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Als Édouard Manet – vermutlich im Jahre 1881 – im Konzertsaal des Varietétheaters "Folies Bergère" Anregungen für sein ebenso genanntes Werk suchte, wollte er uns die Glanzseite des städtischen Lebens in Paris zeigen. Der Folies Bergère, der aus einem einfachen Varieté-Café hervorgegangen ist, war eines der berühmtesten Lokale, die Paris zu bieten hatte.
Zu jener Zeit entwickelten die Pariser ein großes Bedürfnis nach kultivierten Speisen und Unterhaltung. Die breiten, eigens dafür angelegten Boulevards boten eine Vielzahl von Cafés, Restaurants, Brasserien und Bars, wo die Vergnügungssucht der Pariser ihre Befriedigung fand. Die Anzahl der Cafés hatte sich seit Ende des 17. Jahrhunderts um einiges vervielfacht und eine Vielzahl von Künstlern fühlten sich von diesem modernen gesellschaftlichen Leben magisch angezogen. Manet, der mit ganzer Seele dem Pariser Stadtleben zugetan war, liebte die Feste, Lichter, Farben und die Unterhaltung – Dinge, die einen großen Anteil in seiner Bildkunst finden und die in seinen Werken erkennbar sind.
An diesem Abend, welchen auch immer, begab sich Manet in den Folies Bergère, der sich aufgrund seines breit gefächerten Programms großer Beliebtheit erfreute. Im Folies Bergère bekam man nicht nur erlesene Speisen gereicht, sondern man konnte in den wechselnden Aufführungen auch die nötige Zerstreuung finden. Auf der Bühne boten Unterhaltungskünstler ein abwechslungsreiches Programm, welches vom Publikum gerne aufgenommen wurde.
Für Édouard Manet waren diese Unterhaltungsbetriebe die perfekte Grundlage für seine lebendigen und wahrheitsgetreuen Inszenierungen. Um seine Barrestaurantszene gekonnt und unterhaltsam zu schildern, suchte Manet nach einem Tisch, der ihm einen guten Überblick über die Menschenmenge verschaffte und von dem aus er nach seinen Modellen spähte. Die laute Geräuschkulisse war für seine kreative Arbeit weniger störend, vielmehr fühlte er sich jetzt als ein Teil der Gesellschaft. Besonnen saß er da, in Gedanken versunken und ruhig überlegend, welche interessante Szene sich ihm darbot, die es wert war, zu Papier gebracht zu werden. Ebenso stellte er die nötigen Überlegungen an, aus welcher Sichtweite er seine Figuren malen wollte. Für Manet war die Bedeutungsperspektive für seine dargestellten Figuren und Gegenstände sehr wichtig, denn nicht die räumlichen Gegebenheiten waren dafür ausschlaggebend, sondern die Bilddeutung.
Manet schaute sich um – nach einer Weile fiel ihm eine etwas ermüdend dreinblickende Bardame am Tresen des Varietétheaters auf. Manet hielt einen Augenblick inne und besann sich auf die künstlerischen Mittel, die er einsetzen musste, um die Dame bildlich gesellschaftlich in Szene zu setzen. Der im hinteren Barbereich hängende Wandspiegel inspirierte ihn dazu, dass Ensemble im Hintergrund optisch zu reflektieren.
Manet machte sich sogleich an die Arbeit, seine Eindrücke festzuhalten, denn seine Modelle, die sich ihrer Ehre nicht bewusst waren, standen nicht immer unbeweglich da und so war eine schnelle Vorskizzierung erforderlich. Nachdem Manet die Grundlage für seine Idee geschaffen hatte, beendete er den unterhaltsamen Abend und begab sich für die Ausarbeitung seines Gemäldes in sein Atelier in der Rue de Saint-Petersbourg.
Bis das Werk nun seine Vollendung erreicht hatte, verstrich einige Zeit. Manet arbeitete hart, konzentriert und war ein strenger Richter gegen sich selbst. Der Öffentlichkeit blieben diese Auseinandersetzungen, der mühselige Kampf mit dem Bild, den Manet führte, bis das Werk seiner Meinung nach keine Wünsche mehr offen ließ, verborgen. Manet bewies bei seinen Gemälden eine derartig lockere Malweise und mutige Pinselführung, dass niemand einen strengen Malprozess vermuten würde, von Anstrengungen ganz zu schweigen.
Manets größter Anspruch lag darin, eine natürliche, wahrheitsgetreue Inszenierung in lebendiger Atmosphäre, verbunden mit effektiver Farbbrillanz zu erstellen. Er beschränkte sich bei seinen Ausführungen mehr auf das Wesentliche, indem er seine Figuren aus dicken Pinselstrichen zusammensetze. Mit dieser Technik erreichte er zwar keine Detailgenauigkeit, aber eine bessere Farbintensität. Édouard Manet nahm sich viele Freiheiten bei seiner Maltechnik heraus, die nicht unbedingt auf Gegenliebe stießen, aber er war sich dessen wohl bewusst. So gesehen kann man sich auch den eigenartigen Bildaufbau vorstellen, mit dem Manet den Kritikern Rätsel aufgab. Ungeklärt bleibt der genaue Standort des Spiegels sowie die irritierende Szene zwischen dem Barmädchen und dem Herrn mit Zylinder.
Édouard Manet kümmerte sich wenig um diese Anmerkungen, war den Kritikern doch die wahre Bedeutung des Werkes entgangen. Der immer noch auf Gesellschaft bedachte Manet wollte mit diesem Meisterwerk seine Liebe zum Gesellschaftsleben seiner Zeit ausdrücken, ohne Kritik daran zu üben.
Seit frühester Jugend hatte er sich aufsässig gegen die Lehrmethoden seines Lehrers aufgelehnt und folgte oft seiner eigenen Überzeugung. Obwohl er Grundkenntnisse der klassischen Malerei besaß, gab er sich dieser Maltechnik nur in Ausnahmefällen hin. Während er sich seiner früheren Jahre erinnerte, fiel sein Blick auf das, was er liebte. Erneut hatte Manet ein Zeugnis des Pariser Lebens in vollendeter Farbbrillanz abgelegt.
© "Édouard Manet: In den Folies Bergère": Kunstrezension von Anja Junghans-Demtröder.
Die Abbildung zeigt das Gemälde "Bar in den Folies Bergere" von Edouard Manet (1882), Quellen:
– Zenodot Verlagsgesellschaft mbH, Lizenz: gemeinfrei
– Wikipedia, Lizenz: Public domain.
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