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Gunther saß in ihrem Wohnzimmer und verzog gedankenschwer das Gesicht. Auf ihre Fragen wollte er nicht antworten: "Liebling, was hast du denn? Willst du es mir nicht sagen?", drang sie in ihn.
Gespielt niedergeschlagen und bedrückt brachte er hervor: "Ach weißt du, ich möchte dich nicht damit belasten!"
"Nun rede schon, vielleicht kann ich dir helfen", und so drang sie noch mehr in ihn, bis er endlich rausrückte: "Ich stecke kurzfristig in finanziellen Schwierigkeiten", begann er. "Ich brauche nur für etwa drei Wochen 20-tausend Euro. Bis dahin erwarte ich eine größere Geldzahlung, aber ich soll jetzt 20-tausend Euro an einen Kunden zahlen."
"Wenn es weiter nichts ist!", lachte Dagmar.
"Soll das heißen, dass du mir das Geld geben willst?", fragte Gunther zurück.
"Genau das", gab sie lachend zurück.
"Nein, ich werde auf keinen Fall Geld von dir nehmen. Ich werde schon einen Weg finden", sträubte sich Gunther.
"Stell dich nicht so an, wir lieben uns doch und werden zusammenbleiben. Du kannst es mir ja wieder zurückgeben, wenn du wieder flüssig bist."
Gunther grinste in sich hinein. Das klappte ja besser als er gedacht hatte. Nach Erhalt des Geldes verschwand er aus Essen. Es war besser, nicht mehr in dieser Riesenstadt zu bleiben.
Da es beim ersten Mal so gut geklappt hatte, war er dabei geblieben. Die anderen Frauen machten es ihm leicht, und so konnte er sich auf ihre Kosten ein angenehmes Leben machen. Nicht im Traum dachte er daran, diese Frauen zu heiraten. Er benutzte zumeist verschiedene Namen, ganz selten seinen eigenen. Wenn er mit ihnen fertig war, waren sie arm und er reich. Durch seinen aufwendigen Lebensstil hatte er aber nie lange Geld und suchte er sich ein neues Opfer. Die Frauen gingen alle, bis auf eine, nicht zur Polizei. Teilweise, weil sie immer noch dachten, er käme wieder zurück und teilweise, weil sie sich schämten.
Er trieb sich im Bundesgebiet, in der Schweiz und in Österreich herum. In der Schweiz fand er schließlich eine Millionenerbin, Antonia Steiner. Sie war das, was man ein spätes Mädchen nannte. Sie genoss seine Aufmerksamkeit und sonnte sich in der Bewunderung ihrer Mitmenschen, wenn sie auf Partys, in Restaurants oder beim Einkaufen waren. Zu Beginn seiner Beziehungen zahlte er – viel Geld hielt er immer zurück. Die Frauen sollten nicht denken, dass er des Geldes wegen mit ihnen zusammen war. Antonia kam ihm schließlich auf die Schliche, als sie ihrer deutschen Freundin Dagmar Guthmann am Telefon von Gunther, er benutzte gerade mal wieder seinen eigenen Namen, vorschwärmte: "Ach Dagmar, ich habe einen ganz tollen Typen kennengelernt. Wir wollen heiraten. Meine Freundinnen beneiden mich so, dass sie mir abraten. Er würde mich doch nur meines Geldes wegen nehmen. Dabei hat er selbst so viel Geld, dass er meines gar nicht nötig hat. Er ist aus Deutschland und heißt Gunther Bertram!"
"Wie heißt der Typ?", konnte Dagmar nur noch entsetzt fragen.
"Gunther Bertram", gab Antonia zurück.
"Beschreibe ihn mir doch ein Mal. Ich möchte wissen, wie er aussieht", kam es wieder von Dagmar zurück. Die Beschreibung die Antonia lieferte, passte und so flog Gunther auf. Antonia wollte Gewissheit haben und stellte ihn zur Rede. Ihm war schon klar, dass man ihm irgendwann einmal auf die Schliche kommen würde und bei Antonia war es dann soweit. Er wiegelte zwar ab, aber Antonia verwies auf Dagmar, und bevor sie ihn bei der Polizei anzeigen konnte, war er nach Nizza entflohen. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben und daraufhin meldeten sich noch mehr Frauen bei der Polizei.
Die Jahre gingen auch an ihm nicht spurlos vorüber, obwohl ergraute Schläfen und Fältchen einen Mann interessant machten; bei Frauen spricht man da von Alterserscheinungen. Jetzt wollte er sich zur Ruhe setzen und die Gedanken kreisten in seinem Kopf. Schließlich dachte er ernsthaft ans Heiraten. Natürlich müsste es eine reiche Frau sein, denn seinen aufwendigen Lebensstil wollte er beibehalten.
Während dieser Überlegungen betrat eine sehr hübsche Frau das Café, und obwohl nicht viele Gäste hier waren, steuerte sie auf seinen Tisch zu und fragte mit warmer Stimme: "Ist an Ihrem Tisch noch ein Platz frei?"
Gunther nickte. So setzte sie sich zu ihm, und nachdem sie sich gegenseitig vorgestellt hatten, sie hieß Claudia Holldrich, unterhielten sie sich in kürzester Zeit aufs Angenehmste. Beide hatten das Gefühl, sich schon lange zu kennen.
Er zeigte Bilder, die er aus Illustrierten und Zeitschriften herausgeschnitten hatte und sich im Fotografen als Fotos herstellen ließ, von Häusern, Fabriken, Ländereien, die er sein eigen nannte, ihm aber nicht gehörten. Bei seinen früheren Beziehungen hatte er nie gleich mit seinem "Eigentum" angegeben, das gab kein gutes Bild von ihm ab. Er war, was das betraf, sehr zurückhaltend.
Während Gunther seine Bilder zeigte, konnte er Claudia, ohne dass sie es merkte, genau beobachten. Brünette Locken umrahmten ein schmales Gesicht. In grünen Augen blitzte der Schalk. Der dunkelblaue Hosenanzug war bestimmt nicht von der Stange und umschmeichelte ihre schlanke Gestalt. Alles an ihrem Aussehen war perfekt aufeinander abgestimmt. Sie war nicht mehr jung, aber auch nicht alt; altersmäßig passte sie zu ihm.
"Endlich eine Frau mit Format", dachte Gunther, "sie ist keine von den dummen Gänsen, mit denen ich bislang zu tun hatte!"
"Meine Eltern sind Deutsche und sind nach dem Krieg nach New York gegangen. Dort hatte mein Vater eine Fabrik, die Bettwäsche herstellte, eröffnet. Wir haben Niederlassungen in Australien, Südostasien und in ganz Westeuropa, aber unser Hauptsitz ist in New York. Dass man mit Bettwäsche Millionen verdienen kann, habe ich zwar geahnt, aber erst nach seinem Tod bei der Testamentseröffnung gewusst. Da mein Bruder Klaus vor ein paar Jahren tödlich verunglückte, und ich keine Geschwister mehr habe, bin ich Alleinerbin. Ich habe meinen Bruder sehr geliebt, aber er war der Meinung, Autorennen fahren zu müssen. Sein großer Traum war die Formel Eins", erzählte nun Claudia.
Lächelnd, aber etwas bitter, fügte sie hinzu: "Als junges Mädchen war ich sogar ein Mal verheiratet, aber diese Ehe war eine Katastrophe. Er wollte nicht mich, sondern nur mein Geld. Die Scheidung war schmutzig. Er kämpfte um möglichst viel Abfindung. Unsere Rechtsanwälte haben sich gefreut, sie bekamen einiges aus meinem Vermögen, und seither habe ich Angst, dass die Männer nicht mich, sondern nur mein Geld heiraten wollten. Viel Geld zu haben macht nicht unbedingt glücklich!"
© "Der Heiratsschwindler: Wie heißt der Typ?": Kurzgeschichte in drei Teilen von Autorin Ulla Schmid, 05/2019. Bildnachweis: Herz als Symbol, CC0 (Public Domain Lizenz).
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