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Woher ich das Lied habe? Das frommt keinem zu hören, denn wenn ich selber auch nicht den Ursprung kenne, so kommt es nicht von da, wo die Christenleut den Himmel vermuten. Mein Leben lang habe ich manches gesehen und gehört, das andere nicht bemerken konnten oder wollten.
Meine Mutter nahm mich in der Schürze mit aufs Feld, denn aussetzen konnte keiner bei der Arbeit auf dem kleinen Höfchen, und so lag ich in den kühlen Ackerfurchen allein, wenngleich ich doch viel Gesellschaft hatte an huschendem und summendem Getier.
Am Abend ging es heim, die Milchsuppe an guten Tagen und die Wasserbrühe an schlechten war schnell gelöffelt. Sobald ich meine Beine brauchen konnte, wurde ich Kienholz holen geheißen im nahen Wald, und da war es mir auch am wohlsten. Zwei Brüder starben, noch bevor sie recht sitzen konnten, und eine Schwester lag lang an der Schwindsucht nieder, bis sie endlich zum Totenacker gebracht wurde.
Mein Bruder verdingte sich bei einem Bauern, drei Tagereisen von daheim, und so war ich das einzige Kind, das übrig war. Mein Vater war der Schwester lang vorausgegangen zum Friedhof, und die Mutter meinte es nicht schlecht, aber sie brachte kaum die Plackerei des Tages noch hinter sich und sprach nicht viel.
Das silbrige Blitzen der Fische war ein Lied für sich, ebenso wie der Eulenruf am späten Abend. Die stürmenden Hirsche schenkten mir ein Kampflied, die Vögel am Morgen lehrten mich, wie man freudige Lieder spielte. Und bald rief man mich nicht mehr zum Latrinenputzen, sondern zum Tanz.
Meine Flöte sang für sie den Libellenreigen über dem Teich, wenn alles von Sommersonnengold blitzte, für die Paare jubelten Vögel in einem Rosengarten. Und ich merkte, dass ich Macht besaß, oder vielmehr, dass ich die Macht der Musik nutzen konnte. Hier einen Heller, hier einen Blick aus schönen Augen, und da ein Stück neues Tuch, weil die Hochzeit der Tochter so herzanrührend gewesen war ... dann wieder ein Taler, weil die Trauerlieder so erhebend waren.
Immer mehr lauschte ich den heimlichen Musikanten ab, wenn ich im Wald wanderte und in den Tälern. Niemand mehr nannte mich den Zündel, weil ich dürr wie ein Kienspan war und überdies rote Haare hatte. Und dann gewann ich dieses Lied, dieses Eine. Ich hatte einen besonders schönen Tannenwald gefunden, der von grüngoldenem Licht durchflutet war. Dicke Moospolster, die wohl in ihrer Üppigkeit der Bettstatt eines Königs gleichkamen, lagen überall, und die vielen herrlichen Lieder wurden alle vom silbernen Klang einer Quelle begleitet.
* * * Ende der Leseproben aus unserem Buch * * *
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© Leseproben aus "Das Lied des Musikanten": Winfried Brumma (Pressenet), 2009. Bildnachweis: oben Geheimnisvoller Mann, sowie unten Mann und Planet (beide CC0, Public Domain Lizenz).
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