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"Zeit der Zweifel" ist Geschichte hautnah, die in Berlin im Jahre 1938 spielt. David muss mit seiner Familie Nazideutschland verlassen, um dem drohenden Genozid zu entgehen, und wird von seiner großen Jugendliebe Charlotte getrennt.
Doch schon auf der Überfahrt nach Amerika lernt er die mysteriöse Annemarie kennen, die ihn komplett in ihren Bann zieht. Es wird für ihn eine Reise voller Zweifel und innerer Zerrissenheit.
In der Neuen Welt angekommen, wird er auch hier mit den Problemen von Rassentrennung und Antisemitismus konfrontiert. Aus tiefster Überzeugung beschließt er, mitzuhelfen, ein neues, freies Deutschland aufzubauen und geht zur Armee. Wieder in Europa, kämpft er sich bis nach Berlin durch. Dort aber kommt alles anders als erwartet.
Das Buch des Autors Reiner Günter erzählt die fesselnde Geschichte von David und Charlotte in der Zeit des Dritten Reiches. Es ist der erste Band einer Trilogie über das Leben zweier Familien im Krieg und im Nachkriegsdeutschland.
Unsere Leseempfehlung: (Werbung) "Zeit der Zweifel" ist ein spannender, authentischer und emotional aufwühlender historischer Roman. Als Taschenbuch umfasst das Werk rund 350 Seiten. Das Buch von Reiner Günter ist auch als E-Book erhältlich.
"Was denkst du eigentlich über die Politik in unserem Land, Tante Ilse?" Bei dieser Frage zog ein deutlicher Schrecken über Ilses Züge.
"Wie meinst du das?", fragte sie ausweichend.
"Darf ich ehrlich zu dir sein?", kam es zurück. Ilse nickte.
"Also, ich habe bisher noch mit niemandem darüber gesprochen. Aber ich habe große Angst. Die Nazis machen mir Angst. Was ist aus unserem Land geworden? Vor unseren Augen werden Juden aus ihren Wohnungen geholt und wer weiß, wohin gebracht. Ihre Geschäfte werden geschlossen. Kommunisten werden verhaftet. Dennoch erhebt niemand die Stimme. Alle tun so, als ob nichts geschähe. Das ist doch krank! Ich suche seit Langem nach einer Möglichkeit, dagegen aufzubegehren. Aber ich weiß nicht wie! Papa und Mama kann ich nicht fragen. Die gehören auch zu denen, die nichts sehen und hören wollen. Und als ich vorhin diese Zettel entdeckt habe, da hoffte ich ...""... dass wir zu denen gehören, nach denen du gesucht hast", vollendete Ilse den Satz.
Charlotte nickte heftig und drückte, ohne es zu merken, ganz fest Ilses Hand.
"Magst du uns noch einen Tee machen?", fragte Ilse.
Sie brauchte Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen. Charlotte verschwand in der Küche.
Ilse sah aus dem Fenster. Aber sie sah weder die vorbeiziehenden Wolken noch die sich allmählich verfärbende Sonne. Ihr Blick ging ins Leere. Dafür überschlugen sich ihre Gedanken. Charlotte war ihnen, ohne es zu wollen, auf die Spur gekommen. Höchst unangenehm! Was die Sache aber noch brisanter machte und was Charlotte nicht wusste, weil man es ihr wie so vieles verschwiegen hatte, war die Tatsache, dass ihr Vater nicht bei der Stadtverwaltung beschäftigt war, sondern bei der Gestapo.
Was aber bedeutete das für diese neue Sachlage? Sollte sie ihre Pläne, Juden vor den Nazis zu verstecken, weiter vor Charlotte geheim halten, oder war es vielleicht sogar schlau, die Nichte einzuweihen? Sie vielleicht sogar einzubeziehen. Falls man ihnen auf die Schliche käme, würde ihr Schwager sicherlich alles unternehmen, um seine Tochter und damit auch sie und Werner zu schützen. Sie schämte sich kurz für diesen Gedanken, aber schlussendlich war Charlotte ja an sie herangetreten, nicht umgekehrt.
Charlotte erschien mit einem Tablett. Sie goss zwei Tassen Pfefferminztee aus einer altmodischen Kanne und sah ihre Tante erwartungsvoll an.
"Setz dich mal!", sagte die kaum wahrnehmbar. "Also, ich werde deine Gedanken zu diesem Regime niemandem verraten. Du möchtest wissen, was es mit uns und diesen Zetteln auf sich hat. Ich habe lange überlegt, ob ich dich einweihen soll, aber du bist fast erwachsen und hast meiner Meinung nach das Recht, dich frei zu entscheiden. Ich muss dich aber warnen. Wenn ich dir jetzt alles erzähle, wird es für dich eine schreckliche Wahrheit werden. Vielleicht wäre es besser, du erführest sie gar nicht. Entscheiden musst du das! Wenn ich mich dir anvertraue, muss ich mir deiner Verschwiegenheit ganz sicher sein. Kann ich das?" Charlotte nickte.
"Ich will alles wissen, alles!"
"Sicher?"
"Ganz sicher!"
"Also gut! Werner und ich sind seit einigen Wochen zusammen. Wir lieben uns! Mit der Zeit fanden wir heraus, dass wir auch in Bezug auf Politik die gleichen Ansichten hatten. Da wir einander vertrauten, sprachen wir schließlich ganz offen. Hitler wird unser Land in den Abgrund stürzen. Das ist unser beider Überzeugung. Also beschlossen wir, Widerstand zu leisten, hatten aber keine Ahnung, wie wir das anstellen sollten."
"Genau so geht es mir auch!", warf Charlotte ein. Hoffnung keimte in ihr auf.
"Anfangs dachten wir darüber nach, wie wir Hitler stürzen könnten. Dann wurde uns aber schnell klar, dass wir an ihn nicht herankommen würden und selbst wenn, wäre damit das Regime ja noch nicht beseitigt. Eine deprimierende Vorstellung. Wir sind ganz sicher, dass es viele gibt, die so denken wie wir, aber in diesem diabolischen System der Überwachung ist es unmöglich, in Verbindung zu treten. Also haben wir uns entschieden, zumindest das zu tun, was für den Einzelnen machbar ist. In der Hoffnung, dass es viele tun. Wir wollen so vielen Juden und anderen Verfolgten wie möglich Unterschlupf anbieten, damit sie die Zeit, bis dieses gottverdammte Regime eines fernen Tages mal abgelöst wird, überleben können."
Sie machte nun eine lange Pause, schien angestrengt über etwas nachzudenken. Schließlich holte sie tief Luft.
"Und dann musst du noch eines wissen!"
Charlottes Augen weiteten sich. Man sah ihr an, dass sie etwas Unheilvolles auf sich zukommen sah. Kaum traute sie sich, zu fragen.
"Was?", brachte sie schließlich hervor.
"Dein Vater arbeitet nicht bei der Stadtverwaltung, sondern bei der Gestapo! Und er scheint dort ein sehr hohes Tier zu sein."
Blankes Entsetzen zeigte sich in Charlottes Gesicht. Der Unterkiefer klappte herunter, die Augen weit aufgerissen.
"Nein!", rief sie. "Das kann nicht sein! Nicht Papa!"
Ilse nahm ihre Hand und drückte sie ganz fest. In leisem Ton erzählte sie ihr, wie sie ihn zufällig aus dem Gestapobüro hatte herauskommen sehen und dass sie ihn tagelang beobachtet hatte. Charlotte schlug die Hände vor ihr Gesicht und weinte herzzerreißend.
Sie ließ sie gewähren. Als sie endlich aufgehört hatte, fühlte sie sich schlapp und elend. Alles um sie herum nahm sie wie durch Watte wahr. Ihr wurde übel und noch bevor sie reagieren konnte, erbrach sie sich auf den Fußboden. Mit leerem Blick starrte sie auf die Pfütze. In diesem Moment betrat Werner das Zimmer.
"Mein Gott, was ist denn hier los?"
Erschrocken sah er von Ilse zu Charlotte. Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er in die Küche, kam kurz darauf mit einem Eimer und Aufnehmern zurück. Wortlos wischte er das Erbrochene auf.
"Sie weiß es!", sagte Ilse leise.
"Sie weiß was?", wollte Werner wissen.
"Alles! Das mit uns, unseren Plänen und von ihrem Vater." Werner wurde blass.
"Wie konntest du ...?", stammelte er und sah Ilse mit entsetzter Miene an.
"Sie denkt genau wie wir, Werner. Ich vertraue ihr. Wir haben schon oft darüber gesprochen, dass wir Hilfe gut gebrauchen könnten, dass es aber so gut wie unmöglich ist, sich Fremden anzuvertrauen. Mit Charlotte haben wir jemanden gefunden, dem wir vertrauen können und der verschwiegen ist."
Den Gedanken, dass Charlottes Vater vielleicht einmal schützend die Hand über sie legen könnte, behielt sie vor ihrer Nichte lieber für sich. Darüber würde sie später mit ihrem Freund reden.
Werner brachte den Eimer weg. Sie hörten, wie er sich die Hände wusch. Zurück im Schlafzimmer setzte er sich umgekehrt auf einen Stuhl. Eine Zeit lang sah er Charlotte an, die immer noch wie ein Häufchen Elend aussah. "Hast du eine Ahnung, in welche Gefahr du dich begibst?", fragte er schließlich in ruhigem, freundlichem Ton.
Sie nickte nur und zog die Nase hoch. Er gab ihr ein Taschentuch. Geräuschvoll schnäuzte sie hinein.
"Aber ich will euch helfen!", meinte sie dann. "Ich hasse Hitler und sein Regime!" Werner stand auf. Leise schloss er das Fenster.
"Gut!", sagte er, als er sich wieder gesetzt hatte. "Nur alles, was wir in Zukunft besprechen und tun, muss unter uns bleiben. MUSS! Hast du verstanden? Kein Wort zu wem auch immer!"
Wieder nickte Charlotte. ...
Hinweis: Der Autor Reiner Günter ist den Lesern durch "Alles außer perfekt", eine humorvolle Serie mit zwei Büchern, bestens bekannt. Beide Bücher hatten wir hier auf unserem Portal vorgestellt: "Alles außer perfekt" sowie "Noch immer nicht perfekt, aber verdammt nah dran".
© Für den Textauszug aus seinem Roman "Zeit der Zweifel" und die Abbildung des Buchcovers danken wir dem Autor Reiner Günter sehr herzlich, 02/2024.
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