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Hilde Niggetiet, 1910 geboren, erzählt in ihrer Biografie von dem Versuch, in den Wirren der Kriege ein normales Familienleben zu führen. Bombenangriffen, Kinderlandverschickung und persönlicher Schicksalsschläge zum Trotz lässt sie sich nie entmutigen. Als sie aber gegen den Willen ihrer Familie mit ihrem Geliebten Erwin durchbrennt, scheint für sie die Chance auf ein glückliches Familienleben endgültig gescheitert.
Der Autor Jörg Krämer hat aus den mündlichen Aufzeichnungen seiner Großmutter die vorliegende Biografie "Herz schlägt Krieg" verfasst und ihr somit ein Denkmal gesetzt. Wie Rezensenten andernorts berichten, ist es ein "sehr warmherziges und berührendes Buch", das "in seiner Schlichtheit so authentisch" wirkt.
Die gebundene Ausgabe von "Herz schlägt Krieg" umfasst 254 Seiten und wurde im Januar 2018 vom net-Verlag herausgegeben (ISBN 978-3957202260). Der historische Roman von Jörg Krämer ist auch als E-Book erhältlich.
An einem Sonntag besuchte sie uns. Wir unterhielten uns schön. Ich lobte Frau Wittum in den höchsten Tönen.
Da platzte sie raus: "Wenn du wüsstest!"
"Raus mit der Sprache!"
"Hilde, versprich mir nur, dass du nichts sagst."
"Ehrenwort."
"Gut."
"Nun erzähl schon!" Ich war so aufgeregt.
"Ich traf sie am Dienstag und fragte nach dir. Da meinte sie, es gehe dir gut, und an Fleiß wärest du nie zu übertreffen, aber raffiniert."
Ich war sprachlos. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Warum nur? "Ach, wegen der Eier."
"Das auch."
"Nun sag schon!"
"Hast du dein Bett immer mit ihrer Wäsche bezogen?"
"Na klar."
"Du hattest doch eine große Kiste eigene Bett- und Tischwäsche bei dir. Selbst die Handtücher hättest du aus ihrem Wäscheschrank genommen."
"Aber Paula, das habe ich doch für selbstverständlich gehalten." Ich heulte. "Das ist der Dank dafür, dass ich mich abgerackert habe."
"Denk mal an dich, was du in der Zeit verdient hast. Von den Lebensmittelkarten gar nicht zu reden."
"Mein Bruder hätte sie so nötig gebraucht." Ich kannte mich vor lauter Wut nicht. "Das ganze Geld hat sie sich eingesteckt. Die Tomaten sind uns bald aus den Ohren gewachsen. Das bisschen Brot. Sonst wuchs doch alles im Garten."
"Mensch, Mensch, Hilde, beruhige dich doch!"
"Das geht nicht in meinen Kopf. Für zwei Familien den Haushalt in Ordnung halten und so nebenbei den Garten. Ich verstand nicht viel davon, aber am Ende habe ich es geschafft. Ihr Mann hat es eingesehen. Sie ist wohl zu doof dazu. Der werde ich heute Abend was erzählen!"
"Bitte, bitte, Hilde, tu mir das nicht an!"
"Warum? Hast du mit ihr geredet? Wie kannst du nur so was von mir denken? Gut, Paula, dir zuliebe sage ich nichts, aber mit so falschen Menschen kann ich nicht leben. Ich würde es verstehen, wenn sie arm wäre, aber sie hat Berge an Wäsche, die kann sie nie im Leben aufbrauchen. Und übrigens hätte sie mir es doch nur sagen brauchen."
Als Paula ging, brummte ich vor mich hin: "Hättest du doch nichts gesagt. Ich kann nie wieder so nett zu ihr sein."
Ich konnte es nicht fassen. War es wirklich falsch, was ich getan hatte? Ich grübelte und grübelte noch lange darüber nach.
Als Frau Wittum mit Gerlinde nach Hause kam, sagte meine Edith: "Mutti hat so geweint."
"Aber warum denn, Frau Niggetiet?"
Ich hatte mich wieder beruhigt. "Ich möchte nach Hause."
"Das kann ich verstehen, aber hier haben Sie es doch so gut und ruhig."
"Zu Hause sind so viele Mütter mit ihren Kindern", sagte ich, "deren Männer im Krieg sind. Und ich habe meinen Gott sei Dank bei mir. Gemeinsam werden wir es dann wohl auch schaffen."
Sie war sprachlos.
Ich sagte: "Wie bekomme ich nur meine Kiste nach Hause?" Hier hatte ich die Wäsche in Sicherheit. Wenigstens etwas, wenn unser Haus mal einen Volltreffer abkriegen sollte.
Frau Wittum meinte: "Nehmen Sie nur das Nötigste mit! Sollten Sie sich für zu Hause entscheiden, schicke ich Ihnen Ihre Sachen nach. Liesl wird mir dabei helfen."
Ich war so glücklich.
"Gerlinde und ich werden uns ganz einsam fühlen, was, mein Schatz?"
"Edith soll bei mir bleiben." Aber mein Kind war nicht mehr zu halten. Ich tröstete die Kleine: "Wir kommen bestimmt wieder. Ganz bestimmt. Ich glaube schon. Frau Wittum, das wird eine Überraschung!"
Am nächsten Tag fuhren wir zu Liesl, um uns zu verabschieden.
"Mein Gott, so plötzlich?"
Sie machte mir ein schönes Päckchen. "Danke, das nehme ich meinem Bruder mit."
"Das sollte aber eigentlich für Sie sein."
Ich dachte wieder an das fremde Volk. Aber Hilde, warum so nachtragend? Mir ging es ja viel besser als den beiden. Ich konnte zu meinem Mann fahren. Was hätten sie wohl alles dafür gegeben. Am Abend packte ich noch den Rest ein. Liesl besorgte die Fahrkarte. Wir hatten uns vorgenommen, nur vierzehn Tage zu Hause zu bleiben. Darum war der Abschied ganz kurz.
Es war herrlich, das Gefühl, meine liebsten Angehörigen wiederzusehen. Um einen Sitzplatz brauchte ich mir ja keine Gedanken zu machen. Für Mutter und Kind gab es ganz besondere Abteile. Hitler hatte wirklich an alles gedacht. Erwin stand in Dortmund am Bahnhof. War das eine Freude! Edith fragte gleich nach ihrer Omi. "Warum ist sie nicht mit hier?"
"Kind, sie hat so viel Arbeit. Wir werden sie morgen besuchen."
"Oh, Papi, warum nicht heute?"
"Es ist zu spät. Du siehst doch, es wird schon dunkel."
Am Abend mussten wir gleich wieder in den Bunker. Aber Edith hatte nicht mehr solche Angst. Oder sie zeigte es nicht. Sie wollte nicht wieder fort. "Papa, ich möchte immer hierbleiben."
"Das wirst du auch, mein Schatz. Ich lasse euch nicht mehr so bald wegfahren. Immer so alleine, das ist furchtbar, auch für deine Omi und Onkel Erich ist es besser, wenn ihr hier seid." ...
Omis Augen strahlten am nächsten Tag, als sie uns sah. Wir fielen uns um den Hals und drückten uns. Ich ließ Onkel Erich nicht los. "Langsam, Schwesterchen, mir geht ja die Puste aus. Und denke an die Motten, diese anhänglichen Tierchen."
Bei mir kullerten natürlich die Tränen. "Wer wird denn bei so einem Wiedersehen weinen?"
"Ach, Erich, das ist die Freude. Mich kriegen keine zehn Pferde hier wieder weg. Komme, was wolle. Zu Hause ist es doch immer am schönsten, wenn man Freud und Leid teilen kann. Mein Erwin war auch lange genug alleine."
"Oh, Hilde, hoffentlich bereust du es nicht. Ich kann dich verstehen. Ich war ja nur acht Tage in Heidelberg, und freue mich, dass ich wieder bei unserer Lisbeth, dem guten Stück, bin. Jetzt fehlt Heini noch. Aber er ist ja nicht in allzu großer Gefahr."
An den Alarm gewöhnten wir uns schnell. Einmal muss der Krieg ja zu Ende gehen.
Am nächsten Tag meldete ich Edith wieder in der Schule an. Bis jetzt waren sie da sehr nachlässig, meistens fiel der Unterricht aus. Unser Schatz war sehr ordentlich und fleißig, sie machte ihre Schulaufgaben gleich, wenn sie aus der Schule kam. In Baden legte man nicht so großen Wert auf die Hausaufgaben wie hier. Das hatten die Kinder gleich spitzbekommen.
Frau Wittum schickte unsere Sachen, wie vereinbart, gleich nach vierzehn Tagen ab. Alles ging wieder im alten Trott weiter. Der Fliegeralarm machte uns sehr zu schaffen. Aber wie heißt das alte Sprichwort: Aushalten, Maul halten. ...
1945 war es dann endlich soweit. Der Krieg war zu Ende. Die Amis zogen durch. Waren wir glücklich! Die Menschen jubelten. Edith fragte immer wieder: "Mutti, gibt es nie mehr Alarm?"
"Nein, Kind, nie mehr, ganz bestimmt nicht. Nein mein Kind, wenn ich es dir doch sage."
Sie schaute mich so ungläubig an. Wir konnten es selbst nicht glauben. Das war ein Trubel und ein Gequassel! Niemand arbeitete an diesem Tag. Aber man dachte auch an die armen Mütter, die ihre Söhne, und die vielen Frauen, die ihre Männer im Krieg verloren hatten. Ich betete und dankte dem lieben Gott, dass er mich und meine Lieben beschützt hatte. Heini war auch außer Gefahr.
Nur mein Onkel Heinrich, Tante Annas Mann, war beim letzten Angriff auf Witten Stockum umgekommen. Nicht nur das. Sie verlor auch bereits am Anfang des Krieges ihren Verlobten. Sie war am schwersten betroffen. Ihr einziger Sohn war vermisst. Aber nach ein paar Monaten konnte sie ihn in ihre Arme schließen. Alles andere hat sie dann überwunden. Ihr Sohn Heinz half ihr sehr dabei. ...
Informieren Sie sich über weitere Geschichten von Jörg Krämer auf "Jörgs Bärenhund- und Storywelt" oder auf seinem Autoren-Profil, das eine Reihe interessanter Buchtitel vorweist.
© "Ein Familienleben in den Wirren der Kriege": Dem Autor Jörg Krämer danken wir herzlich für die Textauszüge aus seinem historischen Roman "Herz schlägt Krieg" und die Abbildung des Buchcovers, 07/2020.
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