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Um eine richtige Webhyäne zu werden, brauchst du nicht viel, nur ein klein wenig "Know-how", was das Internet betrifft. Wenn du weißt, wie man Fotos und Videos hochlädt und Glitzerbilder einfügt, hast du eigentlich schon alle Voraussetzungen.
Zuerst legst du mehrere Accounts auf so vielen Communitys an, wie es dein Gedächtnis verkraftet, hältst diese aber vorerst neutral. Klar, dass du verschiedene Bilder von dir zum Hochladen parat hast. Es ist sehr empfehlenswert, verschiedene Aufnahmen zu machen.
Als sehr moderat hat sich der großäugige Blick mit den sanft unter dem Kinn verschränkten Händen erwiesen. Das ist ein guter Einstieg für die "Ich bin ein ganz liebes Mädchen"-Persönlichkeit. Dann brauchst du mehrere Fotos, auf denen du schräg nach oben in die Kamera siehst. Das macht einen leicht verruchten Eindruck und ist für manche potenzielle Opfer fast unwiderstehlich.
Für die fortgeschrittenen Hyänen empfehle ich die hintergründige "Nette Frau auf dem Bett"-Pose. Das Raffinierte an der Variante ist der Gegensatz. Eine angezogene Frau liegt lieb lächelnd quer über ihrem Bett ... logischerweise lässt dieses vordergründig harmlose Szenario sofort gewisse Gedanken aufkommen. Das Praktische bei einem solchen Bild ist, dass man jeden Gedanken an Anmache weit von sich weisen kann, naiv wie man ja ist. Schließlich ist man ja völlig angezogen. Du siehst also, worauf es ankommt.
Beim weiteren Erstellen deiner Profile lässt du auf gar keinen Fall auch nur im Entferntesten erkennen, was du vorhast. Erfolglose Kolleginnen scheitern meist daran, dass ihre Absichten zu leicht zu erkennen sind. Das Wild ist scheu und zieht sich sofort zurück, wenn es die Falle erkennt – daran musst du immer denken.
Es gibt Stars unter den Hyänen, die es mittels eines fiktiven Verehrers schaffen, ihre Fallen dermaßen gut zu tarnen, dass sie unter den hineingetappten Opfern nur zu wählen brauchen.
Wenn du deine Profile nun sehr neutral erstellt hast, beginnt die eigentliche Arbeit. Jetzt musst du Sitzfleisch haben, denn es geht darum, dass du den gigantischen Wildwechsel täglich beobachtest. Bei Communitys, die nur Freunden erlauben, die Aktivitäten anderer zu sehen, heißt es: adden, adden, adden.
Sobald du nun deine Beute ausgemacht hast, beobachte das betreffende Profil für einige Zeit, halte dich aber noch im Hintergrund. Sobald du das Profil des Opfers in- und auswendig kennst, fängst du damit an, deines anzugleichen. Das Opfer steht auf Elvis Presley? Auch wenn dir das akuten Brechreiz verursacht, solltest du nun einen kleinen Crashkurs machen in Sachen "King". Dann addest du das Wild.
Ist er schon auf deiner Liste, fängst du mit unverfänglichen Posts an und jubelst die guten alten Zeiten des Rock 'n' Roll in den Himmel. Kann man Videos posten ... sehr gut, das erleichtert die Sache. Dein Opfer wird ständig Elvis-Songs posten, die du fachmännisch beschmachtest. Dass du diese Mucke nicht abkannst, wird der Depp erst merken, wenn es zu spät ist.
Erlaubt die Community das nicht, schickst du ihm die Links zu den Spots in die Mailbox. Bei allen anderen Profileinträgen verfährst du genauso. Aber Vorsicht, so manche Anfängerin hat es am Anfang übertrieben und damit das Wild verscheucht. Also nur wenig posten am Anfang. Sich eher etwas rar machen bringt weit mehr, als ständig präsent zu sein. Soll ER sich doch fragen, wo DU bleibst und DIR Posts setzen.
Wenn du bis hier alles richtig gemacht hast, wird er in dir einen Seelenverwandten sehen und sich fragen, wieso gerade er das Glück hatte, dir zu begegnen.
Jetzt ein Wort zu deinen Bildern. Nicht jede von uns ist ein Model. Es ist aber kein so guter Einfall, wie manche tüchtige Hyänen dachten, sehr viel ältere Fotos einzustellen. Lieber nimmst du die neueren, ein klein wenig retuschiert. Man kann viel mit einem guten Fotoprogramm bewirken. Wie stark die Realität und die Vorspiegelung auf deinem Profil auseinanderklafft, sollte er vorerst nicht realisieren.
Jetzt hält er dich also für seinen lang gesuchten Seelenfreund und, wenn du dein Handwerk verstehst, für die einzige Frau, die es zu lieben lohnt. Ist die Beute verheiratet oder in festen Händen, gilt es eine verfeinerte Taktik anzuwenden. Schließlich sind die wenigsten Männer im Web tatsächlich Singles, und so müssen wir diese eigentlich unmaßgebliche Angelegenheit erst einmal in Kauf nehmen. Es gibt mehrere gute Strategien, wie man die Ehefrau oder Freundin aus dem Rennen wirft. Zuallererst muss gesagt werden, dass du auf keinen Fall ablästern sollst. ER wird das wahrscheinlich zur Genüge tun.
Verteidige vielmehr die Rivalin – nicht allzu sehr allerdings – und er wird ob deiner Fairness und deines netten Charakters völlig aus dem Häuschen sein. Ist sie auf derselben Community vertreten wie er, dann gibt es wirklich viele Möglichkeiten. Du kannst sie adden und ihr so etwas wie Freundschaft vorspielen. Das ist gar keine schlechte Idee, wenn du nur eine Affäre suchst. Aber wirklich gute Hyänen suchen Eigentum und wollen sich nichts leihen.
Also postest du ihm etwas sehr Nettes. Das wird zu einigen Streitigkeiten zwischen deiner Beute und der zukünftigen Exfrau führen. Das wiederum führt dazu, dass er sich fragt, wieso er die keifende Alte erträgt, wo er doch so etwas wie DICH kennengelernt hat. Für den netten Post entschuldigst du dich noch rasch und mimst die Erschrockene ... du wolltest ja nicht, dass er irgendwie Unannehmlichkeiten bekommt. Hast du gut gearbeitet, frisst der Gehirnamputierte das und erteilt dir die Erlaubnis zu posten, was du willst. Ein wenig zieren ist hier angebracht, die genaue Dosis richtet sich nach der Intelligenz der Beute.
Jetzt wollen wir über das heikle Thema "Treffen" sprechen. Es ist die erste Zieletappe und muss sehr sorgfältig vorbereitet werden. Das Objekt hat sich mittlerweile ein genaues Bild von dir gemacht, das nichts mit deiner Person, sondern eher mit seinen unerfüllten Wünschen zu tun hat. Sieh zu, dass du möglichst viele Details seines Traumes in Erfahrung bringst. Diesem Szenario musst du bei seinem ersten Besuch sehr nahekommen. Also weißt du, welche Filme und CDs du im Regal zu haben hast, und ebenso, was du auf den Tisch bringst. Er soll ja seit Jahren Vertrautes eintauschen und muss das Gefühl von "nach Hause kommen" haben. Das gilt auch für Sex.
Steht er auf Freizügigkeit, hast du das natürlich forciert und er kriegt gleich auf der Türschwelle den besten Sex seines Lebens. Völlig anders als bei der frigiden Kuh daheim. Ist er Romantiker, ist es angebracht, damit zu warten, bis er sich öffentlich zu dir bekennt. Dann macht ihn sein permanent schlechtes Gewissen völlig zu deinem Eigentum. Du darfst dich allerdings noch nicht als Sieger fühlen – es ist angebracht, sehr sehr vorsichtig zu sein.
In extremen Fällen, also wenn du den Dämel erst davon überzeugen musstest, dass er seine Freundin/Frau nicht mehr liebt, kannst du erst sicher sein, wenn die Trauung vorüber ist. Im anderen Fall kannst du dann aufatmen, wenn er vor DEINEM Fernseher die Schuhe auszieht und DEINE eventuell vorhandenen Kinder anraunzt. In jedem Fall aber legst du die anderen Profile vorerst auf Eis und erklärst deinen Freunden dort, dass du erst einmal geschäftlich ins Ausland musst.
Falls etwas nicht klappt, aktivierst du die Seiten wieder und machst weiter, wo du aufgehört hast. Aber in jedem, wirklich jedem Fall meldest du erst einmal das Internet ab. Ihr seid beide glücklich, sooo glücklich miteinander und braucht das doch nicht. Schließlich ... es gibt immer eine Hyäne, die taffer ist – du verstehst?
© "Theorie und Praxis: Ein Schnellkurs für Webhyänen": Textbeitrag von Izabel Comati (Pressenet), 2010.
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