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"Des Lebens ganze Fülle" – so lautet der deutsche Titel eines Buches der amerikanischen Schriftstellerin Pearl Sydenstricker Buck, die am 26. Juni 1892 in West-Virginia geboren wurde. Dieser Buchtitel ist so wunderbar passend für die Nobelpreisträgerin, die einen Teil ihres Lebens im kaiserlichen China verbrachte.
Als Tochter eines Missionars war es nicht allzu ungewöhnlich, dass sie in einem fremden Land lebte, da ihr Vater dort seine Berufung gefunden hatte. Doch anders als viele Auswanderer und Weltreisende empfand das Kind bald eine tiefe Liebe und großes Verständnis für die Menschen dort. Ihr 1930 erschienenes Erstlingswerk "Ostwind – Westwind" erzählt von der Kluft, die es zu überwinden galt und die von den Helden dieser Geschichte auch überbrückt wurde.
Die Art und Weise, wie Buck vom Leben der Menschen im Reich der Mitte erzählte, fand sofort viele Bewunderer. Ob es sich nun um arme Bauern handelte – solche, die jeden Tag ihres harten Daseins um das Überleben kämpfen mussten – oder ob sie das Leben in einem großen und wohlhabenden Haus schilderte: Bucks tiefes Verständnis für die Menschen ließ den Leser teilhaben und vor allem verstehen und nachempfinden.
Ihr Buch "Die gute Erde" (1931) ist eine Familiensaga aus dem bäuerlichen China um die Jahrhundertwende. In ihr wird erzählt, wie ein einfacher Bauer zum Herrn eines großen Hauses und Begründer einer Dynastie wird. Pearl S. Buck konnte die Lebensweise des asiatischen Volkes den westlichen Lesern auf eine Weise nahebringen, wie dies noch niemals jemand getan hatte. Es heißt, dass sie ebenso früh chinesisch sprechen konnte wie englisch und dass ihre Amah ihr die Mentalität und die Art zu denken durch ihre Erzählungen und Lieder beigebracht habe. Ihre Spielkameraden waren chinesische Kinder. Fast alle Menschen, außer ihren Eltern, waren ebenfalls Chinesen.
Später sollte Buck einmal sagen, dass sie überall ein bisschen zu Hause sei, aber nirgendwo richtig. In ihren Büchern verarbeitete sie die eigenen Erlebnisse und einige biografische Elemente, so kamen auch geistig behinderte Kinder in den Geschichten vor. Pearl S. Bucks eigene Tochter war mit der Erbkrankheit Phenylketonurie geboren worden. Zur damaligen Zeit war diese Krankheit noch kaum erforscht und führte daher zu einer massiven Einschränkung. Ihrem Kind hat Buck ein ganzes Buch gewidmet mit dem Titel "The child who never grew" (Geliebtes unglückliches Kind). Ihrer ersten, nach eigenen Worten nicht sehr glücklichen Ehe, entstammte ihr einziges leibliches Kind. Mit ihrem zweiten Ehemann adoptierte Pearl S. Buck acht weitere Kinder.
"The good earth" (Die gute Erde) brachte ihr 1932 den Pulitzerpreis ein, und sechs Jahre später bekam sie den Nobelpreis für Literatur. Diese Verleihung fand nicht nur Beifall, denn ihre Bücher wurden von manchen Kritikern zur Trivialliteratur gezählt. Ein Grund dafür ist wohl der gewesen, dass vor allem Frauen die Romane Pearl S. Bucks schätzten und liebten. Wer die Werke der Schriftstellerin aufmerksam liest, wird allerdings erkennen, dass diese nicht viel gemeinsam haben mit den landläufigen romantischen Geschichten um Liebe und Schicksal – Buck verlor niemals die Realitäten des Lebens aus den Augen und schilderte, was dazugehörte.
Ihre Biografie der Kaiserin Tzu Hsi "Imperial Women" ("Das Mädchen Orchidee") zeigt ein äußerst komplexes Bild einer Person und deren Entwicklung zum Machtmenschen aus Leidenschaft ebenso wie aus Notwendigkeit. Ihre Figuren sind niemals flach oder schablonenhaft, sie verfügen über das ganze Repertoire menschlicher Unzulänglichkeit. Pearl S. Buck hat Dinge angesprochen, die ihre Leserschaft vielleicht zuweilen verschreckt haben könnten – so wie minderjährige farbige Eltern oder Geisteskrankheiten – doch zeigte ihre Weise der Schilderung tatsächlich die Fülle des Lebens, welche nichts ausschließt.
Kaum eine Autorin von Rang war so produktiv wie sie, denn ihre Bibliografie umfasst mehr als siebzig Werke. Eine ihrer prägnantesten Begabungen als Erzählerin waren die "kleinen Dinge", die sie liebevoll beschrieb und die, durch ihre scheinbare Trivialität, den Menschen in ihren Büchern Hintergrund und Tiefe verliehen. Ein Zitat Bucks lautet denn auch: "Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das Große warten."
Buck liebte und schätzte die glücklichen Momente des Lebens, schöpfte die Fülle aus, wo immer es ihr möglich war. Mit siebzig Jahren lernte sie tanzen, fand in ihrem sehr viel jüngeren Tanzlehrer einen Freund und Biografen. Als sie 81-jährig in Danby/Vermont starb, hinterließ sie ein eindrucksvolles Lebenswerk, das bei weitem nicht nur aus ihren Büchern bestand. Sie hatte Kindern ein Zuhause gegeben und zwischen Ost und West vermittelt, hatte ein zuweilen sehr schweres Leben gemeistert und Hilfsorganisationen gegründet.
Ihre Leidenschaft für die Menschlichkeit hat sie einmal so begründet: "Ich war ein willkommenes Kind, ein Umstand, der, wie ich glaube, eine natürliche Gutmütigkeit und eine Neigung zum Optimismus zur Folge hat."
© "Pearl S. Buck: Des Lebens ganze Fülle": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Schriftstellerin mit Schreibmaschine, CC0 (Public Domain Lizenz).
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