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Auf Veranlassung ihres Vaters, des australischen Multimilliardärs Richard Wilson, treten seine vier Kinder die Reise zu der fernab im Nordatlantik gelegenen Insel Tornstram an. Dort sollen sie sich mit seinem hypermodernen Großprojekt befassen, das kurz vor der Vollendung steht. Jetzt im Winter ruhen alle Arbeiten an dem gewaltigen Bau.
Die Insel sei menschenleer, denken die Geschwister. Ein Irrtum, wie James, Ethan, Alicia und Liam schon kurz nach ihrer Ankunft feststellen müssen. Tief traumatische Erfahrungen kommen auf Tornstram miteinander ins Spiel. Im Gegenzug enthüllt die Insel ihre eigene dunkle Geschichte. Es dauert nicht lang und das Töten beginnt. Nach und nach wird deutlich, dass alles auf eine ultimative künstlerische Performance hin angelegt ist: eine Installation aus Toten. Überleben ist niemals Teil dieses Plans gewesen!
Der packend düstere Psychothriller "Kalt gemacht" liegt zum einen als Taschenbuch mit 284 Seiten vor (ISBN 978-1087155920); zum anderen kann der im August 2019 veröffentlichte Roman von Jon Winter auch als E-Book in Online-Buchhandel erworben werden.
Seit einigen Minuten schon stand Ethan regungslos da und ließ seinen Blick übers Meer schweifen, auf dem die Abendsonne glitzerte. Fast zwei Stunden war er an dem Metallgeländer entlang gegangen, hatte dessen Verankerungen im Boden überprüft, unzählige Fotos gemacht und nebenbei auch noch Ausschau nach dem Fremden gehalten, der letzte Nacht so unerwartet aufgetaucht war. Vergeblich, dieser schien wie vom Erdboden verschluckt.
Ethan schloss die Augen. Seit einer halben Stunde etwa plagte ihn Migräne. Sein bewährtes Schmerzmittel gegen Migräneattacken lag irgendwo in seinem Gästehaus. Ethan rätselte, was die Migräne ausgelöst hatte. Die tiefstehende Abendsonne vielleicht. Oder aber seine innere Unruhe, die seit dem Betreten Tornstrams immer stärker wurde. Ethan fühlte sich einsam und verloren auf der Insel. Schon jetzt vermisste er seine gewohnte Umgebung, ganz zu schweigen von seiner Familie. Er stellte sich vor, was Zoe, Steven und Stuart in diesen Augenblick machten.
Ethan fragte sich, wie viel Uhr es gerade in Boston war. Einige Augenblicke gab er sich seinem Heimweh voll und ganz hin, stellte sich vor, wie Zoe und seine beiden Söhne ihn am Flughafen empfingen und sie gemeinsam nach Hause zurückkehrten. Dorthin, wo er glücklich war, wo er sich geborgen fühlte. Nur mühsam gelang es Ethan, sich von den inneren Bildern zu lösen. Er war tausende Kilometer entfernt von Zuhause, irgendwo im Nirgendwo. Zu allem Überfluss saßen sie hier in dieser Einöde fest, weil irgendjemand dafür gesorgt hatte, dass sie nicht mehr durch das Tor im Zaun konnten.
Ethans Migräne wurde immer stärker. Abgesehen von der Einnahme seines Schmerzmittels halfen ihm bei seinen Migräneattacken nur Dunkelheit und Stille. Er seufzte und wandte sich von dem Metallgeländer ab. Trotz Migräne beschloss er, einen kurzen Abstecher zu den kleinen Steinhäusern zu machen, die sich nicht weit von ihm entfernt in der Abenddämmerung abzeichneten. Ethan schätzte ihre Zahl auf zehn, maximal zwölf. Er hatte sich vor seiner Abreise im Internet über die Insel kundig gemacht. Eine der wenigen Informationen, die er damals gefunden hatte, war, dass hier in frühchristlicher Zeit Fischer gelebt hatten. Vermutlich hatten diese das kleine Steindorf errichtet.
Zügig bahnte Ethan sich einen Weg durch die unzähligen kleinen Sträucher hindurch. Jetzt, da es Nacht war, verlor seine Migräne etwas an Stärke. Er blickte Richtung Inselzentrum. Im fahlen Mondlicht konnte er die Silhouette der alten Psychiatrie ausmachen. Irgendwo dahinter, schräg versetzt, war der Neubau. Von dort wiederum war es nicht mehr weit zu den Gästehäusern. Ethan dachte an seine Geschwister. Sicher saßen sie schon in einem der Gästehäuser beisammen und warteten auf ihn. Er musste sich beeilen, irgendwann würden sie anfangen, sich Sorgen um ihn zu machen.
Vor ihm zeichnete sich nun vage ein Pfad auf dem Erdboden ab. Diesem folgte er, und schon bald hatte er die ersten Häuser des Dorfs erreicht. Sie waren aus groben Granitblöcken gebaut. In den unzähligen Spalten und Rissen ihrer Außenfassaden hatten sich Efeu und Unkraut eingenistet. Einige der Dächer waren eingestürzt. Vereinzelt ragten Dachbalken steil in den Abendhimmel, was Ethan unwillkürlich an Skelette von Dinosauriern denken ließ. Die völlig stille Umgebung verunsicherte ihn zunehmend. Weder bei sich zu Hause noch an seinem Arbeitsplatz war er mit Stille konfrontiert. Er war das pulsierende Leben in Metropolen gewohnt ebenso wie berufliche Reisen, auf denen es immer sehr viel zu tun gab. Er war froh, wenn er beschäftigt war. Phasen der Ruhe taten ihm meistens nicht gut.
Gedankenverloren folgte Ethan dem Pfad, der sich zwischen den Steinhäusern hindurch schlängelte. Im Zentrum des Dorfs stand eine kleine Kapelle. Ethan öffnete die Tür und trat ein. Der dumpfe Geruch im Inneren der Kapelle ließ sofort ein Gefühl von Übelkeit in ihm aufsteigen. Auch wenn er nicht gläubig war, suchte er regelmäßig Kirchen oder Kapellen auf. Er nahm die Atmosphäre in ihnen oft als ruhig und friedlich wahr. In dieser Kapelle war es anders, hier empfand er gar nichts. Ethan drehte sich um, zog die Tür hinter sich zu und wandte sich nach links. Bereits nach wenigen Schritten hatte er die beiden letzten Häuser des Dorfs erreicht. Flüchtig ließ er seinen Blick über ihre Fassaden gleiten. Plötzlich stutzte er. Durch eines der kleinen Fenster, die wie schwarze Löcher in den Wänden klafften, meinte er den Widerschein eines flackernden Feuers zu sehen. Irritiert schloss Ethan die Augen. Die Migräne spielte ihm Streiche. Als er die Augen wieder öffnete, sah er den Widerschein noch immer. Konnte es sein, dass der Alte in dem Haus lebte?
Ethan hörte das Blut in seinen Ohren pochen. Eigentlich wollte er dem unheimlichen Alten auf keinen Fall begegnen, zumal es Nacht war und dieser ein Gewehr besaß. Andererseits musste jemand mit ihm sprechen um herauszufinden, ob er letzte Nacht den Code für das Tor im Zaun geändert hatte. Lange stand Ethan unentschlossen da. Dann ging er zur Haustür und klopfte zaghaft. Keine Reaktion. Auch sein zweites Klopfen blieb unbeantwortet. Einige Augenblicke dachte er daran, sich kurz in dem Haus umzusehen, doch verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Er konnte überhaupt nicht einschätzen, wie der Alte reagieren würde, wenn er ihn hier in seinem Haus überraschte. ...
© Dem Autor Jon Winter danken wir herzlich für die Leseprobe aus seinem Psychothriller "Kalt gemacht" und die Verwendung der Coverabbildung, 06/2020.
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