.
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