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"Programmieren Sie sich auf Erfolg!" Sollte man seit Jahren – oder eigentlich schon immer – keinen haben, klingt dieser Satz eigentlich interessant. Vielleicht, könnte man denken, müssen nur einige Feineinstellungen beim eigenen Erfolgsbewusstsein vorgenommen und vielleicht das persönliche Programm leicht umgeschrieben werden – dann läuft es richtig gut.
Irgendwas müssen die anderen ja richtig machen, und man selber falsch. Oder woran sollte es sonst liegen, dass die Leute auf den Bildern immer vor so tollen Autos und prachtvollen Häusern posieren können? Also macht man sich schlau und erfährt so einiges über die Fehler, die man bislang gemacht hat.
Das fängt bei der Sprache an, die da beim Umstrukturieren zum erfolgreichen Menschen eminent wichtig ist. So macht zum Beispiel nur ein unbedarfter Verlierer den Fehler, negativ belegte Worte in den Mund zu nehmen oder über die Tastatur zu lassen. Es gibt auf dem Weg zu Reichtum und Erfolg nichts Negatives. Merke: Es gibt keine Konkurrenten, es gibt nur erfolglose Mitbewerber. Schön zu wissen. Das hat man wohl die ganze Zeit überbewertet.
Was lernt man weiter? Aha, es gibt also keine Probleme, nur Herausforderungen. Eine recht gute Nachricht, auch wenn man nicht Reinhold Messner heißt. Da für viele schon das morgendliche Aufstehen und den erfolglosen Tag hinter sich bringen eine große Herausforderung ist, die gemeistert wird, kann diese Sicht der Dinge endlich dazu führen, dass man den problembeladenen Alltag hinter sich lässt, um in die Reihen der Terminatoren aufgenommen zu werden.
Natürlich ist man nicht unbedingt richtig wild auf ständige Herausforderungen, denn die stellen sich bei einem Durchschnittsbürger mit geringem Einkommen ja in mehr oder weniger exaktem Dreißigminutentakt – aber vor den Erfolg ist ja der Kampfgeist gesetzt.
Nachdem man nun weiß, dass man der geborene Sieger ist (wenn man sich das pausenlos verinnerlicht), muss man anfangen, an der Motivation zu arbeiten. Hochmotivierte Menschen sind erfolgreicher, das steht fest. Und hilfreiche Tipps gibt es vom Erfolgsguru auch gleich dazu. Man nehme zum Beispiel einen Geldschein, den Höchsten, den man gerade zur Verfügung hat, und pinne ihn an den Badezimmerspiegel gleich neben das Foto vom Traumauto und schräg über die Ablichtung vom Traumhaus (dann vergesse man den Schein, um nicht Gefahr zu laufen, ihn kurz vor Monatsende wieder an sich zu nehmen, um die Tütensuppen aus dem Sonderangebot zu erstehen).
Die Ansicht des Oberstklassenautos und dem Haus mit dreißig Zimmern ist nämlich eine unverzichtbare Stütze auf dem Weg zum Erfolg. Man sieht es täglich schon beim ersten Badbesuch und weiß – sollte man es über Nacht vergessen haben – was man erreichen will. Und den Gedanken, dass das unerreichbar ist, muss man nebenbei wegschalten – sowas denken nur Verlierer. Erinnert zwar fatal an die Freundin, die diese Bikinifotos von Magermodels an die Kühlschranktür geheftet hat, um an ihre Traumfigur erinnert zu werden (und zwar rechtzeitig vor dem Öffnen der Türe) und die immer noch ihr Übergewicht mit sich herumschleppt. Na ja, die Fotos sind auch schon reichlich verblasst, das vermindert sicher die Wirkung. Wir verlassen uns lieber auf den Guru.
Und wenn es dann immer noch nicht klappt, dann sind wir vermutlich noch nicht motiviert genug. Um die letzten Reste von Verliererdenken zu eliminieren, gibt es weitere moderate Tipps. Man stelle sich vor den Spiegel und sage dem unglücklichen Menschen, der einem entgegensieht, Dinge wie: "Du schaffst alles, was du willst! Du bist erfolgreich! Niemand wird dich aufhalten! Die Welt gehört dir!" Es wird empfohlen, diese Übung mehrmals täglich zu machen (der verdutzt aus dem Spiegel sehende erfolglose Mensch muss das ja irgendwann einmal glauben). Und wenn er es glaubt, dann ist das die halbe Miete.
Eine andere Milchmädchen-Rechnung. Also das Parfümmusterset in das Case gepackt – und los in die Nachbar- und Verwandtschaft, um allen erreichbaren Menschen Kokos de Caramelle oder Rasierschaum aus Urwaldfrüchten zu verkaufen. Dass die sich vielleicht sträuben könnten, wird nicht in Betracht gezogen, denn das wäre ja ein Misserfolg – und den gibt es nicht. Negative Worte sind pfuibäh und könnten die Motivation empfindlich beeinflussen.
Dermaßen programmiert glaubt man schließlich alles, was man sich vorsagt – auch dass man ohne irgendetwas zu tun oder zu investieren (mit einigen wenigen Mausklicks am PC) reich werden kann.
Man muss eigentlich nur Emails verschicken, das ist leicht. Und andere motivierte Menschen mit in das glanzvolle Erfolgsprogramm involvieren, immerhin bietet man ihnen ja die Chance ihres Lebens. Und wenn die Ignoranten sich diese Emails verbitten und keinen Erfolg haben wollen, dann sind diese Versager einfach nicht auf Erfolg programmiert.
An denen ziehen wir mit unserem Luxustöfftöff vorbei – alles kurz vor dem Wachwerden, bevor der Wecker klingelt.
© "Die Milchmädchen-Rechnung zum Erfolgreich sein": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Illustration eines Mannes, CC0 (Public Domain Lizenz).
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