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Der Held, oder die Heldin, erlebt unglaubliche Abenteuer, meistert die sonderbarsten Situationen und macht eine rasante Entwicklung durch. Da wird geliebt und gehasst, werden folgenschwere Entscheidungen getroffen und Freundschaften für das Leben geschlossen – die Liebe kommt meist auch dazu und muss sich unter schwersten Umständen beweisen. Das ist so der Stoff, aus dem Abenteuer gewebt werden und spannende Geschichten entstehen. Eigentlich nichts Besonderes, oder?
Aber, in den Geschichten, von denen hier die Rede ist, sind Tiere die Hauptpersonen. Diese besondere Art, etwas aus der tierischen Perspektive zu sehen und zu erzählen, hat eine ganz besondere Wirkung auf den Leser oder Hörer. Fast jeder kennt Rudyard Kiplings berühmtes "Dschungelbuch", in dem Tiere die Hauptrolle spielen. Aber seit dieses Werk immer wieder die Leser fasziniert hat, wurden noch viele Abenteuer und Geschichten um unsere nächsten Verwandten gewebt.
Wenn ein Autor fähig ist, den Leser zu verwandeln – also ihn mit den Augen der Tiere sehen lässt – ist die Welt plötzlich eine völlig andere. Man taucht in ein Leben ein, das man sich vorher niemals hätte träumen lassen – wie zum Beispiel in der Silberflügel-Trilogie von Kenneth Oppel.
Da der Held eine Fledermaus ist, kommen die faszinierenden Fähigkeiten dieser Säugetiere als zwar reales, aber für uns völlig fremdes Element hinzu. Das Sonar dieser Tiere erlaubt ihnen, die Welt auf eine hochinteressante Weise zu sehen und zu erleben. Die kleine Fledermaus wird von einem etwas unterentwickelten Jungen zu einem Helden seines Volkes, setzt sich mit anderen Spezies und auch mit den Menschen auseinander.
Es geht in Oppels Fledermaus-Büchern um Toleranz und die Fähigkeit, das andere zu akzeptieren. Es ist so spannend erzählt, dass man völlig eintaucht in die Silberflügel-Welt.
Das Zusammenleben mit den Humanoiden ist auch ein Thema von Tom Shachtman in seinen Geschichten von "Daniel dem Seelöwen". Der junge Seelöwe bricht aus seinem behüteten Leben unter menschlichem Schutz aus, um zu sich selbst zu finden und ein Herr des Strandes zu werden. Seine Kolonie dient als Forschungsobjekt. Zu diesem Zweck verabreicht man den Tieren mit Beruhigungsmitteln versehenes Futter. Dadurch soll verhindert werden, dass sie den Strand verlassen – doch Daniel bricht aus und führt seine Sippe fort von den "Fleischtöpfen Ägyptens" in das gelobte Land der Seelöwen. Auch Daniel lernt Toleranz, und dass gegenseitige Akzeptanz mehr bringt als der kalte Krieg der Arten.
Natürlich können diese wunderbaren Erzählungen in gewisser Weise als Fabel gesehen werden, denn letztendlich lernt man Tiere kennen, die genau so sind wie wir Menschen. Grimmig, nett, treu, verräterisch. Doch die besonderen Eigenschaften, die sie besitzen, machen jedes Tier besonders. Akif Pirinçcis Katzenkrimi "Francis" zum Beispiel ist ein Buch, das in vielerlei Hinsicht neue Wege gegangen ist.
Zwar agieren die Katzen ähnlich wie unsere Spezies (es gibt den tumben Kraftprotz, den gutmütigen Veteranen oder den kalten Zyniker ebenso wie den religiösen Fanatiker), doch Pirinçci vermittelt in seinen Francis-Geschichten auch sehr fundiertes Wissen über Katzen. Und wer Katzen liebt, könnte direkt glauben, dass die elegante Schnoddrigkeit der Sprache, die in den Büchern vorherrscht, genau das wäre, was wir von unseren Zimmertigern hören würden, wenn sie geruhten, mit uns zu kommunizieren.
Ob es nun aber Katzen, Hunde oder Pferde, Fledermäuse oder Delfine sind: Geschichten dieser besonderen Art üben einen großen Reiz auf uns aus. Wir lieben den Besuch auf einem anderen Planeten, auf den es letztendlich hinausläuft – denn die Sinne der Tiere sorgen für das phantastische Moment in den Abenteuern. Dies sorgt – das ist neben dem Lesevergnügen der größte Verdienst der Autoren – für ungleich mehr Akzeptanz des Fremdartigen. Was unverständlich und anders war, wird zum Interessanten und Faszinierenden. Und das möchte man erhalten, nicht auslöschen.
© "Besondere Helden: Katzenkrimis und andere Tiergeschichten": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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