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Das Frauenbild des Nationalsozialismus ist sattsam bekannt, es hatte viel mit Keuschheit und Müttern zu tun, mit starken und gebärfreudigen Frauen die "für den Führer" ein Kind bekamen, und dafür dann das Mutterkreuz. Das sah nicht schlecht aus, brachte aber in den letzten Kriegsjahren auch nicht viel, wenn man vom Soldatentod der Söhne unterrichtet wurde und sich der "stolzen Trauer" hingab. Das Bild der rassereinen hohen Frau war ein ebensolches Kunstprodukt wie manche Nahrungsmittel dieser Zeit und hielt keiner Überprüfung stand.
Das Ansehen und Image der Frauen wechselte mit der Nachfrage und den politischen Gegebenheiten. War eben noch die glückliche Mutter im Kreise ihrer Kinder und im trauten Heim das Ideal, war kurz darauf die tapfere Arbeiterin der Rüstungsindustrie oder die Flakhelferin gefragt. Es wechselte schnell und die Betroffenen machten mit. Nach dem Krieg gab es irgendwie andere vordringliche Probleme – man hatte genug damit zu tun, nicht zu erfrieren und die allernotwendigsten Lebensmittel zu beschaffen.
Mit dem spürbaren Aufschwung allerdings war alles auf einmal anders. Frauen konnten sich wieder schick anziehen und ihre Kinder verwöhnen, es gab Luxusartikel und die Wunden begannen zu verheilen. Und jene Frauen, die – nun ohne die an der Front verheizten Männer – bis an ihre Grenzen gearbeitet hatten, und ohne die ein Wiederaufbau erst gar nicht hätte stattfinden können, wurden zurückqualifiziert an den Herd und in das Kinderzimmer.
Sie trugen alberne kleine Hütchen, gut geschnittene Kostüme und Schuhe mit hohen Absätzen. Jedenfalls die Damen im Film und in der Werbung. Darunter gab es Hüftgürtel und komplizierte Vorrichtungen, die die Nylons mit Naht hielten, und Büstenhalter – diese waren ziemlich spitz und der Effekt fiel sofort ins Auge, das war wohl auch so gedacht. Die Jugend hatte zwischenzeitlich den Rock'n'Roll entdeckt und trug weite Röcke und Söckchen zum Pferdeschwanz. Alles sehr niedlich und lustig, aber ab der Hochzeit mit einem Ersatz-Elvis war Schluss damit.
Mit dem Einzug des Fernsehens in die deutschen Wohnzimmer, mit Bettcouch und Vitrinenschränkchen, wurde das Diktat noch etwas umfassender. Die Damen der Werbung machten vor, und die Mamis zu Haus versuchten nachzumachen. Kölnisch Wasser, Dr. Oetker und das schlechte Gewissen, wenn die Wäsche nicht mit Lenor gespült war. Die Werbung zu dieser Zeit war eine ziemliche Frechheit, sie reduzierte einen weiblichen Menschen völlig auf Dinge, wie weiche Wäsche, oder machte die Frau zu einem "Familienbedienungsroboter", der nur dann so richtig auflebte, wenn die Kinder sagten: "Daaanke Mami". Frauen, die von ihren Sprösslingen nur ein ungnädiges Grunzen hörten, wenn sie Rotbäckchen, Tetravitol oder den für die Gesundheit unerlässlichen Plantagentrank anschleppten, taten alles um das auch einmal zu hören. Vor allem kauften sie.
Aber die Wäsche wurde reiner, weißer und weicher, die Haare kräftiger und colorierter, und das Dr. Oetker Koch- und Backbuch ersetzte die Familienbibel. Und zu sagen hatten sie nicht besonders viel, die Frauen. Noch in den siebziger Jahren musste eine verheiratete Frau die Unterschrift ihres Mannes vorlegen, wenn sie ein Konto anlegen wollte. Gewalt in der Familie war etwas, das man nicht nach außen trug. Aber dann passierte alles Schlag auf Schlag. Zuerst kamen die sechziger Jahre, in denen alles, aber auch wirklich alles hinterfragt wurde. Unangenehme Fragen wie: "Wo wart ihr eigentlich im Krieg?" kratzten empfindlich am Backstudio des Nachkriegstraumes.
Dann platzte eine Bombe: Oswald Kolle vertrat öffentlich die Meinung, dass Sex auch für Frauen da war – und das war für viele tatsächlich etwas Neues. Frauen, die ihre eheliche Pflicht taten, waren verwundert – und Männer, die dasselbe taten, hatten die dumpfe Ahnung, dass da mehr Arbeit auf sie zukommen könnte. Zwar waren die begeistert, als die ersten BHs verbrannt wurden und der Minirock das Stadtbild erheblich bereicherte, aber sie hatten wohl auch Angst. Denn als die Pille auf den Markt kam, da stand die Welt plötzlich völlig kopf.
Einerseits konnten Frauen jetzt ihre Sexualität ausleben, andererseits mussten sie nun. Ausreden verfingen nun gar nicht mehr. Für Männer war die Situation wohl dieselbe, sie konnten sich nicht mehr herausreden und mussten Farbe bekennen. Einer der wichtigsten Gründe, warum man nicht miteinander Sex hatte, war nun keiner mehr – und es ging zur Sache. Ratlosen Frauen, die nie wirklich Spaß an der Sache hatten, wurde Eigenverschulden vorgeworfen und flugs ein Etikett verpasst: Frigidität. Und das etablierte sich auch gleich als herabsetzendes Wort. Ein Mädchen, das sich weigerte, mit dem gesamten Fußballclub in die Kiste zu steigen, wurde frigide Kuh genannt. Tat sie es, gab es dann einen neuen Namen.
Aber den verwirrten Frauen konnte geholfen werden, denn es gab da ein Buch. Es hieß: "Der kleine Unterschied" und war von einer Feministin geschrieben. Und dieses recht dünne Taschenbuch schaffte, was keiner für möglich gehalten hätte: es gab den Frauen, die es lasen, ihre sexuelle Identität zurück. Die meisten Männer mochten es nicht, denn es räumte gründlich mit den Legenden auf, die den weiblichen Körper und das sexuelle Empfinden betrafen und machte Mut. Millionen Frauen erfuhren hier, dass sie nicht allein Probleme hatten mit Gewalt, mit Herabsetzung und auch mit "Frigidität".
Auf einmal war ziemlich klar, was falsch gelaufen war: Frauen hatten ihr Wissen über ihren Körper und ihre Sexualität von denen bezogen, die auch nicht viel Ahnung davon hatten: von Männern. Oder von Frauen, die den Männern nach dem Munde redeten. Jetzt hatte man eigentlich alles beisammen, was man brauchte, um die Gegebenheiten zu ändern. Die Gesetze waren liberaler geworden in dieser Hinsicht, Scheidungen waren weitaus einfacher und alleinerziehende Mütter wurden nicht mehr aus Stadtteilen gejagt.
Die bis heute bestehende Hürde, dass einer Frau in vielen Bereichen weniger gezahlt wird als einem männlichen Kollegen, hätte genommen werden können wie andere auch. Mittlerweile ist der Aufbruch ein wenig ins Stocken geraten, einem weiblichen Kanzler stehen magersüchtige Glamourgirls gegenüber. Eine der letzten Bastionen der Ungleichheit wäre noch zu erwähnen: die Binsenwahrheit, dass Frauen sehr viel besser sein müssen als Männer, wenn es um politische oder geschäftliche Karrieren geht.
Wie einmal eine amerikanische Feministin sagte: Geschafft haben wir es dann, wenn eine völlig unfähige schwarze Frau im Weißen Haus regiert. Aber Überraschungen gibt es ja immer.
© "Aufbruch: Die Frau im Wandel der Jahrzehnte": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Auge und Wimpern, CC0 (Public Domain Lizenz).
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