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Nachdem, was wir über die Geschichte der Menschheit wissen, gab es schon in frühester Zeit einen Austausch. Das immer wieder beschworene "Älteste Gewerbe der Welt" war der Handel, in den Anfängen natürlich der Tauschhandel. Als die ersten Pfeilspitzen aus Feuerstein gegen ein schön bearbeitetes Fell getauscht wurden, war der Austausch von Gütern etwas, das auf der ganzen bewohnten Erde auch den Austausch von Wissen und Nachrichten förderte.
Der Weg zu den ersten Kauffahrtschiffen war lang, aber irgendwann befuhren phönizische Schiffe die Küsten und sogar auch das offene Meer. Diesem Volk lag vor allem am Handel – und der Erfolg gab ihm recht. Wo nun aber Waren und Güter umgeschlagen werden, muss gezählt werden. Und das, was gezählt wird, muss auch festgehalten werden. Es ist wahrscheinlich, dass man schon in den Anfängen der Menschheit Male in Stein oder Holz ritzte oder mit einem Stück Kohle auf eine Rinde malte, um etwas festzuhalten. Striche oder Punkte könnten das gewesen sein – kleine Gedächtnisstützen, die längst nicht so haltbar waren wie die prachtvollen Malereien, die wir aus dieser Zeit kennen.
Die antiken, organisierten Völker hatten da wohl sehr viel mehr festzuhalten als die Clans, die sich um ein zentrales Feuer versammelten. Und so wurde es "Schrift". Plötzlich konnte man sich Mitteilungen machen, obwohl man sich gar nicht sah – es war möglich, genaue Warenbestände festzuhalten und Listen zu fertigen.
Das Schreiben hatte aber auch einen anderen Hintergrund, denn ein Buchstabe – also ein Zeichen – zeigte zuallererst einmal ein Bild. Dieses Bild bedeutete in den Anfängen genau das, was es zeigte: einen Baum vielleicht, oder ein Haus. Oder einen Stierkopf mit Hörnern. Diesem Bild konnte ein Laut- oder auch Silbenwert zugerechnet werden. So konnte man dann mehrere Bildchen aneinanderreihen, welche dann Worte ergaben, die nichts mehr mit dem zu tun hatten, was gezeigt wurde.
Bleiben wir eine Weile bei diesem Stierkopf. "Aleph" oder "Alif" bedeutet "Stier" – so oder minimal abgewandelt war das der Name für dieses Tier bei vielen antiken Völkern, so wie bei den Phöniziern. Der Stierkopf wurde nun zum Zeichen für den Laut "A", und damit fangen viele Worte an – auch wenn sie mit diesem Tier nichts zu tun haben. Der Stier bringt den Fortschritt.
Das Alpha der Griechen ist nichts anderes, wenn sich auch mit der Zeit die Darstellung änderte. Diese drehte sich – und plötzlich waren die Hörner unten. So wie wir das von unserem eigenen Alphabet kennen, denn auch dieses wird vom Stier der Phönizier angeführt.
Die Hebräer nutzten ebenfalls diese Schreibweise, in abgewandelter Form. Allerdings hat bei ihnen jeder Buchstabe auch einen Zahlenwert. Dem Aleph wird die 1 zugeordnet. Nach dem Lautwert und dem Zahlenwert stellt jedes einzelne Zeichen auch eine Idee dar, beziehungsweise einen Baustein der Schöpfung. Die hebräische Geheimlehre, die Kabbala, begründet sich auf diese Zahlen. Mit ihnen wird die Welt, die Schöpfung und das Leben erkennbar für die Eingeweihten.
Das Alpha und das Omega, das Aleph und das Taw, das A und das O – zwischen diesen beiden Buchstaben liegt die ganze Welt eingebettet. Alles kann damit erklärt werden – alles beschrieben und jedes Neue sichtbar gemacht werden. Auch ohne Kenntnis der Kabbala ist klar, dass es nichts gibt, das nicht mit der Herde des Stieres sichtbar gemacht werden könnte.
Die erste Karte des Tarot, der Magier, wird gerne mit dem Aleph gleichgesetzt. Das Bild ist klar – hier ist der Anfang, hier beginnt alles. Jeder Weg führt von hier fort, jede Reise beginnt hier.
Wenn wir, ohne darüber nachzudenken, eine Notiz auf einen Zettel kritzeln, etwa während wir telefonieren, gehen wir mit einem sehr machtvollen und vor allem sehr alten Medium um. Den Alten war die Schrift möglicherweise eine Art von Magie – denn sie besaß die Kraft, Gedanken zu fixieren und sichtbar zu machen. Die Kelten nutzten ihre Schrift nicht für profane Zwecke – wohl aus diesem Grund.
Etwas, mit dem wir täglich umgehen, erweist sich als Abenteuer – gehen wir auf Entdeckungsreise. Ohne die Erfindung der Schrift wäre es mit unserem Fortschritt wohl kaum so bestellt – und tatsächlich hat der Stier mit gesenktem Kopf den Weg freigemacht.
© Textbeitrag "Aleph: Der Stier bringt den Fortschritt": Winfried Brumma (Pressenet), 2014. Bild oben: Griechische Schrift; Bild unten: Aleph: Stierkopf im phönizischen Alphabet; beide CC0 (Public Domain Lizenz).
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