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Schreibcoach Nadia Sheen hat einen Bestseller geschrieben. Acht Wochen später ist sie tot, erschlagen an einer Baustelle in der Nähe ihrer Wohnung. Der Tat dringend verdächtigt wird der Spieler Hendrik Sheen, ihr Bruder, der mit ihr kurz vor der Tat einen heftigen Streit um Geld hatte.
Aber hat Hendrik wirklich seine Schwester auf dem Gewissen? Kommissar Jan Giesel ist überzeugt. Aber irgendetwas passt nicht zusammen. Der Kommissar taucht ein in die illustre Welt der Buchblogger, Literaturagenturen, Autoren und Schreibcoaches und in den Hype um "Blackwell's Fleet", der ihn sogar bis ins heimische Schlafzimmer verfolgt.
"Tod einer Autorin" ist ein spannender Krimi über die Macht der literarischen Bilder, die Kraft der Suggestion und ein Verbrechen, das die Literaturszene erschüttert.
Unser Lesetipp für "Tod einer Autorin": Der außergewöhnliche Kriminalroman von Christian Wagnon wurde 2021 als Taschenbuch veröffentlicht (ca. 220 Leseseiten).
Sie schaute nach links, um sich zu vergewissern, dass die anderen zu sehr in ihre eigenen Gespräche vertieft waren, um auf sie zu achten.
"Natürlich weiß das nicht jeder", sagte sie. "Nadia löschte damals nach ein paar Tagen den Blogeintrag. Keine Ahnung, ob es ihr doch leidtat oder ob sie Angst um ihr Image hatte."
"Was stand in dem Eintrag?"
"Ein totaler Verriss von Floras letztem Buch. Das, aus dem sie heute las. Fazit der Rezension war, das Buch sei der schlimmste Mist, den sie seit langem gelesen habe."
"Oh." Giesel räusperte sich.
"Nun ja", sagte Fiona Sellbrücke. "Das Buch ist tatsächlich kein großer Wurf. Aber dermaßen hart darüber zu urteilen, ich weiß nicht, was Nadia da geritten hat. Das war nicht fair. Ich nehme an, ihr ist der Geduldsfaden gerissen und Flora musste es ausbaden. Wenn man gezwungen ist, sich mit so vielen schlechten Texten herumzuschlagen wie sie über die Jahre, kann es einem schon mal reichen. Oh, Flora, da bist du ja ...!"
Flora Tezel kam mit einem Pulk weiterer Gäste durch die Tür, lautes Hallo aus der Runde am Tisch begrüßte sie. Sie übersah die Runde mit einem Blick, und nach einem ebenso lauten Hallo zurück quetschte sie sich zu Giesel und Katie Sellbrücke ans Tischende.
"Danke, dass Sie gewartet haben", sagte sie zu ihm. Und zu der Buchhändlerin: "Ihr habt euch schon bekannt gemacht?" Ihr Blick ging von ihm zu ihr, und sie winkte der Bedienung.
"Einen Rotwein, bitte."
"Und für mich noch ein Bier", sagte Giesel.
"Ich hab seinen Namen nicht verstanden", sagte Fiona Sellbrücke, der offenbar entgangen war, dass Giesel ihn gar nicht genannt hatte.
"Das ist Kommissar Giesel", sagte Flora. "Er ermittelt wegen Nadias Tod."
Der Buchhändlerin klappte der Unterkiefer herunter. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Fassung wiedererlangte. "Wie hinterlistig", sagte sie dann mit erhobenem Zeigefinger. "Sind Sie dienstlich hier?"
"Ich muss was mit ihm besprechen", sagte Flora Tezel. "Kommen Sie, wir gehen mal kurz zum Tresen rüber."
Giesel schnappte sein Glas und folgte ihr. Ihr blasses Gesicht war rosig überhaucht, sie hatte den Rotwein auf einen Zug halb ausgetrunken und es war sehr warm im Lokal. Ihre Haare waren wie auch bei dem Empfang gewellt, aber diesmal mit zwei glitzernden goldenen Spangen an den Schläfen zurückgehalten.
"Tut mir leid, dass es so lang dauerte", sagte sie. "Zwei meiner Fans wollten mir unbedingt ihre ganze Lebensgeschichte erzählen."
"Sicher sehr anstrengend, solche Lesungen", sagte Giesel.
"Ja. Ich hasse es. Aber es bringt ein bisschen Geld und naja, kurbelt den Verkauf an. Ich könnte drauf verzichten. Ich bin immer froh, wenn ich es hinter mir habe ohne zu stottern. Ich habe als Kind gestottert, wissen Sie. Manchmal bricht mir der Schweiß aus, wenn ich da vorn sitze und daran denke. Aber Sie hatten ja nette Gesellschaft, wie ich sehe."
Ihrem Ton war nicht anzumerken, ob sie das freundlich oder ironisch meinte. Sie zog ein Tüchlein aus der Hosentasche und begann ihre riesige Brille zu putzen, die sich beschlagen hatte.
"Glauben Sie an Vorsehung?", fragte sie. Ihre Augen waren ohne Brille, die leicht getönt war, im Licht der Thekenbeleuchtung von einem irisierenden Grün.
"Wie meinen Sie das?"
"Nun ja, ich meine, glauben Sie, dass es keine Zufälle gibt?"
"Sie müssen mir schon näher erklären, was Sie damit meinen", sagte Giesel. Im Bekanntenkreis seiner Frau gab es mehrere Frauen, die reichlich esoterische Vorstellungen hatten, was zwischen ihm und ihr zu allerhand Anekdoten am Küchentisch führte, wenn sie sich darüber ausbreitete.
"Ich hatte mir schon bei dem Empfang überlegt, ob ich nicht mit Ihnen mal reden sollte. Aber ich hätte es dann wohl doch nicht gemacht, wenn Sie jetzt nicht zu meiner Lesung gekommen wären", sagte die Autorin. "Ich glaube, das war ein Zeichen. Ein Zeichen, dass ich Ihnen sagen sollte, dass ich Hendrik nicht für Nadias Mörder halte. Wären Sie jetzt nicht dort aufgetaucht, würde ich wohl nichts sagen."
Man hatte Flora Tezel nicht vernommen, weil sie nicht in Nadia Sheens Kontaktliste stand. Giesel dämmerte, warum sie dort fehlte.
"Wann ist Ihre Freundschaft mit Nadia Sheen in die Brüche gegangen?", fragte er.
"Davon wissen Sie schon?" Sie schaute an ihm vorbei zu der Tafel hinüber. "Vor einem Jahr. Und dann wissen Sie ja auch, warum."
"Ja. Was ist mit Hendrik?", fragte Giesel rasch, bevor sie sich auf diesem Thema ausbreiten konnte und ihm ihr Leid klagen, von Nadia Sheen alias Sheena Brendan so schäbig behandelt worden zu sein.
"Ich kenne Hendrik", sagte sie. "Er ist zu sowas nicht fähig. Er ist ein Spinner, ein Taugenichts, aber er würde niemals so gewalttätig sein."
"Auch nicht, wenn er verliert?"
"Ich weiß, was Sie sagen wollen. Er rastet ziemlich aus, wenn er die Kontrolle verliert. Oder etwas nicht läuft, wie er will. Aber er war noch nie gewalttätig. Wissen Sie, was ich denke? Wenn er es gewesen wäre, würde er es sagen. Er könnte es nicht für sich behalten."
"So gut kennen Sie ihn?" Sie verstand, was er damit fragen wollte.
"Es waren nur ein paar Monate", sagte sie. Der rosige Ton war inzwischen in ein fast kräftiges Rot übergegangen, als hätte sie zu viel Rouge aufgelegt. "Fünf oder sechs. Ich weiß nicht mehr genau. Es hatte auch nicht mehr sein sollen. Von meiner Seite aus. Ich wollte nicht, dass er sich bei mir einnistet. Ich kenne solche Beziehungen. Mein Bruder war Junkie. Sie saugen einen aus. Nicht mit Absicht, es ist einfach so. Hendrik konnte auch sehr lieb sein. Aber wenn man süchtig ist, liebt man niemanden, man braucht ihn lediglich. Und nutzt ihn aus. Natürlich hätte Hendrik sich gern an mich gehängt. Ich habe Schluss gemacht, bevor es zu kippen drohte." ...
Von Christian Wagnon hatten wir auch diese Kriminalromane vorgestellt: "Gerechtigkeit" sowie "Rendezvous mit einem Phantom".
© Ein Verbrechen, das die Literaturszene erschüttert: Für die Textauswahl aus "Tod einer Autorin" sowie die Abbildung des Buchcovers danken wir dem Autor Christian Wagnon sehr herzlich, 03/2021.
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