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Wir beginnen mit der Geisel aller Arbeitnehmer, Selbstständigen, Rentner, Hartz-IV-Bezieher und der Schüler: dem Montag. Eigentlich ist er nach dem Mond benannt, besser gesagt nach einer Mondgöttin. Das macht Sinn, denn "Luna" hat etwas mit "launisch" zu tun – und wer kann schon sagen, dass er am Montagmorgen mit guter Laune aufwacht. Das sollte zwar so sein, da man ja den Sonntag zur Erholung nutzen konnte und zum viel besungenen "Baumeln lassen der Seele". Aber wir sprechen hier über die Realität, nicht wahr.
Viele Leute haben Angst vor Freitag dem dreizehnten, weil dieser ja ein sehr unglückseliger Tag sein soll – aber gegen einen gewöhnlichen Montag ist so ein schwarzer Freitag geradezu ein Glückstag, denn der Montag zieht alle möglichen Unfälle, technische Versagen und Missgeschicke geradezu magisch an. Eigentlich sollte man frisch erholt in die neue Woche starten – die meisten von uns müssen aber aus dem Haus, um irgendetwas zu tun, was sie nicht möchten – hinaus in eine Welt, in der große Unbill wartet. Allerdings ist man meist zu schlaftrunken, um das alles mitzubekommen.
Der Dienstag bringt uns weiter vom Wochenende fort und lässt die Ruhezeit (sollte man sie tatsächlich gehabt haben) in unserem Gedächtnis langsam verblassen. Das ist auch gut so, denn nun sollten wir uns den Herausforderungen der Woche stellen. Dieser Tag nämlich ist dem Kriegsgott Mars zugehörig, und die Schreibweise hat ihre Wurzeln in Tyr oder Tiu, bei welchen es sich ebenfalls um Götter handelt, deren Gewerbe der Kampf war.
Heute ragt der Rest der Woche wie ein Gebirge vor uns auf, jede Arbeit scheint absolut kein Ende nehmen zu wollen. Egal, worum es sich handelt, denn sogar Schulkinder verfallen in eine Art schicksalsergebene Starre, die etwa bis Freitag vorhalten wird. Rentner können sich da übrigens durchaus nicht milde lächelnd auf die Zuschauertribüne begeben, denn lebenslange Gewohnheit lässt sie die Symptome genau so spüren wie früher auch.
Der Mittwoch bezeichnet die Wochenmitte, rein rechnerisch gesehen. Sonst geht er angeblich auf den römischen Gott Merkur zurück oder auch auf den germanischen Wodan. Beide Unsterbliche haben so einiges gemeinsam, unter anderem eine gewisse Schlitzohrigkeit. Neben diesen Tatsachen ist der Mittwoch der Tag der Woche, an dem man die dämlichsten Sprüche hört. "Schönes Bergfest" wird da gewünscht, und jeder zweite hält sich für äußerst witzig, wenn er meint: "Heute ist Mittwoch, da wird die Woche geteilt." Ansonsten ist dieser Tag für Schmerzen und kleine Unfälle jeder Art zuständig. Da an einem Mittwochnachmittag die allermeisten Arztpraxen geschlossen sind, eignet sich dieser Tag hervorragend für Zahnschmerzattacken oder ähnliches. Die Zeit bis zum nächsten Tag mit Schmerztabletten zu überbrücken ist nicht so leicht, wie man sich das vorstellt, da nämlich auch Apotheken geschlossen haben. Es gibt zwar solche, die Notdienst haben, doch belehrt einen die Zeitung, dass die diensthabende Apotheke in irgendeinem Vorort liegt. Nur einen Tag später, wenn die Schmerzen vergangen sind, ist die dienstbereite Institution dieser Art um die Ecke. Philosophen beschäftigen sich am Mittwoch mit der Wochentagsvariante dieses "halbvolles halbleeres Glas Drehs". Nur heißt es hier entweder: "Wie schön, die halbe Woche ist schon geschafft", oder: "Gerade mal die Hälfte hinter mich gebracht."
Am Donnerstag ist in gewisser Hinsicht Land zu sehen, denn man hat nun den Freitag vor Augen. Der aktuelle Tag ist allerdings dem Gott des Donners geweiht, was sich zuweilen in Zornausbrüchen niederschlägt. Man ist es ziemlich leid bis hier und reagiert auf dämliche Kollegen, zickige Lebenspartner, quengelnde Kinder und launische Haustiere zunehmend mit Groll, welcher sich tatsächlich zu einem Donnerwetter ausweiten kann. Das passt allerdings sehr schön zur eigentlichen Bedeutung des Namens und sollte nicht überbewertet werden. Kräftige junge Menschen und überzeugte Partygänger sehen den vor der Türe stehenden Freitag als fast erreichte Grenzmarke und beginnen gleich mit den Wochenendvergnügungen. Das bedeutet einen zusätzlichen Kopfschmerztag, den Freitag nämlich. Menschen mit großer Selbstbeherrschung hingegen freuen sich etwas gesetzter auf die zu erwartende Freizeit. So gesehen zeichnet den Donnerstag nur die Tatsache aus, dass er der Tag vor dem Freitag ist.
Der Freitag ist zwar kein freier Tag, sondern leitet sich von der Göttin Freia ab – welche aber eine durch und durch angenehme Person war. Sie stand für so ziemlich alles, was wir mögen – von Schönheit bis Freude – und passt daher sehr gut zum Schluss der Arbeitswoche. Für manche Menschen ist tatsächlich der Freitag der letzte Arbeitstag vor dem Wochenende. Früher war das allgemein so, heutzutage nimmt oft der Samstag diese wichtige Stelle ein. Ämter und Behörden haben um die Mittagszeit geschlossen, was die dort beschäftigten Menschen sehr mögen. Allerdings sieht das die innere Uhr aller anderen Arbeitnehmer ähnlich, weswegen die Konzentration spürbar nachlässt (Unfallgefahr). Schüler haben um diese Zeit längst die Konsolen angeschaltet oder die Inliner an den Füßen. Der Freitag ist auch ein Tag der Planung – schließlich muss das kommende Wochenende bis zum letzten ausgenutzt werden. Der Freitagabend hat einen besonderen Stellenwert, er dient zum Feiern der erlangten Freiheit und mutiert daher meist zu einer besonders langen Nacht.
Der Samstag gehört, streng genommen, zum Wochenende – aber in der Praxis gestaltet er sich oftmals eher stressig. Das kommt daher, dass viele Dinge erledigt werden müssen, zu denen man unter der Woche keine Zeit hat. Meist werden diese Dinge in den Vormittag gepackt, was diesen zuweilen härter macht als ein Arbeitstag. Einkaufen, putzen, Wäsche erledigen, Reparaturarbeiten ausführen und dergleichen mehr. Da der Samstag dem Saturn zugeordnet ist, darf man sich über erhöhtes Stressaufkommen nicht wundern, denn der ist der Planet der Zeit. Jetzt ist auch die Zeit, in der sämtliche Planungen vom Freitag in kleinen Schritten zunichte gemacht werden. Das Grillfest findet wegen Dauerregens nicht statt, wenn doch, sind die Grillkohleanzünder verschwunden. Außerdem muss das Auto noch in die Waschanlage, was man bei dem Einkaufsstress vergessen hatte. Theater-, Konzert- oder Kinobesuche stellen erhöhte Ansprüche an unsere Ausdauer, da wir so fürchterlich müde von dem anstrengenden Tag sind. Wer sich so etwas nicht antun will, schläft dann eben vor dem Fernseher ein.
Der Sonntag, der Tag der Sonne und des Lichts. Auf diesen Tag haben wir die ganze Woche lang hingearbeitet, auf diese Zeit der Ruhe und Erholung. Es macht nichts, wenn der Regen, der seit gestern hartnäckig fällt, das geplante Naturerlebnis ausfallen lässt – man kann auch in den vier Wänden glücklich sein. Könnte man tatsächlich, wenn die Verwandtschaft endlich lernen würde, dass höfliche Menschen sich anmelden, bevor sie einfallen wie die Heuschrecken. Das gilt auch für langverschollene Freunde, die sich gerade diesen Tag für einen überfallartigen Besuch ausgesucht haben. Eigentlich sollte man den niederen Instinkten nachgeben und den ganzen Tag auf der Couch herumliegen – aber man möchte doch etwas vom Tag haben. Es ist eine Zwickmühle und kann in schweren Fällen zu einer fixen Idee werden. Aber selbst wenn Besuch ausbleibt und das Wetter annehmbar ist, stiehlt sich doch spätestens ab der Tagesmitte der Gedanke an den Montag ein. Und statt an schöne Dinge zu denken, befasst man sich schon wieder mit der Unbill des Montags ... siehe oben.
© "Pressenets kleiner Wochenspiegel": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustrationen: Thomas Alwin Müller, littleART.
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