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Nach zwei Berichten der "Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)" vom Frühjahr 2014 haben innerhalb der Europäischen Union rund 62 Millionen Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren – also jede dritte Frau. Weiterhin hat jede fünfte Frau bereits körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt. Erschreckende Zahlen!
Die FRA, mit Sitz in Wien, wurde 2007 im Rahmen der Europäischen Grundrechtecharta gegründet. Die Agentur erhebt europaweit Daten über die Grundrechte, führt Forschungsarbeiten durch und ist unabhängig beratend für politische Entscheidungsträger tätig. Die Aufgabe der FRA ist es auch, die Ergebnisse ihrer Arbeit zu verbreiten; die oben genannten Berichte sind zwar online abrufbar, werden aber kaum von den Medien verbreitet oder in nennenswertem Umfang aufgegriffen.
Die Zeiten, in denen Frauen als Eigentum innerhalb der "Institution Ehe" rechtlos sind – völlig unabhängig von der gesetzlichen Lage – sind lange noch nicht vorbei. Demnach gingen zwei Drittel der weiblichen Opfer nach körperlicher und/oder sexueller Gewalt nicht zur Polizei und suchten auch keine andere Einrichtung auf. Nicht nur die Zahlen der FRA machen deutlich, dass das Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden muss.
Vergewaltigung in der Ehe wurde einst nicht hinterfragt und selbstverständlich niemals angezeigt. Das wäre auch sinnlos gewesen, denn rechtlich gesehen konnte ein Mann seine Frau gar nicht vergewaltigen. Eine Frau hatte dem Mann "zu Willen" zu sein, wann immer er das wollte. Es handelte sich, bei näherer Betrachtung, um eine Position der Frau, die der einer Prostituierten ähnlich war.
Heute ist doch alles anders, könnte man glauben. Vergewaltigung in der Ehe wird nun strafrechtlich verfolgt – in Deutschland seit 1997, die Schweiz sowie Österreich zogen 2004 mit eigenen Gesetzen nach. Keine Frau sollte also mehr Angst haben müssen. Dass dem nicht so ist, beschreibt die in Deutschland arbeitende Autorin und psychologische Beraterin Inas Mariam Al Naqib in ihrer 2015 erschienenen Publikation Prostitution in der Ehe (über dieses Buch berichteten wir hier vor kurzem).
Frau Naqib lässt hier eine Patientin ihre Geschichte anonym ansatzweise wiedergeben. Diese Frau – Pseudonym "Birgit" – hat ein jahrelanges Martyrium durchgestanden, an das sie sich bei der Heirat durch einen Ehevertrag band, ohne die Konsequenzen abschätzen zu können. Was "Birgit" in ihrer Ehe erlebte, ist eine dunkle Welt der Abhängigkeit, der Lüge und der Grausamkeit. Die sadistischen Inszenierungen ihres Mannes hatte sie bis zu seinem Tod zu ertragen und den Kindern ein normales Familienleben vorzugaukeln. Schläge bis zur Ohnmacht, ausgeklügelte Quälereien und erniedrigende sexuelle Handlungen waren vertraglich festgelegt. Zuletzt wurden die Kinder dann aber doch mit dem konfrontiert, was über Jahre hindurch wirklich geschah – durch einen Zufall. Dass alle Beteiligten professionelle Hilfe brauchten, ist nicht verwunderlich.
Natürlich könnte man fragen, wieso "Birgit" denn nicht fortgegangen ist, wieso sie sich dem unterwarf und jahrelang litt, bis zum Tod ihres Peinigers. Die Antwort darauf ist immer die: "Am Anfang war die Liebe". Später dann die Scham, die mehr bindet als Ketten. Dazu kommt die Sorge um die Kinder.
Wer so ein Leben führen muss, verharrt seelisch in einer Art Zwischenwelt. Unfähig zu handeln über das Maß hinaus, welches das Überleben der eigenen Person schützt, vegetiert ein solchermaßen demontierter Mensch in einer Art Dämmerzustand dahin. Was "Birgit" erlebt, ist die Potenzierung der Herrschaft über einen anderen Menschen – per Vertrag.
Mit ihrer Publikation "Prostitution in der Ehe" wollen "Birgit" und die Autorin Frau Naqib nicht nur auf die Situation vieler Frauen aufmerksam machen, sondern das Thema in die Öffentlichkeit tragen, damit darüber diskutiert und nachgedacht wird.
"Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe", heißt es im Volksmund. Für viele Frauen bedeutet es aber: Recht haben und es wagen, Recht zu beanspruchen, das sind zwei verschiedene Dinge.
Quellen der FRA: Fälle von Gewalt gegen Frauen sowie Es passiert täglich
© "Die Frau als Eigentum innerhalb der Institution Ehe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2015. Bildnachweis: Erhobene Hand, CC0 (Public Domain Lizenz).
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