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Eine der schönsten Karten des Tarot, bzw. eine der am meisten gelesenen Seiten des Buches Thot, wenn man es so will, ist die Nummer 6. Die Liebenden präsentieren sich in stolzer und unbefangener Nacktheit. Mann und Frau stehen sich gegenüber, über ihnen ein Engel, der von der Sonne bestrahlt wird.
Der Engel mit den ausgebreiteten Armen scheint die beiden behüten zu wollen. Ein wirklich schönes Bild, das die Dualität in Vollendung zeigt, soweit sie den göttlichen Einfluss anerkennt.
Dieses Arkanum hat in anderen Decks zuweilen abweichende Namen, wie zum Beispiel auch "Die Versuchung" oder "Die Entscheidung". Der Marseiller Tarot zeigt als Bild einen Mann, der zwischen zwei Frauen steht – einer in schlichtem Gewand, und einer die sich mit allerlei Tand herausgeputzt hat.
Hier ist die Botschaft klar – der Mann soll eine Entscheidung treffen zwischen Äußerlichkeiten und Tiefgang, Sünde und Tugend, Lust und Ernsthaftigkeit.
Die Rider-Waite-Variante zeigt neben der Frau den Apfelbaum mit der Schlange – nach der Legende die erste Entscheidung, die von einem Menschen getroffen wurde – nämlich von Eva – welcher die von Adam folgte. Trotz des Namens hat die Karte vorrangig mit Entscheidungen zu tun, nicht unmittelbar mit der Liebe zwischen Mann und Frau.
Tatsächlich fordert uns das Leben tagtäglich Entscheidungen ab, auch und vor allem in der Liebe. Denn jeden Tag erklärt sich der Liebende neu, verharrt oder wendet sich ab. Im anderen erkennen wir uns selber, die Welt, das Leben und die Schöpfung. Was man am anderen liebt, ist das, was man in sich selber schätzt oder auch als fehlend sieht und deshalb hinzufügt in einer Beziehung, die ausgewogen ist.
Im Idealfall ist der Schritt von "Ich" zum "Du" getan, man erkennt den anderen Menschen tatsächlich und benutzt ihn nicht nur als Spiegel seiner selbst. Und von dieser Erkenntnis ist es nur ein Atemzug zum "Wir". Die Menschen streben nach diesem "Wir", aber sie verstehen es oft nicht richtig. Denn dieses Wort muss eine ausgewogene Gleichheit beinhalten, sonst ist es eine Minihierarchie und eher Kampf als Beziehung. Die Liebenden haben also sehr viel mit Liebe, aber gar nichts mit Verliebtheit zu tun.
Wenn die Karte auftaucht, weist sie oft auf eine Entscheidung im persönlichen Bereich hin, sollte sich die Fragestellung auch darauf beziehen. Aber es steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sieht, denn es sind Kreuzungen auf dem Lebensweg – Stationen, die uns die Möglichkeit geben, uns neu zu entscheiden. Man kann andere Wege einschlagen, oder auch dem vorher gewählten weiter folgen, die Dinge werden sich je nach der Entscheidung entwickeln. Aber auch wenn man in Betracht zieht, dass der Tarot nicht mit Ja oder Nein antwortet, kann man sagen, dass die Nummer sechs im Großen und Ganzen ein "Ja" und "Beschützt-Sein" bedeutet.
Tritt die Karte als Warner auf, dann fragt sie auch ihrerseits: "Hast du dich nicht längst entschieden und suchst im Nachhinein nach Gründen oder einer Rechtfertigung dafür?"
Sie rät auch zu einem Standpunkt, denn oftmals ist Verharren in einer festgefahrenen Situation sehr schädlich. Viele Menschen wagen keine Veränderung, sie ziehen die vermeintliche Sicherheit des Bekannten vor, obwohl es ihnen schadet und sie in ihrer Entwicklung stagnieren. Da zeigen die Liebenden die Notwendigkeit zur Veränderung auf.
Menschen mit Beziehungsproblemen haben den Blick für den anderen verloren, sie nehmen ihn nicht mehr so wahr, wie er ist, sondern durch Filter wie Verletzt-Sein, Ängste oder Enttäuschung. Oft sind diese Emotionen rein in uns selber begründet, wir projizieren sie aber auf unser Gegenüber, das zwar der Auslöser, aber nicht der Verursacher gewisser Dinge ist. "Was du am anderen zu hassen glaubst, vergibst du dir selber nicht."
Wer das "Ganze" akzeptiert, wer in der Lage ist, einen Schritt zurückzutreten und den Blick von unwesentlichen Dingen zu wenden, wird Liebe als Lebensgefühl – praktisch als Daseinsform – erkennen. Darauf weist die Karte ebenso hin, dass uns Liebe umgibt, und wenn der Gedanke "Ich will aber diese Liebe und sonst keine, und die will ich auch noch nach meinen Vorstellungen" im Weg steht, dann wird es Zeit umzudenken.
Entscheiden wir uns einfach dafür, Liebe zuzulassen. Sie hat nichts mit auf andere übertragene Vorstellungen zu tun.
* * * Tarot-Karte VI: Ende der Leseprobe aus "Tarot – Die Karte Sechs: Die Liebenden" (Tarot-Serie zu unserem Buch) * * *
Die Liebenden – Erfahren Sie hier mehr zum Rider-Waite Tarot:
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© "Tarot – Die Karte Sechs: Die Liebenden": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010. Bildnachweis: Tarot Wahrsagerei, CC0 (Public Domain Lizenz).
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