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Jetzt endlich kann aufgeatmet werden, denn die Handys waren in Verruf gekommen. Sie könnten Gehirntumore verursachen, hieß es vor einiger Zeit, und mit dieser These beschäftigten sich Ärzte und Wissenschaftler etwa zehn Jahre lang und gingen der Sache auf den Grund.
Nun konnten die Mobiltelefonierer beruhigt werden, denn die Überschrift eines Artikels lautete knapp und informativ "Handys sind ungefährlich". Nun, es gibt gute Gründe, an dieser Aussage zu zweifeln, denn unbedenklich sind die kleinen Kommunikationsmaschinen wohl nur für die körperliche Gesundheit.
Sonst sind sie wahrscheinlich eine als Handtaschentelefon getarnte fremde Macht, die den Planeten kontrollieren will – und damit großen Erfolg hat. Hält man die Augen offen, dann kommt man um diese Feststellung nicht herum. Denn die vielen vielen Menschen jeden Alters, die mit einer Hand an der Backe durch die Straßen laufen, haben nicht etwa Zahnschmerzen, sondern sie telefonieren nur.
Damit sind auch die scheinbaren Selbstgesprächler erklärt, die uns beim Bummel oder Waldlauf in Alarmbereitschaft versetzen. Aber man gewöhnt sich an alles, und in recht kurzer Zeit bezieht man ausgestoßene Drohungen, Schimpfwörter oder schallendes Gelächter nicht mehr auf sich selbst, sondern weiß, dass der Hintermann nur am telefonieren ist.
Wenn Damen vor einigen Jahren ihre Handtasche ausleerten, weil sie die Wagenschlüssel suchten, kullerten jede Menge Kosmetika und nicht auf den ersten Blick identifizierbare Gegenstände auf den Tisch. Heute kommen mindestens zwei Handys dazu, in schweren Fällen sogar drei. Dasjenige, das im Handschuhfach liegt, nicht mitgerechnet.
Kinder bis zu fünfzehn Jahren könnten vermutlich eine Ausstellung mit ihren abgelegten Modellen ausrichten, denn wenn die finanziellen Möglichkeiten der Eltern es erlauben, wird nach ziemlich kurzer Zeit auf das neueste Modell umgestiegen. Für Minderjährige ist das Handy so etwas wie das Auto mit Stern vorn auf der Haube für die Großen.
Kids geht es auch nicht um das mobile Telefonieren – denn Eltern, die diese Kommunikationsart begrüßten, weil sie glaubten, nun ständig Kontakt mit ihren Jüngsten halten zu können, haben sich getäuscht. Was sie hören, wenn sie anrufen, ist die Mailbox – sonst nichts. Sie realisieren meist nicht, dass das miteinander Sprechen nur bedingt wichtig ist. Viel wichtiger ist es, kein schrottigeres Handy als die anderen in der Clique zu haben.
Das Benutzen eines mobile phones ist nur für spezielle Fälle ein Thema – dann nämlich, wenn zwei sich in Rufweite befindliche Teenager ein Dauergespräch führen. Wer so etwas schon gesehen hat – und der Fall ist nicht selten – weiß, dass eine Entwarnung ziemlich voreilig ist.
Das eigentlich Gefährliche an diesen Dingern ist die SMS-Funktion. Die erlaubt fast alles, ohne dass sich jemand von der Stelle rühren muss. Per Kurzmitteilung werden Heiratsanträge gemacht und die Scheidung verlangt. Streitigkeiten werden so ausgetragen und Fehden angefangen. Es soll sogar schon zu Entschuldigungen auf diese Weise gekommen sein.
Soweit bekannt, nähern sich vor allem Jugendliche per Handy dem anderen Geschlecht – auch, und vor allem, wenn es sich etwa zehn Meter entfernt befindet. Es sind sogar Fälle aufgetreten, in denen es nicht zu einer romantischen Beziehung kam, weil der Akku leer war oder das Guthaben aufgebraucht. Das alternative kleine zusammengefaltete Briefchen, dessen man sich auf dem Schulhof in früheren Zeiten bediente, kommt bei der Generation "SIM-Karte" nicht in Betracht.
Das Mobiltelefon hat den vielen Möglichkeiten, u. a. schnell einen beachtlichen kleinen Schuldenberg anzuhäufen, eine weitere hinzugefügt. Handyverträge sind extrem bankkontenfeindlich und beinhalten einen versteckten Überziehungsmodus. Sie gehören meist in die Kategorie "Knebelvertrag", was die Kunden durchaus nicht stört – denn die große Konkurrenz veranlasst die Anbieter dazu, mit allerlei Lockangeboten Werbung zu machen.
So kann man auf diese Weise sogar zu einem Notebook kommen, das erst einmal nichts kostet ... erst einmal. Das Teil ist wahrscheinlich längst kaputt, wenn der Vertrag immer noch läuft, und läuft. Aber es gibt auch günstige Flatrates, und damit sind eigentlich keine Grenzen mehr gesetzt. So kann jeder schuldenfrei bleiben, auch wenn er schon einen Tennisarm hat vom Handyhalten.
Wer beklagt, dass im Gegensatz zu Kindern und Jugendlichen früherer Jahrgänge die Motorik schlechter ausgeprägt ist, soll den Nachwuchs einmal beim SMS verschicken beobachten. Dieses virtuose Fingerspiel ist sehr beeindruckend und lässt auf große Geschicklichkeit schließen ... allerdings nur bei dieser Verrichtung. Bei kleinen Handreichungen, um die die Eltern ab und an bitten, bestätigt sich dann wieder die Theorie des schwindenden motorischen Vermögens.
Mit den Fotohandys kam die Möglichkeit der kreativen Gestaltung hinzu, welche gerade von den jüngeren Besitzern gerne genutzt wird. Vor allem, wenn es darum geht, eine peinliche Situation zu dokumentieren und dieses Foto dann an alle Leute zu verschicken, die man im Telefonbuch gespeichert hat. Es empfiehlt sich also unbedingt, bevor man sich mit einem Teenager anlegt, den korrekten Sitz der Kleidung zu überprüfen, sonst könnte ein Bild mit hohem Unterhaltungswert die Runde machen.
Wie dem auch sei – Kommunikationen, bei denen kein Handy zwischengeschaltet ist, werden seltener. Bald wird sich keiner mehr auf der Straße umdrehen, weil hinter ihm jemand laut spricht oder lacht – wahrscheinlich dreht sich auch keiner mehr um, selbst wenn er gemeint sein sollte. Die dauernden Gesprächsfetzen, die vorbeischwirren, werden zum normalen Geräusch auf der Straße gezählt werden.
Vielleicht kommt sogar die Zeit, in der einem ein Fußgänger auffällt, weil irgendetwas an ihm sonderbar ist. Und nach einigem Nachdenken weiß man auch wieso ... der Kerl hatte beide Hände in den Hosentaschen – und nicht etwa eine am Ohr.
© "Entwarnung für Mobiltelefonierer?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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