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Einen spannenden Einblick in die Zeit der Weimarer Republik bietet der Mitte Januar 2020 erschienene historische Roman "Quintus und der Feuerreiter". Der Autor Thomas Persdorf schließt mit diesem Buch seine packende "Quintustrilogie" ab (über den II. Band "Das V der Kraniche" berichteten wir hier).
Der aufregende berufliche Lebensweg des jungen Journalisten Quintus Schneefahl führt vom Außenamt bis ins Reichskanzleramt. Seine privaten Wünsche sowie Hoffnungen enden jedoch in Enttäuschungen. Wird Quintus auf der Suche nach persönlichem Glück und familiärer Zukunft erfolgreich sein?
Politisch und beruflich erlebt er hautnah als persönlicher Referent Kurt von Schleichers den Ansturm des Nationalsozialismus, den Kampf um das Kanzleramt sowie den Untergang der Weimarer Republik.
"Quintus und der Feuerreiter" wurde zum einen als Taschenbuch mit knapp 500 Seiten via Shaker Media veröffentlicht (ISBN 978-3956317347), zum anderen ist dieser lehrreiche historische Roman auch als E-Book erhältlich.
Quintus schmunzelte. Er hatte Ebert noch nie aus der Nähe gesehen. Der ziemlich kurz geratene, fast kugelige Mann mit dem kreisrunden Gesicht, er wirkte eher drollig als präsidial würdevoll. Keine fünf Meter von ihm entfernt stand er, der Reichspräsident, schaute etwas zerdrückt und verquollen.
Quintus träumte. Die Gesichter der vier in seiner Nähe stehenden Männer verschwammen. Zeitungsfotos Eberts tauchten in Quintus auf, verselbständigten sich zu bewegten Traumbildern, vermischten sich mit seinen aufblitzenden Gedanken. Den grabeskalten Novemberwind des Jahres 1918 spürte er gegen die Fenster des Kanzlerbüros drücken.
Eine der doppelt mannshohen Türen klappte krachend ins Schloss und die bodenlangen Fenster-Portieren blähten sich leicht. Hinter dem mächtigen Mahagoni-Schreibtisch: Friedrich Ebert. Ihm gegenüber: der letzte Kaiserkanzler, Prinz Max von Baden. Zwanzig Sekunden Unvergänglichkeit, ergreifend und gewaltig in ihrer historischen Bedeutung und Schlichtheit: ... "weder die Prinzen stehen als Nachfolger des Kaisers zur Verfügung noch ich in der Funktion als Reichsverweser!" Brüchig belegt die Stimme und von schwerer Grippe verschwollen das Gesicht des Prinzen Max. Endgültig ist seine Entscheidung und schicksalhaft für die Monarchie.
Im Hinausgehen, die Türe bereits leicht geöffnet, dreht er sich nochmals zurück. "Herr Ebert,... ich lege Ihnen ... das Deutsche Reich ans Herz!" Angestrengt und sichtbar leidend rang er sich den Satz ab.
Ebert erhob sich. Zitternd sein Gesicht. In die gespannte Stille leise und doch deutlich seine Antwort. "Ich habe zwei Söhne für dieses Reich verloren, Exzellenz!"
Max von Baden nickte stumm, ging hinaus und schloss die Türe fast lautlos.
"Heinrich und Georg", flüsterte Ebert stockend, die Augen geschlossen: "In Mazedonien und in Frankreich liegen sie." Bedeckte sein Gesicht.
"Jetzt kommt Seeckt", sagte der junge Mann neben Quintus, stieß ihn dabei leicht an und wunderte sich über dessen Hochschrecken. Der Junge hat vielleicht Nerven, dachte er wohl, schläft ein, wenn der Reichspräsident und der Reichskanzler fast neben ihm stehen. Schüttelte den Kopf.
Die Sphinx, der Eiserne, der Sieger von Gorlice, einer bedeutenden Schlacht an der Ostfront, er durchschritt gravitätisch die Reihe der Anwesenden. Die Letzten werden die Ersten sein. Und genauso sollte es kommen. Groß, kerzengerade, asketisch und doch nicht mager, Hans von Seeckt, in Feldgrau, wie gewöhnlich, den Pour le mérite im Kragenspiegel. Kurzes Kopfneigen zur Gruppe, die sich um den Präsidenten gebildet hatte. Ganz feines Lippenspiel, ansonsten regungslos die Augen auf Stresemann gerichtet. Verschränkte die Arme: Ich bin da! Also, was nun?
Schleicher trug vor. Geschickt und listig wie er war, lenkte er den Zorn des Reichswehrchefs auf die Aufrührer Ludendorff und besonders auf General von Lossow. Ein Meisterstück, dachte Quintus, ein echter Schleicher, raffiniert ausgedacht und ausgelotet.
Seeckt spannte die Kaumuskeln. Pflicht und Ehre des Soldaten ist der Gehorsam. In diese Welt war er geboren und in ihr bewegte er sich. 35 Jahre lebte er in dieser Armee und für sie!
Stresemann, fahl und überanstrengt wirkend: "General, die Republik steht am Abgrund. In Sachsen und Thüringen putschen die Kommunisten, die Franzosen erwürgen die Industrie an der Ruhr, halten das Rheingebiet besetzt und schüren den Separatismus. Und jetzt: Umsturz in Bayern! Hochverrat durch Reichswehroffiziere und ihren österreichischen Agitator Hitler. Als Kanzler des Deutschen Reiches fordere ich Sie auf und verlange ich ..."
Weiter kam Stresemann nicht. Quintus stand das Herz still. Um Gottes Willen, dachte er, was, wenn er ihm wieder an den Kopf schleudert, die Reichswehr, also er, stehe nicht hinter ihm als Kanzler? Seeckt hatte sich erhoben, blitzschnell.
"Ich werde jeden Aufruhr bis zu meiner letzten Kartätsche niederschlagen", schnarrte er in seinem üblichen Kommandoton. Weder wirkte er erregt noch überrascht von der unausgesprochenen Forderung des Kanzlers. "Die Aufgabe der Reichswehr ist es, die Einheit des Reiches zu wahren und diejenigen, die das infrage stellen, sind meine Feinde, woher sie auch kommen mögen!"
Keine zwei Stunden später war Seeckt Alleinherrscher der jungen Weimarer Republik.
Quintus schrieb noch in derselben Nacht seinen Pressebericht. Wenige Stunden später brach der Ludendorff-Hitler-Putsch im Feuer der bayrischen Landespolizei in der Nähe der Feldherrnhalle zusammen. Die Republik hatte Zähne gezeigt, scharfe und zielsichere. Die Separatisten in der Pfalz, gehätschelt von den französischen Besatzern, wurden kurzerhand von nationalen Extremisten erschossen. Mit Staatsnotstand erklärte die Staatsanwaltschaft später diese Lynchjustiz durch Nationalfanatiker. Und ...? Straffrei blieben die Mörder. Staatsinteresse!
Das schwankende Reichsgebäude des Architekten Bismarck war notdürftig stabilisiert, und Kurt von Schleicher sah die von ihm so gerne angeführten apokalyptischen Reiter in Richtung des Horizontes verschwinden. ...
© Der historische Roman "Quintus und der Feuerreiter": Dem Autor Thomas Persdorf (Mainz) danken wir herzlich für diese Textauswahl und die Abbildung des Buchcovers, 01/2020.
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