|
Gwen, eine junge Polizistin in Ausbildung, glaubt nicht an Übernatürliches. Bis sie in einer Bar Taylor trifft und sie mit nach Hause nimmt. Der intensive Charakter der jungen Frau ist sonst überhaupt nicht ihr Fall, aber Taylor ist ihr fremdartig vertraut. Da ist es fast schade, dass sie am nächsten Morgen schon verschwunden ist – denkt Gwen jedenfalls, bis sie merkt, dass auch ihr Bargeld und ihre geliebte Lederjacke fehlen. Sie nimmt sich fest vor, die dreiste Diebin zu stellen, aber die ist schneller und scheint auf alles vorbereitet, was Gwen sagt oder tut.
Bald entwickelt sich zwischen den beiden etwas, das eine verdächtige Ähnlichkeit mit Liebe hat, nur, dass Gwen es eine "Strapaze" und Taylor eine "Kampfansage" nennt. Wie Gwen bald zu ahnen beginnt, gilt die aber nicht ihr, sondern etwas Größerem, Übersinnlichem, das nur Taylor kennt.
Unser Buchtipp: "14 Falken" ist eine Geschichte mit vielen Fantasy-Elementen, die überrascht. Die gebundene Ausgabe weist 168 Seiten auf und wurde Mitte September 2021 vom A. Fritz Verlag herausgegeben (ISBN 978-3944771335). Den Fantasy-Roman von Kathrin Schobel kann man selbstverständlich auch als E-Book erwerben.
Ich drücke mir gelangweilt auf der Nasenspitze herum. Der zwiebelnde Schuss Schmerz fällt immer weniger auf, weil er danach immer länger bleibt. Damit er sich jedes Mal gleich stark anfühlt, muss ich also auch jedes Mal fester drücken. Schmerz passiert eigentlich nicht an der Stelle, die verletzt ist, sondern im Kopf. Der erkennt, dass etwas dem Körper schadet und gaukelt dir dann vor, dass es dort wehtut. Weit weg von dem eigentlichen Zentrum, es sei denn, du hast einen Kopfschuss. Du machst dir vielleicht bewusst, dass das so ist, aber damit kannst du dir den Schmerz nicht wegdenken, nur seinen Sinn. Ein bisschen wie Liebe. Aber in den meisten Fällen konzentrierst du dich auf deine Wunde, weil die halt wehtut, und vergisst, dass dir eigentlich gerade jemand etwas vorspielt. Ein bisschen wie Politik. Und weil diese simplen Möglichkeiten komplexes Denkvermögen erfordern, ist der Kopf zu beschäftigt, um zu hinterfragen, warum du eigentlich selbst auf der Wunde herumdrückst. Du gewöhnst dich dann daran. Ein bisschen wie Depression.
Es klingelt.
Ich weiß, dass Vern in der Küche ist. Aus meinem Zimmer habe ich das Plastik der Müslipackung knistern gehört. Deniz mag kein Müsli und Mama isst es nicht, wegen der Zähne. Außerdem läuft nebenan das Intro von Verdachtsfälle, und wenn Vern sich nicht doch endlich mal dazu herabgelassen hat, sich dem "Niveau des Viertels" anzupassen, sitzt Mum jetzt vor der Glotze. Faul drehe ich meine Musik mit dem Fuß auf leise. Es klingelt nochmal. Verdachtsfälle und das Müsli geräuschkulissen gemütlich vor sich hin und haben das mit dem freien Sonntag besser drauf als ich, denn ich stehe seufzend auf und werfe mir ein Shirt über. Ich schlendere sehr langsam zur Tür, weil ich hoffe, dass, wer immer davorsteht, einen Abgang macht, noch bevor ich angekommen bin. Dann hätte ich es immerhin versucht.
"Hmm?", mache ich, obwohl man mich durch die Tür nicht hört.
Ich will schon aufmachen und glätte dann doch erst mal meine Haare mit den Fingern, weil es die Nachbarin sein könnte und die mag ich.
Ich hm-e noch mal. Oder es ist das Ehepaar rechts neben uns, das sich wieder wegen der Wellensittiche beschweren will. Ich bringe meine Haare wieder durcheinander, aber nur ein bisschen, für den Fall. Dann öffne ich die Tür.
Meine Kinnlade klappt ins Nirvana.
Fuck.
Hab' ich das laut gesagt?
Ich bin mir nicht mehr sicher, denn schon in der nächsten Sekunde sage ich es definitiv laut, als ich versuche, die Tür wieder zuzudrücken, aber Gwen ihren Fuß dazwischenschiebt. Und dann ihren ganzen Körper, in dieser nach neu stinkenden, matschfarbenen Jacke, und ist auch noch dreist genug, sie beiläufig zu öffnen, während sie mich in den Raum schiebt, als sei mein Widerstand nicht vorhanden. Mein Herz brennt, brennt aus, diese Situation habe ich nicht geplant, und das wirft mich total aus der Bahn. Gwen zupft sich ihre Bluse zurecht und ich stehe jetzt zwischen ihr und der Haustür. Sie starrt mich an, meine Augen, mein Nasenpflaster. Und ich starre hilfesuchend an ihr vorbei. Das Müslitütenrascheln ist klüger als ich und tut, als sei es nicht da.
"Guck nicht so. Hast du erwartet, dass ich dich mit meinem Kram davonkommen lasse?", knurrt Gwen und sieht mich an.
Ihre blauen Augen sind wild und schmal und ihr Lächeln rau und matt wie ihr blasschwarzes Haar, blasschwarz, eine Farbe, von der ich nicht wusste, dass es sie gibt, bevor ich sie getroffen habe. Und wie sie dasteht, blassschwarz und braun und eisheiligenhimmelblau, sieht sie aus wie ein Raubvogelküken. Oder ein Wolf. Er ist immer entweder ein Adler oder ein Wolf. Ich mache schon den Mund auf, um irgendwas zu improvisieren, was mich aus der Sache wieder rausholt, als ich Verdachtsfälle aus dem Wohnzimmer schlurfen höre.
"Tay? Wer war das, die Post? Wenn das der Brief von der Krankenkasse-oh!"
Als sie um die Ecke kommt, in Morgenmantel und mit Handtuch auf dem Kopf, danke ich ihr im Geiste für das perfekte Überforderte-junge-Mutter-Lächeln.
"Hallo – Taylor hat mir nicht gesagt, dass sie Besuch erwartet, entschuldigen Sie wie ich aussehe."
Ich frage mich, wie meine Mama auf die Idee kommt, dass wir zusammengehören und verschränke beleidigt die Arme. Gwen guckt für einen Moment genauso überfordert wie Mum. Wenn Gwen nachdenkt sieht man das sofort. Ihr Gehirn verbraucht dann so viel Konzentration, dass der Rest ihres Körpers ein paar Sekunden aussetzt, bis sie fertig ist. Nicht, weil sie dumm ist, sondern weil sie sehr gründlich ist.
"Ist schon gut", sagt sie dann.
Komm, Gwen, denke ich schmunzelnd, du kannst einer armen alleinerziehenden Mutter doch nicht ins Gesicht sagen, dass du ihre Tochter festnehmen willst.
Und das tut sie auch nicht. Sie bietet Mama sogar noch die Hand an, die sie nur angedeutet annimmt.
"Frisch lackiert", sagt sie entschuldigend und zeigt uns ihre knallgelben Nägel. Kann man nur tragen, wenn man braune Haut hat, finde ich.
"Kommen Sie doch rein. Sie finden an der Garderobe sicher noch Platz. Tay hat gar nichts von Ihnen erzählt."
Der Punkt, an dem meine Mum begreift, dass Gwen groß, trainiert und hübsch ist, kommt irgendwo zwischen "Garderobe" und "erzählt".
Ich sehe, wie sich hinter ihrer gestrafften Stirn eine Ahnung aufbaut. An dem Punkt wechselt ihre Stimmlage zu der, die sie glaubt, haben zu müssen, wenn das Kind mal jemanden nach Hause bringt, aber weil sie sich unsicher ist, überspitzt sie es, in der Hoffnung, dass ich dazu was sage. Das macht sie immer, anstatt mich einfach zu fragen, und genau darum sage ich ihr nichts.
Während sie beschämt kichernd ihr Handtuch richtet als sei es eine Frisur, habe ich einen Blickaustausch mit Gwen. So einen hatten wir schon mal, im Hausflur vor ihrer Wohnung, um zu klären, wer der Chef ist. Ich zwinkere ihr unauffällig zu. Gwen rümpft warnend die Nase. Hat wohl andere Assoziationen damit.
"Gwendolin Lorenz", stellt sie sich endlich vor. "Ich bin eine Schulfreundin von Taylor."
Schulfreundin? Ich hebe eine Augenbraue und frage mich, für wie jung die gute Frau mich hält.
"Schulfreundin?", spricht meine Mama meine Gedanken aus. Selbst wenn ich noch jung genug wäre, um in die Schule zu gehen, hätte ich jetzt ein ziemliches Erklärungsproblem.
"Alte Schulfreundin", grätsche ich ein. "Grundschule. Erinnerst du dich, die Kleine mit dem Topfschnitt, der sich am Elterntag mal vor allen übergeben hat?" Meine Mutter blinzelt ahnungslos. Die Taktik zieht.
"Jedenfalls sind wir uns zufällig wieder über den Weg gelaufen. Die Welt ist klein."
Ich hasse es, dass dieser Flur zu schmal ist, um in verschiedene Richtungen zu gehen, ohne sich zu berühren, und ignoriere das überraschte Aufatmen meiner Mutter, als ich Gwen an ihr vorbei in mein Zimmer schieben will. Ich glaube, man sieht mir an, wie peinlich mir Mama ist. Und mit man meine ich Gwen, denn Mum zwinkert mir auffällig zu. Ausgerechnet jetzt hat Müslitütenrascheln entschieden, dass es Zeit für ihren Auftritt ist.
"Hi", sagt sie und stellt sich, die Arme verschränkt, in den Türrahmen, als sähe das irgendwie cool aus mit dem Wellensittichgequatsche im Rücken und der Stimme, die im Wohnzimmer hysterisch "Das würde Guido nie tun, er liebt mich wirklich" schnappatmet.
"Verni, Tay hat Besuch", sagt meine Mama bedeutungsschwanger.
Vern mustert Gwen, Gwen mustert Vern und ich bekomme das Gefühl, was verpasst zu haben.
"Ja, ich weiß", sagt sie dann. "Ich kenn' sie. Wollen wir nicht lieber in mein Zimmer gehen und ein bisschen Musik hören? Deine Anlage ist doch immer noch kaputt, oder?"
Ich bin froh, dass Gwen mit dem Rücken zu mir steht, denn ich bin so verwirrt, dass ich aussehen muss wie ein Grundschüler, der für ihren Test nicht gelernt hat. In Mamas enttäuschtem Gesicht sehe ich das fragile Kartenhaus ihrer Schlussfolgerungen in sich zusammenbrechen.
"Uhm – ja, lass das machen", sage ich und beschließe, mich so knapp wie möglich zu halten, bis mir die Intentionen des Biestes namens Vern klarer sind. ...
Mehr Fantasy lesen: Aus dem Programm des A. Fritz Verlages haben wir auf unserem Portal weitere gute Fantasy-Romane vorgestellt. Lesen Sie unter anderem unsere Rezensionen zu "Symphonie der Stille" von Manuel Hirner, sowie "Wie der Drache zu seinem Personalausweis kam" von Axel Brandt.
© "Ein fragiles Kartenhaus von Schlussfolgerungen": Dem A. Fritz Verlag danken wir für die Leseprobe aus "14 Falken" und für die Verwendung der Buchcover-Abbildung, 10/2021.
Archive:
Jahrgänge:
2023 |
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Autoren gesucht |
Buch-Rezensionen |
Ratgeber |
Sagen & Legenden |
Fantasy Mythologie |
IT & Technik |
Krimi Thriller |
Fachartikel & Essays |
Jugend- & Kinderbücher |
Bedeutung der Tarotkarten |
Bedeutung der Krafttiere
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed