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Herbst – das Jahr neigt sich dem Ende zu. Langsam, aber doch merklich, müssen wir uns von so manchem verabschieden. Die Übergangszeit des Herbstes ist, wenn auch nicht in jedem Jahr, die Gelegenheit zur sanften Anpassung auf den kommenden Winter. Die Ernte wird eingefahren, ob das nun die Bauern betrifft oder die Gartenbesitzer. Die letzten Blumen verblühen langsam, im Stadtpark wird die Sicht immer freier und das satte Grün verschwindet, um den flammenden Herbstfarben Platz zu machen.
Vorbei sind nun die Morgendämmerungen, die kaum einige Stunden nach Mitternacht aufziehen und die von den Vogelstimmen begleitet werden. So mancher, der in der Sommerhitze nicht schlafen konnte, griff bei diesen Gesangsdarbietungen zum Wecker, um festzustellen, wie lange es dauern würde, bis er klingelt. Dabei hätte er das gar nicht wirklich gebraucht, denn der Morgengesang der Vögel folgt einem ganz bestimmten Rhythmus, der sogar eine einigermaßen präzise Zeiteinteilung nach unserer Uhr erlaubt. Zwar erscheint es uns, als sängen sie alle kurz nach dem Sonnenaufgang, aber das scheint nur so – denn jede Art hat ihre Zeit, um den Tag zu begrüßen. Dieses Phänomen nennt man die "Vogeluhr", und sie richtet sich nach dem Sonnenaufgang.
Vogelmännchen singen, um ihr Revier zu begrenzen. Würden nun alle Arten direkt vor oder nach dem Sonnenaufgang loslegen, ginge der Zweck verloren, denn die Rufe richten sich ja an die eigene Art. Also hat die Natur so etwas wie eine Reihenfolge eingerichtet, damit jeder seine Botschaft "loswerden" kann. Der Fixpunkt ist der tatsächliche Sonnenaufgang, nicht unsere gemessene Zeit. Das bedeutet, ein Rotkehlchen singt in England zu einer anderen Zeit als in der Schweiz – einfach, weil die Dämmerung zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet. Deshalb nehmen wir das morgendliche Konzert im Hochsommer auch eher wahr – es beginnt zu einer Zeit, da der Verkehr weitgehend ruht und es sonst kaum andere Geräusche gibt, selbst in der Stadt nicht.
Schreitet das Jahr weiter voran, gehen die Stimmen der kleinen Sänger eher in den Geräuschen der Städte unter. Wer allerdings in einer ruhigen Gegend oder auf dem Land lebt, "hört" die Zeitverschiebung bewusster. Wann immer die Tage auch beginnen, mit etwa eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang ist der Gartenrotschwanz der früheste Sänger, gefolgt vom Rotkehlchen. In einem Rhythmus von durchschnittlich zehn Minuten folgen dann die anderen: Amsel, Zaunkönig, Kuckuck, Kohlmeise, Zilpzalp, Buchfink sowie Sperling. Mit etwa zehn Minuten nach dem Sonnenaufgang folgen dann noch weitere wie Star und Buntspecht.
Erstaunlicherweise wissen nicht allzu viele Menschen von dieser "Uhr mit Federn", obwohl sie ein sehr interessantes Phänomen ist. Direkt vor unserer Nase tun sich bemerkenswerte Dinge, die ebenso erstaunlich sind wie die Wanderungen der Wale oder das Verhalten der afrikanischen Elefanten. Vielleicht sollte man sich einmal mit den verschiedenen Stimmen der heimischen Vögel befassen, damit man den kostenlosen Service dann im nächsten Jahr, wenn die Tage wieder länger werden, mit wachen Sinnen genießen kann.
© "Der kostenlose Weckruf: Die Vogeluhr": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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