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(14.03.2010) Der Schriftsteller Josef Haslinger beschreibt in seinem sehr heiß debattierten Artikel die Übergriffe seitens Ordensmännern, denen er als Klosterschüler ausgesetzt war.
Erstaunlich die Wortwahl – Haslinger spricht von der Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit der pädophilen Priester und nennt die Übergriffe eine Oase im Kloster, in dem anscheinend äußerst rüde Erziehungsmethoden gang und gäbe waren.
Wie verschwindend schmal die Grenze zwischen Gewalt, Strenge und fehlgeleiteter oder krankhafter Sexualität ist, weiß man. Man weiß auch um die psychologischen Tricks, die angewendet werden, um die Opfer willfährig, bzw. willenlos in dem Sinn zu machen, dass der eigene Wille absolut keine Rolle mehr spielt. Pädophile, die sich ihrer Opfer – oder eher des ständigen Zugriffes auf sie – nicht sicher sein können, gehen strategisch vor.
Zum einen ist für Kinder, die in einem eher lieblosen Umfeld leben, die im Vorfeld gezeigte Aufmerksamkeit in gewissem Sinne unwiderstehlich – das Kind, das sich endlich verstanden und angenommen fühlt, ist unglaublich leicht zu manipulieren. Es wird sich nicht zur Wehr setzen, weil der Missbraucher taktiert. Es fängt mit Sicherheit nicht mit einem gezielten Griff an die Genitalien an – das kommt später.
Zuerst kommen unverfängliche Vertraulichkeiten – solche, die das Kind vielleicht vermisst im Umgang mit den Eltern. Das wird gesteigert, und wenn es denn soweit kommt, wie der Erwachsene es möchte, hat er sein Opfer längst in angebliche Mit- oder gar Hauptschuld verstrickt. Die Zärtlichkeit, von der Haslinger da spricht, ist die Zärtlichkeit einer Medusa. Sie verwandelt ihr Opfer in Stein und verdammt es zur Bewegungslosigkeit. Es geht bei diesen "liebevollen Beziehungen" nur darum, sich ein stillhaltendes Sexobjekt zur dauernden Verfügung bereitzustellen – und um nichts anderes.
Die Grausamkeit der drastischen Strafen in manchen Schulen scheint überhaupt ein moderates Mittel, um es Mitgliedern der Lehrerschaft einfacher zu machen. Wer in einem solchen Klima leben muss, wird umso anfälliger für gezeigte Freundlichkeiten sein. Es kann die Behauptung aufgestellt werden, dass die beiden Komponenten Misshandlung und sexueller Übergriff sich gegenseitig stützen – ja, dass die eine die andere bedingt, und dass das nicht zufällig geschieht.
Was Haslinger da anführt, zeigt vor allem, dass die Taktik, welche von den Geistlichen dieser Schule angewendet wurde, derart effizient war, dass sie noch heute in genau dem Sinn greift, den sich die Täter wohl wünschten. Tatsächlich verteidigt das Opfer sie noch heute in gewisser Weise und warnt vor einer Hexenjagd.
Die Patres der in dieser Debatte genannten Schulen und Klöster hatten trotz ihres Zugriffes keine uneingeschränkte Macht – über ihren Köpfen hing das Damoklesschwert der Entdeckung. Wobei die Frage noch offen ist, wieso betroffene Eltern ihre Kinder in genau die gleiche Schule schickten, die ihnen die Hölle beschert hatte, und wieso eigentlich all die Jahre keine wütende Mutter oder aufgebrachter Vater Sturm lief gegen die Brüder in Christi. Dennoch war eine gewisse Vorsicht geboten, die dieses pseudo-liebevolle Verständnis erklärt.
Bevor man Haslingers Ausführungen in Bezug auf "netten" sexuellen Übergriff auf Kinder verinnerlicht, sollte man einen Gedanken an die Opfer verschwenden, die keine Lobby irgendwelcher Art haben – vor allem nicht bei ihren Elten. Entweder, weil beide Elternteile pädophil – sprich sadistisch – agieren oder weil der nicht pädophile Elternteil die Aktionen des anderen billigt oder sogar forciert. Diese Konstellation ist durchaus nicht so selten, wie man vielleicht gerne glauben möchte.
Wenn in einem solchen Fall, außer zu der Kernfamilie, kaum sozialer Kontakt zu Verwandten oder Freunden besteht, oder dieser von Gleichgültigkeit geprägt ist, braucht der Täter keine Strategien zu entwickeln und vor allem keine bemäntelnde "Freundlichkeit" an den Tag zu legen. Er tut was er will, wann er will und wie oft er will, und genießt die Hilflosigkeit des ihm ausgelieferten Opfers ohne Einschränkungen.
Ob der Text zu der bösen Melodie nun heißt "Bist doch meine kleine Prinzessin/Prinz, ich habe dich so lieb. Wir sagen der Mama/Papa nichts von unserem kleinen Geheimnis", oder ob Drohungen in ein zerschlagenes Kindergesicht gebrüllt werden unter dem Beifall der restlichen Familie ... versuchter Mord an einem Menschen ist es allemal. Wer einem Kind die eigene fehlgeleitete und kranke Sexualität aufdrängt – auch wenn es auf scheinbar freundliche Weise geschieht – ist jemand, der sich einen nicht wieder gutzumachenden Eingriff in die Entwicklung einer Seele erlaubt und somit alles verändert – mit Sicherheit nicht zum Besseren.
Er legt den Keim für jahrelanges seelisches Leiden, auch wenn die eigentliche Tat vom Opfer verdrängt wurde, und vernichtet ein für allemal die Chance auf eine intakte Psyche. Wer betroffen ist, kann lernen, mit den inneren Narben zu leben, wenngleich es Erhebungen gibt, nachdem Betroffene nach jahrzehntelangem Leiden den Freitod wählen. Aber ganz frei von den Schmerzen wird niemand, der so etwas erlebt hat.
Es ist ein Handicap, das alle, wirklich alle Bereiche des Lebens betrifft. Wer so etwas einem Menschen antut, verändert alles, macht ein glückliches Leben nahezu unmöglich. Bei der Bestrafung der Täter, sollte sie tatsächlich stattfinden, kann kein Unterschied gemacht werden der besonderen Strategie wegen. Hier werden keine Hexen gejagt, sondern Ungeheuer, die nichts dabei finden, Seelen auf Raten zu zerbrechen.
Die Tatsache, dass viele Pädophile selber Betroffene waren, erklärt einiges, entschuldigt aber nichts. Dieses Faktum beinhaltet nämlich keineswegs, dass das Opfer zwingend zum Täter werden muss – es gibt weitaus mehr Opfer, die niemals zum Täter wurden.
Was in Bezug auf die Kleriker das Zölibat als Grund für Missbrauch betrifft ... bitte, mir ist nicht nach Lachen.
© "Die Zärtlichkeit der Pädophilen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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