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In Thomas Brandls spannungsreichem Debütroman "Eine Träne am Horizont" geht es um die Sehnsucht nach dem Verlorenen und um die fehlende Harmonie mit der Welt.
Ein vom Leben gezeichneter Mann liegt im Frühjahr 1966 mit rätselhaften Symptomen in einem Privatkrankenhaus von Buenos Aires. Auf dem Krankenbett denkt Vincent von Hohenholte an die glücklichen Tage seiner Jugend zurück. Im Jahr 1913 hatte er an der kaiserlichen Universität in Wien Geschichte studiert und sich in die schöne Angela verliebt.
Hohenholte erlebte unvergessene Momente der Liebe und der Verbundenheit, aber ein uraltes Geschöpf aus den Tiefen der Vergangenheit neidete dem Paar das Glück. Es lockte Angela und Vincent an Bord eines Schiffes. Die Kreuzfahrt auf der Donau hatte als Ziel das Schwarze Meer, aber dort sollten sie nie ankommen. Hohenholte musste feststellen, dass seine Lehrbücher an der Universität in vielen Dingen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Der historische Mystery-Roman "Eine Träne am Horizont: Sehnsucht nach dem Verlorenen" wurde aus der Ich-Perspektive geschrieben. Die fesselnde Handlung ist sehr eng in den Kontext der Jahre 1913 bis 1917 eingebettet.
Das Taschenbuch umfasst 370 Seiten und wurde Anfang Juli 2020 veröffentlicht (ISBN 978-1661303051). Der kurzweilige Debütroman von Thomas Brandl ist auch als E-Book im Online-Buchhandel erhältlich.
Das Kastell war mit schwarzen Steinen errichtet worden. Pechschwarz wie die Trauer. Die Sonne beleuchtete es mit ihren hellen Strahlen und es schien, als ob es darüber wütend sei. Die Kutsche folgte dem Lauf der Linkskurve und der gewaltige Bau entzog sich für kurze Zeit meinen neugierigen Blicken. Ich wandte mich Angela zu.
Zu meiner Überraschung war sie wach und richtete sich auf. Ihr Gesicht hatte eine blasse und ungesunde Farbe. Ihre Augen lagen tief versunken in ihren Höhlen und Schweißperlen zeichneten ein dünnes Rinnsal auf die Stirn, ähnlich den geschwungenen Serpentinen, die in diesen Berg gefräst waren.
"Wir sind da. Er hat mich gefunden." Entsetzt blickte ich sie an. Was ging hier vor sich? Was hatte ich übersehen?
"Wer hat dich gefunden? Ich verstehe nicht, was du meinst. Von wem sprichst du?" Sie blickte in Richtung des Schlosses, obwohl sie es augenblicklich nicht sehen konnte.
"Auf Gebeinen erbaut." Mir stockte der Atem und in mir wuchs die Erkenntnis, dass ich über irgendetwas vollständig die Kontrolle verloren hatte. Ich erkannte meine Angela nicht mehr wieder. Was hatte sie so derart schnell verändern lassen? Alles an ihr, angefangen von ihrem Wesen, ihren Bewegungen, den Blicken, alles war anders als vor Beginn dieser verdammten Flussreise. Irgendetwas schien sie von innen heraus langsam und unaufhörlich aufzuzehren. Sie strömte eine Müdigkeit aus, die mich unangenehm berührte und mir auf den Unterarmen die Härchen aufstellen ließ.
Ich nahm mir vor, den Hausherrn sofort darum zu bitten, dass er sie auf das Gründlichste untersuchen lässt. Allmählich nagten an mir Zweifel, ob lediglich Stille und Schlaf ausreichend wären, um sie wieder in die Verfassung von vor der Reise zu bringen. Von dem fröhlichen und unbeschwerten Hausmädchen, mit dem ich die letzten Wochen und Monate ein unbeschwertes Leben geführt hatte, war in diesem Moment nichts mehr zu erkennen. Zudem machte sie einen zutiefst verängstigten Eindruck, diese Angst schien sie förmlich zu lähmen. Aber aus welchem Grund? Was ängstigte sie so sehr?
"Auf Gebeinen erbaut." Wie konnte sie nur so etwas sagen? Sie starrte still vor sich hin.
Der Kutscher quälte die Pferde die letzten Meter des beschwerlichen Weges hinauf. An zwei riesigen Ketten hängend wurde eine Falltür, den riesigen Proportionen des Schlosses entsprechend, rasselnd heruntergelassen. Nur so konnte man den tiefen Burggraben, der das Schloss am Eingangstor umgab, überwinden und in das Innere der atemberaubenden Anlage gelangen. Am oberen Ende der Falltür hatten die Erbauer lange, mit Widerhaken versehene Eisenspitzen in das Holz getrieben, was dem sich öffnenden Eingangstor zu einem martialischen Aussehen verhalf. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein riesiges Untier vor uns sein Maul aufreißt und wir, blind wie Lemminge, schnurstracks hineinliefen.
Was ist, fragte ich mich, wenn uns jemand getäuscht hat und uns übel mitspielen will? Konnte es sein, dass nicht alles so war, wie man es uns weismachen wollte?
Das Tor berührte den Boden, die Eisenspitzen drückten sich in das Erdreich und Sekunden später donnerte auch schon unsere Kutsche ohrenbetäubend über die Bohlen des mit Eisenbeschlägen zusammengehaltenen Tores. Unsere rastlose Reise schien endlich ein Ende gefunden zu haben. Mit vollem Tempo hasteten die armen Pferde in den Innenraum und kurz darauf wurde hinter uns das Tor auch schon wieder mit aller Gewalt hochgezogen. Das Quietschen der Eisenketten war so durchdringend, dass es jeden anderen Ton in der Umgebung übertönte. Nur das Ächzen des schweren Holzes, das unbarmherzig hochgewuchtet wurde, war im Hintergrund schwach zu vernehmen. Es klang wie ein schauerliches Wehklagen.
Unbehaglich blickte ich über meine Schulter zum sich schließenden Tor zurück und sah dabei zum letzten Mal als glücklicher Mensch in die Sonne. ...
Hinweis: Bereits am 27. Juli 2020 folgt der zweite Band "Eine Träne am Horizont: Die Erlösung" (ca. 380 Seiten). In Nachfolgeband wird das ewige Motiv von der Suche nach dem Heiligen Gral aufgegriffen, die jedoch von den Wirren des Ersten Weltkrieges stark behindert und fast unmöglich gemacht wird. Doch dann beginnen für Vincent erst die wahren Probleme.
Das Webprofil von Thomas Brandl enthält Informationen zum Autor; dort ist der zweite Band auch vorbestellbar.
© Dem Autor Thomas Brandl danken wir für die Texte zur Buchvorstellung "Eine Träne am Horizont: Sehnsucht nach dem Verlorenen" sowie für die Abbildung des Buchumschlags, 07/2020.
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