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Sie wollen anderen Menschen etwas Gutes tun, ohne selbst etwas davon zu haben?
Stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten das ganze Jahr über Zehn-Euro-Scheine gesammelt. Wenn möglich, immer dann, wenn ein Zehner offensichtlich in der Geldbörse liegt oder auch beim Einsparen. Immer, wenn Sie sich etwas verkniffen hätten oder das Auto öfter mal stehenließen (das ist für eine ganze Menge Scheine gut). Dann stellen Sie sich vor, Sie würden dieses Geld einfach als nicht vorhanden betrachten – als nicht für Sie vorhanden, wohlgemerkt. (Read this in English)
Dann stellen Sie sich weiter vor, Sie würden sich schlichte, weiße Briefumschläge besorgen. Das sind so Dinger, die man benutzte, bevor es E-Mails gab – die Älteren werden sich noch daran erinnern (kleiner Scherz am Rande). Dann tüten Sie die Scheinchen ein – immer eins in einen Umschlag. Auf den nun schreiben Sie mit einem bunten Stift "FROHES FEST" oder "VIEL GLÜCK". Sonst nichts. Dann legen Sie alles beiseite bis etwa eine Woche vor Weihnachten (oder einem Tag Ihrer Wahl). Natürlich kann man auch Fünfzig-Euro-Scheine nehmen ... so man hat.
Wie auch immer, am gedachten Tag X ziehen Sie sich unauffällig an und verstauen die Umschläge in einer Umhängetasche oder einem Rucksack. Und raus geht es, auf die Straße. Im Einkaufstrubel achten die Menschen nicht allzu sehr aufeinander, was für Ihr Vorhaben förderlich ist. Dann geht es vor allem darum, die Augen offen zu halten. Sehr alte Menschen in Kleidung, die schon bessere Tage gesehen hat, gehören wahrscheinlich zur Zielgruppe. Beobachten ist hier angesagt – ebenso Geduld. Haben Sie jemanden ausgemacht, der mühsam durch die Einkaufsmeile geht und den Kopf gesenkt hat, schleichen Sie sich an und lassen einen Umschlag in die Einkaufstüte, oder was sich auch sonst anbietet, gleiten.
Personen mit Kindern, die immerzu auf diese einsprechen, können ebenfalls zu der Gruppe gehören, die Sie suchen. Zu beobachten sind die Gesichter der Erwachsenen – es gibt da einen bestimmten Ausdruck, der eine Mischung zwischen Schmerz, Resignation und Zorn auf sich selber zeigt, weil den Kindern alles abgeschlagen werden muss. Auch hier gilt: im Vorbeigehen unauffällig einen Umschlag verstauen.
Sie haben mittlerweile verstanden, worauf es ankommt? Gut, spätestens hier beginnt die Sache Spaß zu machen. Bei Kindern, die allein unterwegs sind, kann auch hier und da ein Briefchen zugesteckt werden. Haben Sie keine Möglichkeit, den Umschlag zuzustecken, ohne dass es bemerkt wird, müssen Sie ihn der betreffenden Person in die Hand drücken und so schnell es geht in der Menge verschwinden. Deshalb auch die unauffällige Kleidung. Bei alten Menschen dürfte das keine großen Schwierigkeiten bereiten.
Geeignete Leute sind nicht schwer zu finden, Sie sind mittlerweile ganz gut darin. Angst, Ihre Gabe könnte auf jemanden treffen, der sie nicht nötig hat, darf Sie nicht von Ihrer Aufgabe abhalten. Außerdem wird die Trefferquote bei geschätzten 95 Prozent liegen. Wichtig ist, nicht alle Umschläge zu verteilen, denn Sie müssen noch Briefträger spielen. Mit Sicherheit gibt es mehrere potenzielle Empfänger in der unmittelbaren Nähe Ihrer Wohnung, welchen Sie die Umschläge einfach in den Postkasten werfen.
Müde, aber bester Laune, kommen Sie dann heim. Was Sie nicht hatten bei Ihrer Aktion war Dank und vor Freude große Augen, und anderes, was zum Klischee gehört. Aber genau das wollten Sie ja auch vermeiden – Sie wollten jemanden etwas Gutes tun, ohne direkt etwas davon zu haben. Das ist einigermaßen hinterlistig gedacht – und während Sie Ihren Tee mit Kandis schlürfen, machen Sie schon Pläne für das nächste Jahr. Na gut ... war ja auch nur eine ausgedachte Geschichte, die nicht nur zur Weihnachtszeit passt. Wer aber würde so etwas schon tun ...?
© "Das Geheimnis des Gebens: Freude ohne Dankbarkeit. Eine ausgedachte Geschichte, die nicht nur zur Weihnachtszeit passt": Ein Beitrag von Eleonore Radtberger, 2011. Bildnachweis: Die Abbildung zeigt Banknoten aus verschiedenen Ländern, CC0 (Public Domain Lizenz).
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