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Manchen Bestseller verpasst man einfach. Man ist einer der wenigen, die ihn nicht lesen, weil man irgendwie nicht dazu kommt. Und dann, Jahre nach der Veröffentlichung, fällt einem so ein Buch dann doch in die Hände. Das wollte ich eigentlich immer einmal lesen, denkt man, greift zu und merkt, dass man ein zeitloses Werk erwischt hat – eines, das aktuell geblieben ist und wohl auch bleiben wird. Solch ein Buch ist "Der Schwarm" von Frank Schätzing.
Im Wesentlichen geht es um einen Krieg, der geführt wird. Völlig fremde Wesen greifen an, sie zeigen eine hohe Intelligenz und führen ihre Angriffe zielgenau und äußerst effizient aus. Es handelt sich dabei keineswegs um Außerirdische, wie man vermuten könnte, sondern um Wesen aus dem Meer. Unterm Strich eigentlich um das Meer selber, das letztendlich als lebendes Wesen verstanden werden muss und das sich gegen die Verschmutzungen und Übergriffe der Menschen wehrt.
Schätzings neu entdeckte Intelligenz ist völlig anders als die Menschen, deshalb aber nicht weniger intelligent. Und um diesen Kern herum spinnt sich alles in diesem Buch. Die Menschen sind mit großer Tiefe gezeichnet, die Wissenschaftler und die Militärs – nichts ist oberflächlich. Aber alle müssen einen völlig neuen Gedankenansatz zuwege bringen, nämlich den, dass etwas so völlig Andersartiges wie das komplexe Wesen mit der gespeicherten Erinnerung um keinen Deut weniger Daseinsberechtigung hat wie unsere Spezies. Die Andersartigkeit kann des Menschen Bild nicht spiegeln, aber gerade deswegen entlarvt sich ein sehr antiquiertes Selbstbild der untersuchenden Wissenschaftler.
Der Kernsatz "Gott erschuf uns nach seinem Bilde" scheint mehr in uns verankert, als uns bewusst ist – sind wir nun Christ oder nicht. Alle anderen Lebewesen werden von uns nach Ähnlichkeit mit uns selber, nach gewissen Schnittpunkten im Verhalten, bewertet. Grob gesagt heißt das, dass wir die Tiere, deren Verhalten dem unseren in irgendeiner Weise ähnelt, favorisieren. Delphine haben einen Hang zur Kommunikation, scheinbar auch mit uns. Haie sind da eher zurückhaltend – wir mögen sie nicht nur deshalb nicht, weil sie jagen, sondern weil wir mit ihnen nichts gemeinsam haben. Ihre Aufgabe in der Natur ist allerdings ebenso wichtig wie die der Delphine. Um eine völlig fremde Art anzuerkennen, brauchen wir Ähnlichkeiten, das Wissen, dass sie ähnlich ist wie wir.
Die Menschen in Schätzings Geschichte werden mit der überraschenden Tatsache konfrontiert, dass sie den Planeten schon seit langem mit einer in ihrer Entwicklung gleichwertigen bzw. überlegenen Spezies teilen, ohne es geahnt zu haben. Die Forscher sehen Einzeller, die sich zu einem riesigen Schwarm zusammengeschlossen haben – aber es ist ein Lebewesen. Und es hat den Krieg erklärt. Letztendlich wird ein Waffenstillstand erreicht, eine Art Burgfrieden bis auf weiteres. Mehr kann nicht erwartet werden.
In Frank Schätzings Roman wird der Spezies Mensch eine Art Kredit gewährt – einer, der bei Nichteinhaltung der stillschweigenden Vereinbarung sofort und gänzlich fällig wird. Das heißt, die Menschen werden aus der Artenvielfalt der Erde gelöscht. Und das von einer Lebensform, die einfach übersehen wurde, weil niemand auch nur annähernd gedacht hätte, dass etwas, das absolut nichts mit uns gemein hat, die Macht dazu hat. Nicht hier auf diesem Planeten. Letztendlich war es kein Heimspiel für die Menschen, sondern für die weit ältere und angepasstere Rasse.
Ein hochinteressantes, sehr spannendes und auch sehr beklemmendes Buch – man sollte es gelesen haben.
© "Kein Pardon für die Spezies Mensch": Rezension von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Science Fiction, CC0 (Public Domain Lizenz).
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